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Medizingeschichte

Joseph Lister: Detektiv mit Mikroskop

Der englische Chirurg Joseph Lister machte sich mit detektivischem Spürsinn daran, die Ursachen für die vielen oft tödlichen Wundinfektionen nach Operationen zu finden. Mit Erfolg: Er hat sich als derjenige in die Medizingeschichte eingeschrieben, der chirurgische Eingriffe unter sterilen Bedingungen als erster umsetzte und salonfähig machte. Joseph Lister wurde vor am 5. April vor 195 Jahren im englischen Essex nahe London geboren.

Eva Kaiserseder

Catgut. Was sich erst einmal anhört wie Katzenstreu mit semi-originellem Namen gilt als ein wichtiger Baustein in der Geschichte der Chirurgie. Schon im Altertum und davor wurden Wunden mit Materialien wie Leinen, Pflanzenfasern oder gar Haaren vernäht, was alles andere als keimfrei war. Überhaupt, die Chirurgie. Eine Wundinfektion nach einem chirurgischen Eingriff war eher die Regeln denn die Ausnahme und wenn jemand ins Krankenhaus kam, um operiert zu werden, war das wirklich Gefährliche daran meist nicht die Operation selbst, sondern die Infektion, welche die Patient:innen hernach sehr oft bekamen. Und die oftmals tödlich ausgingen.

Hier kam Joseph Lister ins Spiel. Er war als Professor für Chirurgie im schottischen Glasgow und später in London tätig. Fasziniert von Keimen und ihrer Rolle rund um das Thema Wundinfektion, deren Ursache damals noch nicht mehr als eine Vermutung war, beschäftigte er sich mit Louis Pasteurs Arbeiten: Der französische Arzt, Chemiker und Bakteriologe fand heraus, welche entscheidende Bedeutung Mikroorganismen bei Gärungs- undf Fäulnisprozessen hatten. Er gilt neben Robert Koch als Begründer der Mikrobiologie. Zudem vermutete Pasteur folgerichtig, dass bestimmte Bakterien in Lebensmitteln durch Hitze abgetötet werden könnten. Das Prinzip der Pasteurisierung war geboren und im weiteren Sinne auch die Idee der Antisepsis, der Verminderung und Ausmerzung infektiöser Keime in der Medizin.

Zurück zu Joseph Lister: Seine intensive Beschäftigung mit der Wundheilung nach Operationen brachte ihn auf die Idee, dass Bakterien, die in Wunden gelangen, dort ähnlich den von Pasteur beobachteten Fäulnis- und Gärungsprozessen wirken und damit Infektionen auslösen. 1867 beschrieb er in einem Fachartikel „On the antispetic principle in the practice of surgery“ wie hoffnungslos es anfangs schien, etwa die Eiterung einer Wunde zu verhinden, weil man annahm, Sauerstoff wäre dafür verantwortlich. Und wie er schließlich entdeckte, dass Phenol (oder Carbonsäure) die für die Wundinfektion verantwortlichen „low forms of life“, wie er es nannte, abtötet und Sauerstoff mitnichten dafür verantwortlich war.

Warum er ausgerechnet auf Phenol für seine Zwecke kam, war übrigens mehr oder weniger Zufall: Lister wusste vom Hörensagen, dass schmutzige Abwässer mit Phenol gereinigt wurden. Nach einigem Ausprobieren gelang es ihm auch, Mikroorganismen wie Bakterien im Humanbereich damit abzutöten. Besagtes Phenol blieb zwar nicht besonders lange das Mittel der Wahl, wenn es um die Desinfizierung von Wunden ging, denn es verursachte nämlich gehörige Hautreizungen. Aber der Grundstein für antispetisches Arbeiten, wenn man so will, war gelegt. Die Todeszahlen durch Wundinfektionen gingen stark zurück. Heute würde man das, was Lister damit gelang, wohl als „Gamechanger“ bezeichnen. Zu Recht.

Lister war übrigens ein fachlicher Tausendsassa: Er beschäftigte sich nebst seinem Hauptthema Antisepsis mit der Desinfektion der Luft in Operationssälen und konzipierte das eingangs erwähnte Catgut für medizinische Zwecke und in steriler Form. Catgut ist nichts anderes als aus Naturdarm, meist aus Rind oder Schaf, hergestelltes Nahtmaterial. Der ungewöhnliche Name, zu deutsch etwa Katzeneingeweide, kommt vermutlich daher, dass die ursprünglichen Nutzer, italienische Lederverarbeiter, potentielle Nachahmer und Konkurrenten verwirren wollten. Listers Entdeckungen und Innovationen fanden weite Verbreitung und festigten seinen fachlichen Ruf. Unter anderem wurde er 1891 Leiter des „British Institute of Preventive Medicine“.

Sein Name wird zudem mit den Listerien in Verbindung gebracht, einer Bakterienfamilie, von denen ein Mitglied für den Menschen gefährlich werden kann: Listeria monocytogenes kann eine Listeriose auslösen, die mit hohen Sterblichkeitsraten verbunden ist und durch kontaminierte Lebensmittel wie etwa Fleisch, Käse oder rohes Gemüse übertragen wird. Österreichweit wurden 2020 laut AGES-Zahlen 3.335 Lebensmittelproben auf Listerien untersucht, wovon in 58 Proben L. monocytogenes nachgewiesen wurde.

Lister starb 1912 als einflussreicher Chirurg in hohem Alter, nämlich 85-jährig, und wurde in London begraben. In Glasgow und London gibt es Denkmäler ihm zu Ehren. Auch in Wien finden sich seine Spuren: Die Joseph-Lister-Gasse im 13. Bezirk nahe dem Krankenhaus Hietzing ist nach diesem wichtigen Vertreter seiner Zunft benannt.

 

„On the antiseptic of surgery“

Buch: „Der Horror der frühen Medizin“

Joseph Lister
Joseph Lister, hier als junger Mann um 1860, gilt als Begründer der Antisepsis.
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„Warum er ausgerechnet auf Phenol für seine Zwecke kam, war übrigens mehr oder weniger Zufall: Lister wusste vom Hörensagen, dass schmutzige Abwässer mit Phenol gereinigt wurden."
„Sein Name wird zudem mit den Listerien in Verbindung gebracht, einer Bakterienfamilie, von denen ein Mitglied für den Menschen gefährlich werden kann: Listeria monocytogenes kann eine Listeriose auslösen, die mit hohen Sterblichkeitsraten verbunden ist (...)"