Wie der Aufbruch gelingen kann

Wirtschaftspolitische Herausforderungen für die neue „Ampel“-Koalition

SPD, Grüne und FDP bilden die neue Bundesregierung. In den Koalitionsverhandlungen war Rheinland-Pfalz aufgrund der Erfahrungen im Land mit einer „Ampel“-Koalition personell prominent vertreten. Die Regierungsparteien wollen nun einen Aufbruch initiieren und zukunftsweisende Aufgaben wie die Transformation der Wirtschaft angehen. Um diese verantwortungsvoll zu bewältigen, müssen Betroffenheiten und Bedürfnisse der gewerblichen Wirtschaft bei der Suche nach Lösungen Berücksichtigung finden.
Deutschland vor zukunftsentscheidenden Herausforderungen
Nicht zuletzt die Corona-Krise hat gezeigt, dass wesentliche Weichen gestellt werden müssen, um die Zukunft des Landes nachhaltig gestalten zu können. Für die Dekarbonisierung (1.) ist neben der Rentabilität klimafreundlicher Produktionsformen vor allem die Verfügbarkeit erneuerbar erzeugten Stroms zentrale Voraussetzung. Im Bereich der Digitalisierung (2.) besteht Aufholbedarf im öffentlichen wie im privaten Sektor, um Standards für Infrastrukturen wie Technologien zu etablieren. Und mit Blick auf den demografischen Wandel muss dem Rückgang an Fachkräften in Deutschland (3.) begegnet werden.

Was die Politik tun kann

  1. Unternehmen benötigen große Mengen an grünem Strom, sodass ein marktbasierter Ausbau erneuerbarer Energien massiv vorangetrieben werden muss. Daher ist es insbesondere wichtig, dass laut Koalitionsvertrag neue Flächen ausgewiesen sowie Planungs- und Genehmigungsverfahren massiv beschleunigt werden sollen. Um die Strompreise zu entlasten, ist es darüber hinaus richtig, die EEG-Umlage in den Bundeshaushalt zu übernehmen. Die Senkung der Stromkosten wird als Treiber für die Elektrifizierung in der Wirtschaft wirken und damit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Im Emissionshandel ist der Verzicht auf eine nationale Anhebung des CO2-Preispfades positiv, da so der strukturelle Nachteil für deutsche Betriebe im Vergleich zu den europäischen Konkurrenten nicht verschärft wird. Es ist sinnvoll, stattdessen einen neuen EU-Emissionshandel für Verkehr und Gebäude zu schaffen sowie den Schutz vor Carbon Leakage zu stärken. Das Ziel einer Verkehrsverlagerung auf die Schiene ist zwar zu befürworten, doch die Kapazitätserhöhungen im Schienennetz brauchen Zeit. Um die Verkehrsbedürfnisse während der Baumaßnahmen zu befriedigen, sind auch weiterhin Ausbauten bei der Straße erforderlich.
     
  2. Der Ausbau leistungsfähiger digitaler Infrastrukturen bedarf neben ausreichend Ausbaukapazitäten auch einer Genehmigungspraxis, die echte Ausbaufortschritte ermöglicht, sowie einer Förderpolitik, die den eigenwirtschaftlichen Netzausbau nicht konterkariert. Um digitale Verwaltungsleistungen für Unternehmen bündeln und über eine Plattform zugänglich machen zu können, sind einheitliche öffentliche IT-Infrastrukturen nötig. Hinsichtlich des Wissenstransfers digitaler Technologien ist der im Koalitionsvertrag festgehaltene Ausbau von Unterstützungsangeboten und die Vereinfachung von Förderprogrammen für Digitalisierungsvorhaben von Unternehmen positiv zu bewerten. Für die Partizipation von Unternehmen an der Datenwirtschaft benötigt es darüber hinaus innovationsfreundliche Rahmenbedingungen beim Datenaustausch und der Datenverarbeitung.
     
  3. Die deutsche Wirtschaft ist auf eine systematische und praxisnahe Berufsorientierung angewiesen, die sowohl verstärkt über digitale Formate und soziale Medien an junge Menschen herantritt als auch frühzeitig betriebliche Praktika umfasst. Insbesondere die Gymnasien sollten verbindlich über die guten Perspektiven einer dualen Ausbildung und anschließender Höheren Berufsbildung informieren. Bei der Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte sollte die Verfahrensdauer im Zuwanderungsprozess insgesamt verkürzt und im Ausland zielgerichtet über den Arbeits-, Studien- und Ausbildungsort Deutschland sowie über Fachkräftezuwanderungswege und -voraussetzungen informiert werden. Die Einführung einer Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems und die Ausweitung der Blue Card auf nicht-akademische Berufe müssen darüber hinaus so ausgestaltet sein, dass das Einwanderungssystem übersichtlich bleibt und keine neue Bürokratie entsteht. Im Bereich der Weiterbildungsförderung sollten Angebote der Arbeitsagenturen auf den Prüfstand gestellt werden – insbesondere im Hinblick auf die Frage, inwieweit sie KMU und deren Beschäftigte tatsächlich erreichen. Auch Konzept und Nutzen der im Koalitionsvertrag neu etablierten Weiterbildungsagenturen müssen noch geklärt werden.

    Neben den fachlichen Aspekten sind für die Transformation der Wirtschaft auch offene Märkte (4.) sowie herausragende Investitionsbedingungen (5.) bei stabilen öffentlichen Haushalten ausschlaggebend.
     
  4. In der internationalen Handelspolitik sind der Abbau von Handelshemmnissen sowie gute multilaterale wie bilaterale Regeln für Handel und Investitionen essenziell. Neben der WTO-Reform sind bessere Handelsbeziehungen u. a. mit der EU-Nachbarschaft nötig, um die Anfälligkeit der exportorientierten deutschen Wirtschaft zu reduzieren. Handelsferne Themen dürfen Handelsabkommen der EU jedoch nicht überfrachten. Auch die Ratifizierung von bereits abgeschlossenen Abkommen oder die Digitalisierung und andere Vereinfachungen im Zollbereich sind wichtig.
     
  5. Auf eine neue oder wiederbelebte Besteuerung von Vermögen zu verzichten sowie steuerbürokratische Entlastungen anzugehen, ist richtig. Wichtige Ansatzpunkte aus dem Koalitionsvertrag hierfür sind u. a. die Modernisierung von Betriebsprüfungen, die vorgesehene Anhebung von steuerlichen Schwellenwerten sowie ein vollständig digitaler Datenaustausch mit den Finanzverwaltungen. Darüber hinaus würden zeitgemäße Abschreibungsregeln ohne Befristung, verbesserte Möglichkeiten der Verlustverrechnung sowie eine vereinfachte Besteuerung einbehaltener Gewinne weitere wichtige Impulse für die Liquidität der Betriebe geben und Investitionen fördern.

Was die IHKs tun

Gemäß § 1 IHKG vertreten die IHKs das Gesamtinteresse der gewerblichen Wirtschaft gegenüber Politik und Verwaltung. Durch die abwägende und ausgleichende Vorgehensweise wird gerade auch dem für die deutsche Wirtschaft so wichtigen Mittelstand eine Stimme verschafft. Darüber hinaus erbringen die IHKs im Sinne der allgemeinen Wirtschaftsförderung Serviceleistungen für ihre Unternehmen und übernehmen vom Staat übertragene Aufgaben, die praxisnah und unternehmensorientiert ausgeführt werden sollen.