Expertenbeitrag

Fehlerquelle Schnittstellen

Klarheit zwischen Metallbau & Gebäudeautomation

Dipl.-Ing. Markus Schultz möchte mit diesem Fachbeitrag Licht in die meistens noch unklare Situation der Schnittstellendefinition zwischen Metallbau und Gebäudeautomation bringen. Als grundlegendes Übel für die Probleme hat er die mangelnde Kommunikation der Parteien ausgemacht.

Wird mit Schnittstellen zwischen Gewerken nicht professionell umgegangen, verursacht dies unnötige Diskussionen und Mehraufwand. Der Fachbeitrag möchte Metallbauer anleiten, den kooperierenden Gewerken die richtigen Fragen zur richtigen Zeit zu stellen. Kommunikation und Verständnis für die Belange des anderen Gewerks ist ein wesentlicher Schlüssel, damit Schnittstellen klar gehandhabt werden.

Gemäß DIN 276-1 ist die Gebäudeautomation (480) auch eine Kostengruppe zur Kalkulation der Baukosten. Kostengruppe 481 ist die Anlagenautomation, 483 beschreibt die Management- und Bedieneinrichtungen und 484 die Raumautomation. Die technischen Richtlinien nach VDI 3813 und 3814 gelten ebenfalls. Somit könnten der Metallbau und die Elektroplanung korrekt ihre Leistungen kalkulieren, wenn bereits im Vorfeld − in der Ausschreibung − alles präzise beschrieben wäre.

Hinter mechatronischen Bauteilen und deren Vernetzung steckt eine Menge Hardware und Verkabelung, die nur ein Fachmann in Zusammenarbeit und enger Abstimmung mit dem Metallbauer erstellen sollte. Auf Plug and Play sollte sich bei diesen Aufträgen niemand verlassen. Wichtig ist, im Kontakt mit den Kunden beziehungsweise den Nutzern künftige Vorhaben mit der Gebäudeautomation bereits in die aktuelle Installation einzubeziehen. Denn der Stand von heute könnte vielleicht schon morgen eine Schnittstellenproblematik oder Störungen durch Funksignale hervorrufen. Die Fachplanung sollte weitsichtig angelegt werden.

Hinsichtlich der Schnittstellen können folgende acht Bereiche des Metallbaus mit ihren einzelnen zu definierenden Komponenten unterschieden werden:

1. Sonnenschutz (außen/innen) mit Bedienung, Steuerung und möglichem BUS-System

- Individuell für jedes Fenster sollte der Nutzer beschreiben, wie er den Sonnenschutz einsetzen möchte.

- zentrale Steuerung durch Gebäudeleittechnik je Raum, Etage, Gebäudeseite, Verschattung usw.? abhängig von Tageszeit bzw. Sonnenstand, Wettervorhersage?

- Zentrale Steuerung (Master) steht über individueller Steuerung? per Funk (Fernbedienung) oder festem Schalter (kabellos)?

- Berücksichtigung von Flucht- und Rettungswegen („Notraffung“)?

- Tageslichtleittechnik inklusive?

- Sind die Energieeffizienzklassen ausreichend berücksichtigt? Zusammenspiel Raumautomation und Sonnenschutz?

- Eindeutige Festlegung des Leistungsumfangs/Übergabepunkte/Schnittstelle, Kabellänge?

- Wo können die Motorsteuereinheiten im Gebäude nahe zur Fassade platziert werden?

- Motorentyp für spätere Anbindung in ein „Kommunikationssystem“: Kondensatormotor, Motor mit Inkrementalgeber oder SMI-Motor? Dabei ist zu beachten, dass ein höherwertiger Motor nicht unbedingt in der Gesamtbetrachtung kostenintensiver ist. Er könnte andere Komponenten mit integrieren und somit insgesamt das gesamte System günstiger gestalten.

2. Sicherheitstechnik

- Alarmspinnen (u.a. VdS-Richtlinie 2270), z.B. elektromagne-
tische Verträglichkeit (EMV)?

- Magnetkontakte (u.a. VdS-Richtlinie 2120)

- Schließtechnik (Schlösser & Fensterflügel) – frühzeitige Definition der Türliste durch den Nutzer. Manchmal sind die Fragen des Fachplaners Elektro für den Metallbauer nicht verständlich, da beide vom anderen Gewerk nur wenige Kenntnisse haben. Je komplexer die Anforderungen an eine Tür, umso mehr Kabel sind an das Gebäudemanagementsystem anzuschließen.

- Brandschutz & RWAs

- Dabei ist zu beachten, dass gerne autarke Systeme für Brandschutz und RWAs mit eigener Spannungsversorgung geplant werden, damit im Falle eines Stromausfalls diese Systeme weiter funktionstüchtig sind. Ebenso können Software-Updates zu Störungen zwischen Gebäudeautomation und Brandschutz führen. Eine überschaubare Struktur in kleineren Bereichen scheint hier sinnvoller als alles in „einem System“.

- VDI-Richtlinien 3819 („Brandschutz in der Gebäudetechnik“) und 6010 („Sicherheitstechnische Einrichtungen für Gebäude“) sind zu beachten.

3. Prinzipielle Kabelverlegung in der Fassade bzw. Befestigung an Fassaden

- Brandlasten der Kabel beachten (EU 305/11, EU-BauPVO)

- VdS-Richtlinien: Die Auswahl ist sehr groß und sollte daher durch den Fachplaner Elektro            eindeutig benannt werden.

- Kabellänge (eindeutige Definition im LV notwendig, HOAI, §15, Lph. 5)

- Befestigung von Werbeträgern/Lichtbänder o.Ä. an der Fassade – auch weitsichtig betrachten!

- Verlegung & Wartung & Austausch von Kabeln (u.a. DIN VDE 298-3, Stichwort „Biegeradien von   Kabeln“)

- Dampfdichtigkeit der Verlegung und bei Durchdringungen durch die Fassade beachten

4. Blitzschutz & Erdung von Fassaden

- Ableitung des Blitzes an der Gebäudehülle gewährleisten (Faraday‘scher Käfig)

- elektrische Leitfähigkeit der Fassade nachweisen

- Erdung der Fassade bei Kurzschluss von elektrischen Komponenten vorsehen

- Anschlüsse je Etage, Attika und Fußpunkt mittels Kabellaschen ausführen

5. Photovoltaikanlagen in der Fassade integriert

- Leistung der Paneele in W/m² (peak) = Spitzenleistung?

- Wer stellt den Wechselrichter zwischen Paneel und „Schwachstrom“?

- Austausch von beschädigten Paneelen? Zugänglichkeit für Wartung?

6. Karussell- und Schiebetüren bzw. automatische Türen

- Leistungsbedarf notwendig zu wissen

- Kabelführung evtl. zum Empfangsschalter mit vorsehen

- Sicherheitsanforderungen?

- Ansteuerung & Bedienung?

7. Befahranlagen für innen & außen

- elektrischer Leistungsbedarf mit Absicherung?

- Anschluss an Gebäudeleittechnik für Kontrollsignale?

- elektrische Versorgung mit Anschlusspunkt?

8.    Elektrochromes Glas − Glastönung (Blick- bzw. Sonnenschutz)

Abhängig vom Lieferanten sind unterschiedliche Spannungsversorgungen möglich, ebenso deren Ansteuerung und Integration in ein Gebäudemanagementsystem.

Wie diese acht dargestellten Bereiche mit ihren jeweiligen Komponenten dann „zusammenspielen“, sprich über ein BUS-System vernetzt werden oder nicht, sollten beide Fachplaner bereits vor der Ausschreibung miteinander abstimmen. Nur dann kann eine präzise und korrekte Preisermittlung seitens des Metallbauers erfolgen.

Gängige BUS-Systeme sind:

- LONWORKS basierend auf ISO/IEC 14908.1

- KNX basierend auf ISO/IEC 14543-3

- BACnet

- Modbus basierend auf einem Teil der IEC 61158 (Eigen-
schaften von Feld-BUS-Systemen)

Zusammenfassung

Folgende Punkte sollten stets berücksichtigt werden:

- Schnittstellendefinitionen müssen eindeutig vor der Ausführung (oder sogar der Ausschreibung) geklärt sein; ist es vielleicht sinnvoll, einen Integrationsplaner hinzuzuziehen?

- Nutzungsprofil bei Befahranlagen/Sonnenschutz /Türen/ Tageslichtleittechnik sollte vorher eindeutig beschrieben sein (Bauherr/Nutzer und Architekt/Fachplaner).

- Die zukünftige Digitalisierung, auch mit Funksystemen, sollte generell mit betrachtet werden, um spätere „Störungen“ zu vermeiden.

- Mit Fachleuten/Integrationsplaner zur Schnittstellenproblematik zusammenarbeiten.

Ausblick

Das Thema „Smart Home“ wird immer stärker auch im Neubau von kleineren Projekten erwartet. Der Metallbauer sollte sich auf jeden Fall fachliche Kompetenz eigenständig erarbeiten, vielleicht in Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten oder, bei noch punktuell wenigen Anfragen im Geschäftsjahr, auf externe Unterstützung durch Dienstleister zurückgreifen. Aktuell ist der Mehrwert an Komfort und Sicherheit durch mechatronische Elemente im hochpreisigen Bereich angesiedelt. Das Marktpotenzial ist schwierig einzuschätzen und fällt erfahrungsgemäß regional sehr unterschiedlich aus.

Info & Kontakte

Ingenieurbüro Markus Schultz GmbH
An der Kesselschmiede 6
52223 Stolberg (Rheinland)
Tel. +49 2402 1247450

www.ib-schultz.de

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