Schabeputz an der Fassade des Hauses am Horn in Weimar saniert

Das Haus Am Horn wurde 1923 nach einem Entwurf des Bauhaus-Meisters Georg Muche in Weimar errichtet. 1996 wurde es zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Seitdem hat man im Rahmen einer umfassenden Sanierung versucht, den Urzustand des Gebäudes wiederherzustellen.

2019 jährt sich die Begründung der Weimarer Bauhaus-Schule durch Walter Gropius zum hundertsten Mal. Der radikal neue Ansatz der Baumeister zeigt sich bereits bei einem der ersten Bauprojekte: dem Haus Am Horn. Bauherr des von Georg Muche entworfenen Gebäudes war Walter Gropius selbst. Das Einfamilienhaus sollte als Musterhaus einer ganzen Siedlung fungieren, die jedoch nie verwirklicht wurde. Weitere Typen und Variationen existieren nur als Zeichnungen.

Innovation in Serie

Entsprechend der Idee einer Serienfertigung von Wohnhäusern achtete man bei der Wahl der Baustoffe und Bauteile auf solche, die dem synthetischen Baugedanken entgegenkamen. Dies begann bereits im Rohbau: So wurden großformatige Jurko-Steine (Leichtbetonplatten) mit einer innenliegenden Wärmedämmung aus Torfoleum (gepresster, imprägnierter Torf), einem der ersten industriell gefertigten Dämmstoffe, verwendet. Weiter gab es für die damalige Zeit fortschrittliche Hohlsteindecken und ein Flachdach mit einer Asphaltbahn. Auf einer Fläche von nur 12,70 m x 12,70 m entstand so ein eingeschossiges Wohnhaus, dessen Räume um einen in der Mitte liegenden Hauptraum gruppiert sind. Die ebenfalls vom Bauhaus entworfenen Möbel sind leider größtenteils nicht mehr vorhanden.

Markante Putzoberflächen

Die Fassade spielte im Entwurf eine entscheidende Rolle: Fassadenschmuck wie Stuckprofile oder ähnliches war bei den Bauhaus-Anhängern verpönt. Dementsprechend bevorzugte man Oberflächen, die die stofflichen, farblichen und plastischen Strukturen ihres Materials betonten. Häufig findet man im Bauhaus weiße, glatte Putzoberflächen, die den Gebäuden ihre markante Optik verleihen und die bis heute als Markenzeichen für diese Art der Architektur stehen. Zudem nahm man mit der Verwendung eines Edelputzes den neuen Gedanken des rationellen Bauens auf. Denn im Gegensatz zu den damals üblichen, auf der Baustelle gemischten Mörteln wies der industriell hergestellte Werktrockenmörtel eine gleichbleibende Fertigungsqualität auf, was auch einen Zeitgewinn im Bauprozess bedeutete.

Auch beim Haus Am Horn wurde ein Edelputz verwendet, der durch Glimmerpartikel im Material eine lebendige, changierende Wirkung erzielt. Die Planer wählten einen Schabeputz mit einer Körnung von nur 1 mm und erhielten so eine feinere Struktur als mit herkömmlichem Kratzputz. Die Auftragsdicke beträgt bei Kratz- und Schabeputz in der Regel etwa 1 cm. Nach der Erhärtungszeit wird die bindemittel- und spannungsreiche Oberfläche bearbeitet und abgeschabt. Anders als bei einem Kratzputz wird beim Schabeputz die Putzoberfläche nicht mit einem Nagelbrett oder Kratzigel gekratzt, sondern mit einer glatten Kante, zum Beispiel einer Ziehklinge, geschabt. Durch diesen handwerklich-künstlerischen Vorgang verliehen die Handwerker auch der Fassade des Hauses am Horn eine ganz eigene Handschrift.

Zurück zum Ursprung

Während des Zweiten Weltkrieges, in der Nachkriegszeit und in der DDR erlebte das Haus Am Horn eine wechselvolle Geschichte mit zahlreichen Besitzern und Umbauten. Seit den 1980er-Jahren ist das Bewusstsein für den historischen Wert des Gebäudes gewachsen. Kurz nach der Wende übernahm der Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar e.V. die Trägerschaft. 1996 wurde das Haus am Horn in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten aufgenommen. 1999 standen umfassende Sanierungen an. Ziel war es, das Ursprungsgebäude von 1923 wiederherzustellen und dabei die originale Substanz weitgehend zu erhalten. Die An- und Umbauten der vergangenen Jahrzehnte wurden zurückgebaut. Daneben galt es, die Fassade zu sanieren und Feuchteschäden zu beheben. Um bei der Sanierung so nah wie irgend möglich am Original zu bleiben, sollte auch der gleiche Putz zum Einsatz kommen. Als Quelle bei der Suche nach Baustoff-Herstellern diente Architekt Thomas Wittenberg, der das Kulturerbe im Auftrag des Freundeskreises seit Jahren betreut, mit einer Publikation, die 1923 zur Eröffnung der Bauhaus-Ausstellung veröffentlicht wurde. Dort wurde die Firma Terranova erwähnt, die bereits in den 1920er-Jahren den Originalputz lieferte und auch diesmal helfen konnte.

Zeitloser Baustoff

Schäden zeigten sich vor allem im Spritzwasserbereich am Fuß des Gebäudes. Der Grund: Aus gestalterischen Gründen hatte der Bauhaus Architekt auf die Ausbildung eines Sockels verzichtet. Zwar konnte so die Kante zwischen Gebäude und Gelände klarer formuliert werden. Aus bauphysikalischer Sicht ist dies jedoch ein bedenklicher Ansatz, da Fassadenputze der ständigen Feuchtigkeitsbelastung nicht immer gewachsen sind. Trotzdem blieb man bei den Sanierungsarbeiten aus denkmalspflegerischen Gründen bei dieser Bauweise. Man bildete lediglich eine Abrissfuge aus, die aufsteigende Feuchtigkeit stoppen sollte. Ganz verhindern ließen sich die Schäden trotzdem nicht. So standen nach knapp 15 Jahren, im Herbst 2013, erneut kleinere Sanierungsarbeiten an der Gebäudefassade an. Aufgrund des fehlenden Sockels kam es zu Abplatzungen im bodennahen Bereich. Nach intensiver Recherche stießen die Architekten auch dieses Mal auf eine Quelle für den Originalputz. Zwar war die Firma Terranova mittlerweile in der Saint-Gobain Weber GmbH aufgegangen, das Wissen um die Herstellung von Edelputzen war aber bewahrt worden: So konnte Weber auf Anfrage der Sanierer problemlos den gewünschten Putz liefern. Das Unternehmen hat das bewährte Produkt als mineralischen Edelkratzputz „weber.top 200“ mit 1 mm Körnung und Glimmerzuschlägen auch nach knapp 100 Jahren in kaum veränderter Rezeptur noch im Programm.

Auch bei der jüngsten Sanierung an der Putzfassade des Haus am Horn kam „weber.top 200“ zum Einsatz. Der Stuckateurbetrieb Bauhof GmbH aus Nohra, der bereits mit der vorangegangenen Sanierung beauftragt war, führte im Frühjahr 2018 eine vollflächige Fassadensanierung durch. Um eine schnelle Durchtrocknung durch Sonneneinstrahlung zu vermeiden, deckten die Handwerker die Fassade zwischen den verschiedenen Arbeitsschritten mit einer Plane ab. Pünktlich zum 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum präsentiert sich das Haus am Horn nun wieder im ursprünglichen Erscheinungsbild.

Autor

Dipl.-Ing. Georg J. Kolbe ist Leiter des Produktmarketings Putz- und Fassadensysteme bei der Saint-Gobain Weber GmbH in Düsseldorf.

Haus aus Leichtbetonplatten mit innenliegender Wärmedämmung aus Torfoleum, einem der ersten industriell gefertigten Dämmstoffe

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