Exoskelette für Arbeiten über Kopf

Der Fachkräftemangel fordert in Kombination mit einer alternden Belegschaft das Bauhandwerk heraus. Arbeiten über Kopf stellen in vielen Gewerken eine große Belastung für die Mitarbeiter dar. Hier können Exoskelette wie „Paexo“ von Ottobock Industrials Abhilfe schaffen.

Exoskelette kennt der ein oder andere aus Science-Fiction-Filmen: Die damit ausgestatteten Menschen werden zu Maschinen, Avataren, die mit übermenschlicher Kraft ihre Gegner bezwingen. Darum geht es im Bauhandwerk natürlich nicht. Wer im Trockenbau des häufigeren zum Beispiel mit einem Langhalsschleifer arbeiten muss, wäre gegen Feierabend aber manchmal gerne so ein „Superheld“ mit übermenschlichen Kräften. Exoskelette bieten Handwerkern gerade bei körperlich anstrengender Arbeit über Kopf eine echte Entlastung.

Aktive Exoskelette

Grundlegend unterscheidet man die aktiven von den passiven Exoskeletten. Aktive Exoskelette steigern die menschliche Kraft maschinell wie in den eingangs erwähnten Science-Fiction-Filmen. Die Forschernachwuchsgruppe „Smart Assist“ hat um Prof. Dr. Ing. Robert Weidner an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg ein solches aktives Exoskelett mit Namen „Lucy“ bis zum Prototypen entwickelt. Das rund 5 kg schwere Exoskelett arbeitet pneumatisch mit einem Druck von 300 Bar. Da neben der Krafterzeugung und Steuerung auch Bewegungssensoren erforderlich sind, die die beabsichtigte Bewegung des Menschen „erraten“, ist ein solches Exoskelett technisch sehr aufwendig. Ob und vor allem zu welchem Preis ein solches aktives Exoskelett im Bauhandwerk zum Einsatz kommen wird, steht noch in den Sternen.

Passive Exoskelette

Anders sieht es bei passiven Exoskeletten aus: „Paexo ist ein passives Exoskelett, das keine Energiezufuhr benötigt. Deshalb ist es besonders leicht – mit 1,9 kg Gewicht sogar das leichteste Exoskelett seiner Art“, erklärt Dr. Sönke Rössing, Leiter des Geschäftsbereichs Ottobock Industrials, bei der Präsentation von „Paexo“ Mitte Januar auf der Messe BAU in München. Das haben wir von der Redaktion der bauhandwerk dort sogleich ausprobiert. Von einem solchen Exoskelett merkt man zunächst so gut wie nichts am Körper. Man setzt es wie einen Rucksack auf und befestigt mit Klettverschlüssen die Armschalen an den Oberarmen und schon ist man einsatzbereit. Das geht tatsächlich erstaunlich schnell. Unter 20 Sekunden kann man dafür veranschlagen. Hebt man die Arme nun über Schulterhöhe empor, wandern sie fast wie von selbst weiter nach oben. Das hängt von der Stärke der Unterstützung ab, die man über Justierschrauben für den linken und rechten Arm separat einstellen kann. Bei der Arbeit mit „Paexo wird das Gewicht der erhobenen Arme über die Armschalen dank mechanischer Seilzugtechnik auf die Hüfte abgeleitet. Erstaunt hat uns aber nicht nur die Unterstützung, die ein solches passives Exoskelett bietet, sondern auch die Bewegungsfreiheit. Selbst wenn man für Arbeiten in die Hocke geht, behindert des Exoskelett dabei kaum.

Bauhandwerk testet Exoskelette

In den kommenden Monaten werden wir von der Redaktion der bauhandwerk das Exoskelett „Paexo“ gemeinsam mit Handwerkern auf Baustellen testen. Das Industriemontage-Unternehmen Thor aus Erfurt hat dies bereits im November vergangenen Jahres auf seinen Baustellen getan. Dabei kam das Exoskelett in unterschiedlichen Gewerken zum Einsatz. „Unsere Mitarbeiter waren begeistert von der sofortigen Entlastung der Muskulatur“, berichtet Kersten Thor, Geschäftsführer des Unternehmens. „Mein Eindruck ist auch, dass Exoskelette die Attraktivität von Arbeitsplätzen in der Industriemontage steigern. Sie können helfen, Mitarbeiter zu binden und neue Kollegen zu gewinnen. Wir planen derzeit einen breiteren Einsatz von Paexo auf unseren Baustellen.“ Das Exoskelett ist das erste marktreife Produkt von Ottobock Industrials. Es ist seit Oktober vergangenen Jahres am Markt verfügbar und kostet etwa 4900 Euro. Auch ein Leasing ist ab 115 Euro pro Monat möglich.

Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.ottobock.com

 

Autor

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

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