Lebenslange Haft für Lübcke-Mörder
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© Thomas Lohnes / AFP Pool / dpa

Der Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, Stephan Ernst, ist zu lebenslanger Haftverurteilt worden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main stellte am 28.01.2021 zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen. Eine anschließende Sicherungsverwahrung behielt sich das Gericht vor. Der Mitangeklagte Markus H. erhielt eine Bewährungsstrafe von 18 Monaten.

Stephan Ernst erschoss Lübcke aus rechtsextremistischen Motiven

Die Richter sahen es als erwiesen an, dass Ernst in der Nacht zum 2. Juni 2019 den nordhessischen Regierungspräsidenten auf dessen
Terrasse im Landkreis Kassel erschossen hat. Der 47-Jährige handelte demnach aus einem rechtsextremistischen, fremdenfeindlichen Motiv. "Er projizierte Fremdenhass auf Dr. Lübcke." Der Politiker hatte 2015 in Ernsts Gegenwart die Aufnahme von Flüchtlingen verteidigt. Freigesprochen wurde Ernst vom Vorwurf, einen irakischen Flüchtling 2016 hinterrücks niedergestochen und schwer verletzt zu haben. "Es gibt zwar Umstände, die auf die Täterschaft hindeuten, aber keine tragfähigen Beweismittel", sagte der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel.

Markus H. zu Bewährungsstrafe verurteilt

Der ursprünglich wegen Beihilfe zum Mord an Lübcke angeklagte Markus H. wurde wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt. Das OLG verurteilte H. zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Ernst hatte die Tat wiederholt gestanden - jedoch in drei unterschiedlichen Versionen. Dabei belastete er zuletzt den Mitangeklagten H., der mit am Tatort gewesen sei. Doch an dieser Version habe man angesichts von Widersprüchen und situativ angepassten Aussagen "erhebliche Zweifel", erklärte das Gericht. Ernsts Schilderungen seien nur im Bezug auf den eigenen Tatanteil glaubwürdig.

Geständnisse hatten positive Auswirkung

Die Geständnisse wirkten sich trotz der Widersprüche laut Sagebiel zugunsten von Ernst aus. Zwar habe das Gericht keinen Spielraum bei der Verurteilung zu lebenslanger Haft und der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld gehabt. Aber Ernst habe nun die
Möglichkeit, mit einem Aussteigerprogramm für Rechtsextreme zusammenzuarbeiten, Einfluss auf die mindestens zu verbüßende Strafe zu nehmen und Sicherheitsverwahrung zu vermeiden.

Erster rechtsextremistischer Mord an Politiker der BRD

Nebenkläger in dem einschließlich der Urteilsverkündung 45 Tage dauernden Prozess war unter anderem die Familie Lübckes - seine Ehefrau und zwei Söhne. Die Tat gilt als erster rechtsextremistischer Mord an einem Politiker in der Bundesrepublik. Der Prozess fand wegen der Corona-Pandemie unter strengen Hygieneauflagen statt.

Familie des Opfers: Urteil gegen Markus H. "schmerzlich"

Die Familie Lübckes ist ihrem Sprecher zufolge enttäuscht vom Urteil gegen den mitangeklagten Markus H. Dieses Urteil sei außerordentlich schmerzlich, sagte Sprecher Dirk Metz in Frankfurt. Die Familie sei der festen Überzeugung, dass beide Angeklagte gemeinsam die Tat nicht nur vorbereitet und geplant hätten, sondern auch gemeinsam am Tatort gewesen seien. Insofern sei das Urteil gegen Markus H. schwer zu verkraften - "weil die Familie auch der Ansicht ist, dass nicht alles vom Gericht in diesem Fall ausgelotet worden ist, was möglich gewesen wäre". Das Urteil gegen Ernst entspreche der "sicheren Erkenntnis der Beweislage", sagte Familiensprecher Metz weiter. Es habe zudem ein aus Sicht der Familie sehr präzises Geständnis von ihm gegeben. "Dafür hat er heute die höchste Strafe bekommen, die unser Rechtsstaat zur Verfügung hat." Trotz der Enttäuschung über das Urteil gegen H. werde es von der Familie keinerlei Gerichtsschelte geben. Lübcke sei sein Leben lang für den Rechtsstaat eingetreten, auch wenn eine Entscheidung mal nicht gefalle. Diese Werte lebe auch seine Familie. 

Generalbundesanwalt kündigt Revision an

Mit Blick auf eine mögliche Revision sagte Metz, die Familie werde den Urteilstag erstmal sacken lassen und in Ruhe überlegen, wie sie damit umgehe. Der Generalbundesanwalt ist da schon weiter. Er will Teile des Urteils vom Bundesgerichtshof überprüfen lassen. Der Vertreter der Bundesanwaltschaft, Dieter Kilmer, kündigte am Donnerstag in Frankfurt an, in Revision zu gehen. Dabei geht es um den Freispruch des Hauptangeklagten Stephan Ernst im Fall des Messerangriffs auf einen irakischen Flüchtling sowie den Freispruch für den Mitangeklagten Markus H. von der Mittäterschaft am Lübcke-Mord. Man sehe H. weiterhin als Teilnehmer an dem Mordgeschehen, sagte Kilmer.  

Reaktion des Zentralrats der Juden

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat das Urteil im Lübcke-Prozess als "angemessene Reaktion auf diese furchtbare Tat" bezeichnet. "Das Gericht setzt damit zugleich ein klares Zeichen gegen Rassismus und Rechtsextremismus", sagte Präsident Josef Schuster. Er betonte weiter, in dem Prozess seien Versäumnisse bei den Sicherheitsbehörden zutage getreten, denen der Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag nachgehen werde. "Es bleibt zu hoffen, dass dabei Erkenntnisse gewonnen werden, die es ermöglichen, rechte Netzwerke künftig besser auszuleuchten und aus denen dann die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden." Das Gewaltmonopol des Staates dürfe nie in Frage stehen. Schuster sagte weiter: "Daneben hat das Verfahren uns allen vor Augen geführt, was für ein mutiger Mann Walter Lübcke war." Er habe klare Kante gegen Rechtsextreme gezeigt und sich von ihnen nicht einschüchtern lassen. "Dafür hat er mit seinem Leben bezahlen müssen."

Redaktion beck-aktuell, 28. Januar 2021 (dpa).