Berlin. Mit Notfallplänen für den Fall eines ungeregelten Brexits wollen EU und Fluggesellschaften den Luftverkehr nach Großbritannien sichern.

Der Brexit lässt auf sich warten - für einige Fluggesellschaften bedeutet das: eine Verlängerung der Unsicherheit. Denn Regelungen, die die EU betreffen, gelten dann nicht mehr für Großbritannien. Und das könnte große Probleme bereiten. Akut sorgt sich Easyjet darum, das Flugrecht für die EU zu verlieren.

Ohne Sitz in der Europäischen Gemeinschaft dürfen Airlines nicht ohne Weiteres am Luftverkehrsbinnenmarkt teilnehmen. Für den Billigflieger mit Sitz in London wäre dies ein Desaster.

Die "Tagesschau" berichtet, dass Easyjet bereits daran arbeitet, mehrheitlich Eigentümer in der EU zu finden. Derzeit liegt der Anteil bei 49 Prozent. " So wie es derzeit aussieht, dürfte die Fluggesellschaft die Stimmrechtshürde nehmen"; heißt es bei "Tagesschau.de". Außerdem hat Easyjet als Reaktion auf die Brexit-Lage in Österreich eine Tochtergesellschaft gegründet. Nach eigenen Angaben sind bereits 130 der insgesamt 318 Airbus-Flugzeuge auf sie übertragen worden.

Easyjet sieht sich aber in einer „besseren Ausgangslage als viele andere Fluggesellschaften“: „Zur Erreichung dieses Anteils haben wir aufgrund unserer derzeitigen Beteiligungsstruktur deutlich weniger aufzuholen als andere.“ Betroffen sind auch Condor, Iberia, Vueling und Ryanair.

Millionen Fluggäste könnten betroffen sein

Generell ist der Flugverkehr vom Brexit akut betroffen. Allein in Deutschland könnte ein „No-Deal“-Brexit Millionen Passagiere treffen. Nach Zahlen des Flughafenverbands ADV, die unserer Redaktion vorliegen, starten wöchentlich 1368 Flüge von deutschen Flughäfen zu Zielen im Vereinigten Königreich.

Ingsesamt 3,93 Millionen Passagiere flogen 2017 privat von Deutschland nach Großbritannien, 2,31 Millionen beruflich. Für Geschäftsreisende ist das Land mit Abstand wichtigtes Ziel im Ausland. Viele Industriezweige warnen vor einer Katastrophe.

Luftverkehrsmarkt stark abhängig von der EU

ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel betont die Bedeutung des Flugverkehrs zwischen Großbritannien und den 27 übrigen EU-Mitgliedsstaaten: „Der Luftverkehrsmarkt in Großbritannien ist stark abhängig von der EU, denn mehr als die Hälfte der an britischen Flughäfen abgefertigten Passagiere fliegt in die Länder der EU27. Dagegen fliegt nur jeder Zehnte, der an Flughäfen der EU27 abgefertigten Passagiere, nach Großbritannien.“

Angesichts dieser Zahlen wollen die Fluggesellschaften ihre Passagiere nicht mit Warnungen vor heftigen Turbulenzen bei einem wildem Brexit ohne Austrittsvertrag verunsichern. Doch die Branche ist alarmiert.

EU sieht urlaute Abkommen als nichtig an

Hintergrund sind die Regeln des europäischen Binnenmarkts für den Luftverkehr. Hier dürfen nur Gesellschaften mit Sitz in der EU fliegen, die mehrheitlich Investoren aus den Mitgliedsstaaten gehören. Und für Flüge über den Ärmelkanal gibt es nach einem ungeregelten Brexit nach Ansicht der EU keine Grundlage mehr.

Großbritannien, so ist in der Branche zu hören, würde uralte zwischenstaatliche Abkommen aus den Archiven holen wollen. Die EU sieht diese jedoch als nichtig an. Gibt es vor dem Brexit kein Abkommen, droht Chaos. Hunderttausende fordern inzwischen auch deswegen ein neues Referendum.

Condor stellt sich für alle Fälle auf

Der deutsche Ferienflieger Condor sieht sich für alle Fälle gut aufgestellt. Die frühere Lufthansa-Tochter mit 50 Flugzeugen gehört dem britischen Touristikkonzern Thomas Cook. Christoph Debus, Chef aller Airlines des Konzerns, spricht von mehreren Alternativplänen, mit denen Flüge sichergestellt werden.

„Wir müssen uns in einer Situation politischer Unsicherheit auf ein No-Deal-Szenario vorbereiten“, sagt er. „Ich gehe davon aus, dass unsere Lösung auch bei einem unkontrollierten Brexit hält.“

Lufthansa und andere rechtliche Hürden schon früher überwunden

Als eine Möglichkeit gilt die Abgabe der Mehrheit an einem Flugbetrieb an eine Stiftung, so hatten Lufthansa und andere Airlines rechtliche Hürden bei ausländischen Töchtern bereits früher überwunden. Organisatorisch geht das nicht von heute auf morgen.

In der Branche gilt daher Mitte Dezember als letzte Chance für eine Einigung. Danach müssten die Fluggesellschaften in den Krisenmodus schalten.

Ryanair-Chef droht

Andere – damit ist etwa Ryanair gemeint. Europas größter Billigflieger sitzt im irischen Dublin, dort sind auch die über 450 Flugzeuge registriert. Doch nur 46 Prozent der Aktien werden von Investoren aus der EU mit künftig 27 Mitgliedsländern gehalten.

Airline-Chef Michael O’Leary, der für seine markigen Sprüche bekannt ist, drohte britischen Anteilseignern für den Krisenfall mit einem Entzug des Stimmrechts. Den Brexit nannte er „die dümmste Idee der Wirtschaftsgeschichte“.