Ausgabe Nr. 4 / 2019 
Brexit News
Liebe Leserin und Leser,
 
 
für den Bürgermeister des kleinen Dorfes Brunsmark in Schleswig-Holstein steht viel auf dem Spiel. Denn Iain Macnab ist Schotte und verliert nach dem Brexit als Nicht-EU-Ausländer sein aktives und passives Wahlrecht in Deutschland und dürfte somit nicht mehr ehrenamtlicher Bürgermeister der 160-Seelen-Gemeinde sein. Ein kleines Beispiel für die ungewisse Lage auf beiden Seiten des Kanals.
 
Alles Weitere rund um den Brexit finden Sie in unserem aktuellen Newsletter.
 
Viel Spaß beim Lesen,
Mathias Dubbert
Inhalt
Thema des Monats
Auswirkungen des Brexit auf den Warentransport
Wichtige Entwicklungen
EU und UK einigen sich auf erneute Verschiebung des Brexit
DIHK: "Die Unternehmen rechnen nach wie vor mit allem. "
Teilnahme Großbritanniens an Europawahlen erwartet
No-Deal-Vorkehrungen
EU-Kommission veröffentlicht 5 Leitlinien für No-Deal-Brexit
EU-Kommission veröffentlicht Checkliste für Warenverkehr nach No-Deal-Brexit
Britische Unternehmen legen Vorräte an
Brexit-Vorbereitungen bei den nationalen Zollbehörden
Bummelstreik in Calais gibt Vorgeschmack auf Brexit-Auswirkungen
Studie: Leicht positive Auswirkungen auf Unternehmen in Nordrhein-Westfalen
Hintergrundmaterial
Untersuchung: USA und China als Gewinner eines No-Deal-Brexits
Studie: No-Deal-Brexit hätte enorme Folgen für die Automobilindustrie in UK
Irland: 80. 000 Arbeitsplätze durch ungeregelten Brexit bedroht
Volkswirtschaftliche Kennzahlen Großbritannien
Thema des Monats
Auswirkungen des Brexit auf den Warentransport
Beim Sondergipfel des Europäischen Rates am 11. April wurde der Brexit erneut verschoben. Ein ungeregelter Brexit ist damit jedoch nicht vom Tisch. Sollte sich im britischen Parlament bis zum 31. Oktober keine Mehrheit für das Abkommen finden, droht erneut die Gefahr eines ungeordneten Brexits mit umfassenden Folgen für die deutsche Wirtschaft. Falls das britische Unterhaus dem 585 Seiten langen Ausstiegsabkommen zustimmt, würde sich eine Übergansfrist bis Ende 2020 anschließen, innerhalb derer sich für die Unternehmen kaum etwas ändern würde.
 
Ein harter Brexit würde sich insbesondere auf den Warentransport von und auf die britischen Inseln auswirken. Im letzten Jahr hatten die Im- und Exporte zwischen beiden Ländern ein Volumen in Höhe von 119 Milliarden Euro. Das Vereinigte Königreich ist damit der sechstwichtigste Handelspartner Deutschlands. Täglich passieren etwa 12.000 Lkw die Grenze zwischen Calais und Dover. Neben dem Land- und Seeweg wäre aufgrund der Insellage des Vereinigten Königreichs auch der Flugverkehr stark betroffen. Mit dem Verlassen des einheitlichen europäischen Luftraums wird ein Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und dem UK notwendig, welches jedoch nicht Bestandteil der bisherigen Brexit-Verhandlungen ist. Auch hier wäre mit erheblichen Einschränkungen zu rechnen.
 
Um mögliche Folgen eines ungeregelten Brexits abzuschwächen, hat die Europäische Kommission eine Reihe von Notfallmaßnahmen geplant. So soll es britischen Unternehmen und Spediteuren befristet bis zum 31. Dezember 2019 ermöglicht werden, ohne zusätzliche Genehmigung in die EU zu fahren. Auch im Bereich des Luftverkehrs plant die EU-Kommission Maßnahmen, mit denen sichergestellt wird, dass Maschinen der Luftfahrtunternehmen aus dem Vereinigten Königreich in der EU weiterhin starten und landen dürfen.
 
Die Maßnahmen der EU-Kommission sind jedoch befristet und können nur dann in Kraft treten, wenn die britische Regierung ihrerseits EU-Unternehmen dieselben Freiheiten ermöglicht (Reziprozität). Betroffene Unternehmen sollten die möglichen Auswirkungen eines ungeregelten Brexits daher in ihre Planungen einbeziehen. Zusätzliche Wartezeiten auf beiden Seiten des Kanals und Auswirkungen bei „Just-in-time“-Produktionen werden sich im Falle eines No-Deal-Brexit nicht vermeiden lassen. Die Brexit-Checkliste des DIHK kann bei der Vorbereitung auf den Brexit helfen.
 
 
Wichtige Entwicklungen
EU und UK einigen sich auf erneute Verschiebung des Brexit
Am 11. April stimmten die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auf einer außerordentlichen Tagung des Europäischen Rates einer erneuten Verschiebung des Brexit zu. Demnach soll Großbritannien Zeit bis zum 31. Oktober erhalten, um eine Mehrheit für das mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen im britischen Unterhaus zu erreichen. Sollte es vor diesem Datum zu einer Einigung kommen, würde der Austritt am ersten des Folgemonats erfolgen. Bis zum Dezember 2020, würde dann eine Übergangsfrist gelten, innerhalb derer sich für die Unternehmen kaum etwas ändern würde. Wenn das Unterhaus in London dem Austrittsabkommen nicht zustimmen sollte, würde das Vereinigte Königreich die EU am 1. November 2019 ohne ein Abkommen verlassen.
 
DIHK: "Die Unternehmen rechnen nach wie vor mit allem."
Der DIHK kommentierte die Entscheidung zur Verschiebung des Brexit dahingehend, dass die Unternehmen etwas mehr Zeit hätten, sich auf den Brexit vorzubereiten, ein ungeregelter Brexit jedoch weiterhin nicht vom Tisch sei. Zudem zeigen sinkende Exporte von Deutschland in das Vereinigte Königreich, dass die Unsicherheit der deutschen Unternehmen weiter anhält. Dies wirkt sich negativ auf die Handelsbeziehungen aus.
 
Teilnahme Großbritanniens an Europawahlen erwartet
Weiterhin zeichnet sich keine Mehrheit im britischen Unterhaus für das von London und Brüssel verhandelte Austrittsabkommen ab. Daher gilt es als unwahrscheinlich, dass vor den Europawahlen am 23. Mai, eine erneute Abstimmung im britischen Unterhaus stattfindet. Somit wird UK voraussichtlich an den EU-Wahlen teilnehmen. Die im Februar dieses Jahres gegründete britische Anti-Brexit-Partei „Change UK – The Independent Group“ hat ihre Teilnahme an den Europawahlen im Mai bereits bekannt gegeben. Sie setzt sich aus ehemaligen Mitgliedern verschiedenster Parteien zusammen und wirbt für ein zweites Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU. Aktuellen Umfragen zufolge kann sie auf 8 Prozent der Stimmen hoffen.
 
No-Deal-Vorkehrungen
EU-Kommission veröffentlicht 5 Leitlinien für No-Deal-Brexit
Die Europäische Kommission hat am 10. April einen Katalog mit den bisher beschlossen Notfall-Bestimmungen für den Fall eines ungeordneten EU-Austritts Großbritanniens veröffentlicht. Die enthaltenen Maßnahmen gliedern sich in die 5 Bereiche Aufenthaltsrechte und Sozialversicherungsansprüche der Bürger, polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, Arzneimittel und Medizinprodukte, Datenschutz und Fischerei.
 
EU-Kommission veröffentlicht Checkliste für Warenverkehr nach No-Deal-Brexit
Zur Unterstützung von Unternehmen mit Handelsbeziehungen in das Vereinigte Königreich, hat die EU-Kommission eine Checkliste veröffentlicht. Sie dient als Anleitung dafür, welche Schritte Unternehmen im Bereich Warenverkehr beachten müssen, um im Falle eines No-Deal-Brexit weiterhin Waren im- und exportieren können.
 
Britische Unternehmen legen Vorräte an
Britische Unternehmen erhöhen, in Vorbereitung auf drohende Lieferengpässe nach dem Brexit, massiv ihre Lagerbestände an Vorprodukten und Hilfsstoffen. Das geht aus dem Einkaufsmanagerindex von IHS Markit hervor, der im Februar von 50 auf 55,1 Punkte anstieg. Darüber hinaus wird vielerorts auch auf Vorrat produziert. Der Index setzt sich u. a. aus dem aktuellen Auftragsvolumen, dem Bestand an produzierten Gütern sowie der Produktionsleistung einer Volkswirtschaft zusammen. Werte über 50 Punkten deuten auf Wachstum hin.
 
Brexit-Vorbereitungen bei den nationalen Zollbehörden
Zur Vorbereitung auf mögliche Grenzkontrollen im Zuge des Brexits wird das Bundesfinanzministerium an den Frachtflughäfen in Deutschland 900 zusätzliche Zollbeamte einstellen. Auch für Calais, dem wichtigsten europäischen Umschlagort für Waren aus Großbritannien, sollen die personellen und infrastrukturellen Kapazitäten erweitert werden.
 
Bummelstreik in Calais gibt Vorgeschmack auf Brexit-Auswirkungen
Im März haben französische Zollbeamte in Calais unter dem Motto „Dienst nach Vorschrift“ zu einem Bummelstreik aufgerufen. In der Folge staute sich der LKW-Verkehr bis auf die Autobahnen zurück und es kam zu Verspätung bei der Verschiffung von bis zu acht Stunden.
 
Studie: Leicht positive Auswirkungen auf Unternehmen in Nordrhein-Westfalen
Laut einer am 21. März veröffentlichen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft über die Folgen des Brexits für Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, könnte dieser sogar positive Effekte entfalten. Demnach haben sich seit dem Referendum 2016 circa 100 Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich in dem Bundesland niedergelassen. Davon abgesehen sei zu beobachten, dass die Nachfrage nach Leistungen von britischen Unternehmen abnehme und sich zunehmend auf das europäische Festland verlagere. 60 Prozent der befragten Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen ins Ausland (außer GB) gaben an, von diesem Trend zu profitieren. Allgemein attestiert die Studie zudem, dass sich die befragten Firmen intensiv auf den Brexit vorbereitet haben.
 
Hintergrundmaterial
Untersuchung: USA und China als Gewinner eines No-Deal-Brexits
Laut einer Untersuchung der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (Unctad) würde sich das Handelsvolumen zwischen Großbritannien und den USA (Anstieg um 5,3 Mrd. US-Dollar), China (10,2 Mrd. US-Dollar) und Japan (4,9 Mrd. US-Dollar) im Zuge eines harten Brexit deutlich erhöhen. Mitglieder des Europäischen Binnenmarkts und Staaten, die über Handelsabkommen mit diesem verbunden sind, verfügen aktuell noch über einen wesentlich einfacheren Zugang zu den britischen Märkten. Sollte Großbritannien ohne eine Folgevereinbarung aus der EU scheiden, würden Länder wie Deutschland oder die Türkei diese Wettbewerbsvorteile einbüßen und als potenzielle Handelspartner in direkter Konkurrenz zu den USA und China stehen.
 
Studie: No-Deal-Brexit hätte enorme Folgen für die Automobilindustrie in UK
Einer kürzlich veröffentlichten Studie der Oxford University zu Folge, würde ein No-Deal-Brexit enorme Folgen für die Automobilindustrie in Großbritannien haben. Demnach könnte die jährliche Produktionsmenge an Autos von 1,7 Mio. vor dem Referendum bis 2026 auf 900.000 sinken. Als Hauptursache benennt die Studie steigende Zolltarife im Falle eines ungeordneten Austritts. Die daraus resultierenden Preiserhöhungen von Zulieferern aus der EU würden die Wettbewerbsfähigkeit der in Großbritannien ansässigen Unternehmen nachhaltig schädigen. Die Experten der Universität Oxford verweisen darauf, dass die Investitionen in Produktionsstätten im Vereinigten Königreich in den letzten drei Jahren bereits um 80 Prozent zurückgegangen sind.
 
Irland: 80.000 Arbeitsplätze durch ungeregelten Brexit bedroht
Nach Schätzungen des US-amerikanischen Softwareherstellers ESRI würden im Zuge eines harten Brexits allein in Irland 80.000 Arbeitsplätze wegfallen und die Wirtschaftskraft des Landes um 4,8% sinken. Bei einem Austritt auf Basis des Austrittsabkommens (geregelter Brexit) würde der Rückgang der Wirtschaftskraft erheblich geringer ausfallen.
 
Volkswirtschaftliche Kennzahlen Großbritannien
Deutsche Ausfuhren nach Großbritannien
(01/15=100, Monatswerte; Quelle: DeStatis, eigene Berechnungen)
 
DIHK-Kommentar: Die Ausfuhren nach Großbritannien fielen 2018 um 4% schwächer aus als im Vorjahr. Für die EU ergab sich hingegen ein Plus von rund 4%. Bereits in den letzten beiden Jahren waren die deutschen Exporte nach Großbritannien deutlich gesunken (2017: -0,6%, 2016: -3,5%). Dementsprechend ist Großbritannien auf der Liste der wichtigsten Absatzmärkte von Platz drei auf Platz fünf abgerutscht. In den ersten beiden Monaten 2019 sanken die deutschen Ausfuhren nach UK um 1,1% (ggü. Vorjahreszeitraum).
 
Wechselkurs Pfund-Euro
Quelle: finanzen. net (Stand: 24.04.19)
 
 
 
Inflation
Quelle: ONS
 
DIHK-Kommentar: Die Unsicherheiten um den weiteren Verlauf der Brexit-Verhandlungen belasten den Pfundkurs seit dem Brexit-Referendum weiterhin. Dies verteuert Importprodukte und führt zu höheren Einkaufspreisen für Unternehmen in Großbritannien sowie zu geringeren Konsumspielräumen für Verbraucher. Die Inflation lag in den letzten beiden Jahren deutlich über dem Zielwert von 2%. Gleichzeitig werden allerdings britische Exportprodukte günstiger und damit preislich wettbewerbsfähiger. Für das laufende Jahr rechnet der IWF mit einer Inflationsrate von 1,8%; für 2020 mit 2,0%.
 
 
Bruttoinlandsprodukt Großbritannien
(Veränderung ggü. Vorjahr bzw. Vorquartal in %; saison- und preisbereinigt; Quelle: Office for National Statistics UK; *IMF-Prognose)
 
DIHK-Kommentar: Die Wachstumsdynamik hat nach einem starken zweiten und dritten Quartal zu Jahresende wieder nachgelassen. Für das nächste Jahr rechnet der IMF mit einem BIP-Zuwachs von 1,2%. Damit fällt das Wachstum weiter unterdurchschnittlich aus (IMF-Prognose für die EU 2019: 1,6%).
 
Gewerbliche Investitionen Großbritannien
(Veränderung ggü. Vorjahr bzw. Vorquartal in %, saison- und preisbereinigt; Quelle: Office for National Statistics UK, *IMF-Prognose)
 
DIHK-Kommentar: Im Jahr 2018 sind die gewerblichen Investitionen um 0,4% gesunken. Die Unsicherheit über das unternehmerische Umfeld nach dem Brexit führt dazu, dass Unternehmen Investitionen unterlassen oder aufschieben.
 
 
 
Deutsch-Britischer Handel im Jahr 2018
 
Zahlen des IWF für das Vereinigte Königreich (Quelle: World Economic Outlook April 2019)
 
Deutsche Exporte nach UK im Jahr 2018 – Warensystematik
in Mrd. Euro
 
Informationen direkt aus London erhalten Sie auch auf der Homepage der Deutsch-Britischen AHK.
 
Weitere Informationen finden Sie beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie:
Brexit-Hotline: 030-340 6065 61, E-Mail: brexit@buergerservice.bund.de
 
 
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