Die britische Premierministerin Theresa May hat der EU Vorschläge unterbreitet, um das Brexit-Abkommen doch noch durch das Londoner Unterhaus zu bekommen. May habe bei einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker "verschiedene Optionen" angesprochen, um den Bedenken der britischen Abgeordneten Rechnung zu tragen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung, die die EU-Kommission verbreitete. Juncker bot allerdings nur Änderungen an einer politischen Erklärung zu den künftigen Beziehungen an – und nicht am Austrittsabkommen selbst.

Beide Seiten wollen nun wieder ihre Chefunterhändler ins Rennen schicken. EU-Verhandlungsführer Michel Barnier wird nach Angaben der EU-Kommission am Montag mit Brexit-Minister Steve Barclay zusammentreffen. Nach Beratungen ihrer Expertinnen und Experten wollen sich May und Juncker demnach erneut vor Ende Februar treffen. Zum Inhalt der Vorschläge Mays gab es in der Erklärung keine Angaben. Juncker bekräftigte, dass die EU nicht zu Nachverhandlungen an dem Austrittsabkommen bereit sei, das das britische Unterhaus im Januar abgelehnt hatte. Die EU sei aber bereit, eine begleitende politische Erklärung auszubauen, um bei den künftigen Beziehungen "ehrgeiziger mit Blick auf Inhalt und Geschwindigkeit" zu werden.

Zur Atmosphäre hieß es, die Gespräche zwischen Juncker und May seien "robust, aber konstruktiv" verlaufen. Trotz der Herausforderungen sollten die Teams beider Seiten nun einen Weg suchen, "der im britischen Parlament die größtmögliche Unterstützung findet" und die von den EU-Staats- und Regierungschefs festgelegten Leitlinien einhält.

Hauptkritikpunkt der Brexit-Hardliner in Großbritannien ist eine Auffanglösung für die britische Provinz Nordirland. Nach ihr müsste das Vereinigte Königreich in einer Zollunion mit der EU bleiben, wenn in einer Übergangsphase keine bessere Lösung gefunden wird, um die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu Irland zu verhindern. May hatte gesagt, sie wolle in diesem Punkt "rechtlich bindende Änderungen" erreichen.

"Wir sind sehr beunruhigt"

Die Premierministerin traf sich auch mit EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani. Der warnte nach seiner Zusammenkunft mit May, Brüssel und London stünden am Rande einer "wirtschaftlichen und menschlichen Katastrophe", falls es nicht zu einer Einigung komme. "Wir sind sehr beunruhigt."

Mit Blick auf die Zukunft erteilte er etwaigen Neuverhandlungen des Scheidungsvertrags ebenfalls eine Absage. Die EU-Abgeordneten seien aber offen, "ehrgeiziger" bei der künftigen Beziehung zwischen Großbritannien und der EU zu sein – dazu gehöre auch, auf die irische Situation zu schauen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel geht nach eigenen Angaben davon aus, dass noch eine Einigung mit Großbritannien für einen geordneten Austritt aus der EU möglich ist, ohne das Brexit-Abkommen wieder aufzuschnüren. Merkel sagte in Bratislava nach einem Gespräch mit dem slowakischen Ministerpräsidenten Peter Pellegrini, man wolle alles tun, was möglich sei, um einen geordneten Brexit zu erreichen. Allerdings müsse die EU dabei auf die Integrität ihres Binnenmarktes achten und ihr Mitglied Irland schützen.

EU schlägt Briten einen Notfall-Haushaltsplan vor

Die EU will Großbritannien bei einem harten Brexit ohne Austrittsabkommen einen Notfall-Haushaltsplan für 2019 vorschlagen, um die schlimmsten finanziellen Auswirkungen für beide Seiten abzufedern. Großbritannien würde dabei ab April weiter in den europäischen Haushalt einzahlen und die EU ihrerseits weiter Zahlungen etwa für Forschung oder Landwirtschaft leisten, sagte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger. Praktisch sei dieses Angebot der EU "ein kleines Austrittsabkommen".

Oettinger ergänzte, dass Großbritannien als bisheriger Nettozahler im Rahmen des Notfallbudgets weiter mehr in den EU-Haushalt einzahlen würde als es zurückbekäme. "Aber dafür würden sie für ihre Forschungsinstitute, für ihre Wissenschaftler, für ihre Landwirte, für ihre jungen Menschen ein Chaos vermeiden", sagte er im Haushaltsausschuss des Europaparlaments. Hier müsse dann die britische Politik "entscheiden, was ihr wichtig ist".

Oettinger schloss nicht aus, dass die Briten das EU-Angebot nach einem chaotischen Austritt zurückweisen könnten. "Sicher kommt es auch darauf an, wie dann die Atmosphäre zwischen London und Brüssel ist", sagte er. "Wenn die vergiftet sein sollte, werden die Hardliner in London unser Angebot ablehnen."

Indes ließ auch der Druck aus London nicht nach: In einem offenen Brief nannte der Vorsitzende der größten britischen Oppositionspartei Bedingungen für eine Unterstützung der Regierung beim Brexit. Labour-Chef Jeremy Corbyn forderte erneut eine Zollunion mit der EU – May hat dies wiederholt ausgeschlossen.