Ausgabe Nr. 19 / 2019 
Bericht aus Brüssel
Es gibt viel zu tun – Europa muss wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die Zukunft setzen
 
 
 
Von Christopher Gosau
 
DIHK Brüssel
Liebe Leserinnen und Leser,
 
Die große Mehrheit - nämlich 82 Prozent - der Unternehmen in Deutschland sehen den größten Integrationserfolg der EU in der Stabilität des politischen Systems und den für die Betriebe relevanten Rahmenbedingungen.
 
Nach der Europawahl geht es zunächst um die Vergabe der Spitzenpositionen in Kommission, Rat und Parlament. Das ist wichtig, damit die EU-Institutionen handlungsfähig bleiben. Diese Verhandlungen werden von der Wirtschaft mit Interesse verfolgt. Denn ein geschlossenes und mutiges Auftreten der EU wünschen sich die Unternehmen auch für die Zukunft.
 
Oberstes Gebot für die Mehrheit (62 Prozent) der Betriebe nach der Europawahl ist die Erhöhung der Krisenfestigkeit der Währungsunion. Ein stabiler Euro ist wichtig für die Unternehmen, da vergangenes Jahr 37 Prozent der deutschen Exporte in die Eurozone gingen. Dank der gemeinsamen Währung sparen Unternehmen in der Eurozone jährlich ca. 30 Mrd. Euro bei der Absicherung von Wechselkursrisiken.
Die Ende 2018 beschlossene Weiterentwicklung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) um einen Staateninsolvenzmechanismus kann Verunsicherung bei Unternehmen über drohende Krisen verringern. Damit Staatsschuldenkrisen nicht direkt zur Schieflage von Banken führen und als Folge die Unternehmensfinanzierung beeinträchtigen, sollte der ESM auch als Letztsicherung (Backstop) für den Bankenabwicklungsfonds im Krisenfall einspringen können. Jedoch müssen zuvor notleidende Kredite in den Bankenbilanzen ausreichend abgebaut werden.
 
Die EU muss mutig vorangehen
 
Die EU muss auch mutige neue Schritte gehen. In Spanien, Griechenland oder Italien liegt die Jugendarbeitslosigkeit über 30 Prozent, während in Deutschland zugleich 60 Prozent der Unternehmen den Fachkräftemangel als größtes Risiko für ihre Geschäftstätigkeit sehen. Deswegen fordern 55 Prozent der Unternehmen – im Gastgewerbe sind es sogar 82 Prozent – die Fachkräftesicherung durch eine praxisnahe Berufsausbildung in der gesamten EU zu unterstützen. Auch bei der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung sollte die nächste Kommission einen mutigen neuen Anlauf unternehmen.
 
Mutig zu sein heißt auch, als Europa in der Handels- und Industriepolitik selbst offen zu bleiben. Abschottung ist kein geeignetes Mittel zur Wohlstandsmehrung – vielmehr sollte die EU ihre Partner weltweit weiter dazu drängen, ihrerseits ihre Märkte zu öffnen. In diesem Sinne gilt es, die gegenwärtigen Handelsgespräche mit den USA zum Erfolg zu führen, Zölle zu senken und die regulatorische Zusammenarbeit zu stärken.
 
Kurz gesagt: Für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben das neue Europäische Parlament und die Kommissionsspitze eine Menge zu tun.
Inhalt
Rat fordert ein ehrgeizigeres Vorgehen für einen wettbewerbsfähigen Binnenmarkt
EU-Kommission macht Vorschläge zur Modernisierung des Energiechartavertrags
Europäische Chemikalienagentur will mehr Registrierungsdossiers überprüfen
Netzentwicklung: Abstimmung zwischen europäischer und nationaler Planung verbessert
Pläne der EU für eine Digitalsteuer
Europäisches Semester 2019
EU-Mandat für WTO E-commerce Verhandlungen
Sabine Weyand wird Generaldirektorin für Handel
Die Woche in Brüssel
Zahl der Woche
Recht
Rat fordert ein ehrgeizigeres Vorgehen für einen wettbewerbsfähigen Binnenmarkt
 
Europa soll fit für die Digitalisierung werden 
 
Der Rat hat am 27. Mai Schlussfolgerungen zum Binnenmarkt verabschiedet. Darin wird auch der weitere Abbau von grenzüberschreitenden Hindernissen und mehr Rechtssicherheit durch klare und verhältnismäßige Regeln angemahnt. Europa soll fit für die Digitalisierung werden. Die Kommission soll im März 2020 einen Aktionsplan vorlegen. Jährliche Berichte sollen Erreichtes und Offengebliebenes sichtbar machen.
 
 
  
EU-Kommission macht Vorschläge zur Modernisierung des Energiechartavertrags
 
Schutz der staatlichen Regulierungshoheit 
 
Am 14. Mai hat die EU-Kommission einen Entwurf für Verhandlungsleitlinien zur Modernisierung des Energiechartavertrags vorgelegt. Ziel ist es, das neue Konzept der EU-Kommission für restriktivere materielle Investitionsschutzregelungen auch in diesem Vertrag zu verankern. Ein Investitionsgerichtshof wird – noch – nicht vorgeschlagen. Die Leitlinien müssen noch vom Rat beschlossen werden.
 
 
  
Energie und Umwelt
Europäische Chemikalienagentur will mehr Registrierungsdossiers überprüfen
Qualität soll verbessert werden 
 
Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) strebt im Rahmen der Chemikalienverordnung REACH eine deutliche Erhöhung der Prüfungsquote der von Unternehmen zur Registrierung von Stoffen eingereichten Dossiers an. Derzeit schreibt die REACH-Verordnung (Art. 41) eine Prüfungsrate von jährlich mindestens fünf Prozent aller eingereichten Dossiers aus jedem Mengenbereich der Stoffverwendung vor. Wie unter anderem der Umweltnachrichtendienst ENDS berichtet, schwebt der ECHA eine zukünftige Anhebung der Prüfungsrate auf 20 Prozent aller eingereichten Dossiers vor, um die Umsetzung der REACH-Verordnung zu verbessern.
 
 
  
Netzentwicklung: Abstimmung zwischen europäischer und nationaler Planung verbessert
 
Acer-Bericht Ende Mai vorgelegt 
 
Die europäische Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden Acer sieht laut eines am 27. Mai veröffentlichten Berichts Fortschritte bei der Abstimmung nationaler und europäischer Netzentwicklungspläne. Dennoch macht sie auch Verbesserungsvorschläge.
 
 
  
Steuern
Pläne der EU für eine Digitalsteuer
ECOFIN-Rat diskutiert das weitere Vorgehen 
 
In der letzten ECOFIN-Ministerratssitzung am 17. Mai 2019 berieten die EU-Finanzminister über eine Koordinierung der EU-Position im Hinblick auf die OECD-Arbeiten an möglichen neuen Ertragssteuerregeln für digitalisierte internationale Unternehmen vor dem bevorstehenden G-20 Finanzministertreffen in Fukuoka/ Japan. Ziel war es, eine einheitliche europäische Linie zu finden – was jedoch erneut nicht gelang. Einzelne Finanzminister erklärten, in die internationalen Verhandlungen ihre eigene nationale Position einbringen zu wollen. Deutschland lehnt die Vorschläge der EU nicht ab, gibt allerdings einem weltweiten Minimum an Körperschaftssteuer den Vorzug.
 
Mehr erfahren
 
  
Europäisches Semester 2019
Schlussfolgerungen zum Länderbericht Deutschland angenommen 
 
Der EU-Finanzminister-Rat „ECOFIN“ hat am 17. Mai 2019 Schlussfolgerungen zu den so genannten Fortschrittsberichten der Europäischen Kommission vom 27. Februar 2019 gezogen. Damit hat er zugleich ein Schlaglicht auf die Fortschritte der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der EU des Jahres 2018 gezogen. Ein Bericht erging zu Deutschland, welches sich – zusammen mit 12 anderen Staaten – im vergangenen Jahr wegen „makroökonomischer Ungleichgewichte“ in einem so genannten Warnmechanismus befand.
 
Kurz notiert
EU-Mandat für WTO E-commerce Verhandlungen
Am 27. Mai 2019 hat der Rat der EU-Kommission ein Mandat für plurilaterale WTO-Verhandlungen im Bereich elektronischen Handel erteilt. Bereits im Januar 2019 in Davos hatten die EU und 48 weitere WTO-Mitglieder erklärt, globale Regeln für den elektronischen Handel aufstellen zu wollen.
 
Sabine Weyand wird Generaldirektorin für Handel
Sabine Weyand wird neue Generaldirektorin der Generaldirektion Handel (GD Trade). Das gab die EU-Kommission in der vergangenen Woche bekannt. Weyand, die bislang stellvertretende Chefunterhändlerin der Taskforce für die Brexit-Verhandlungen (TF50) war, hat ihr neues Amt zum 1. Juni aufgenommen. Sie ist Nachfolgerin von Jean-Luc Demarty.
 
Zu guter Letzt
Die Woche in Brüssel
Die wichtigsten Sitzungen in den Europäischen Institutionen der kommenden Woche finden Sie in unserer EU-Agenda.
 
Zahl der Woche
112 
 
Um so viel Prozent sind die Lkw-Lieferungen in das Vereinigte Königreich in den ersten drei Monaten dieses Jahres gestiegen. Das zeigt das Transportbarometer der Frachtenbörse Timocom vom 13. Mai. Grund dafür ist die Steigerung der Produktion und der Lagerbestände durch die Unternehmen im Vorfeld des eigentlich für Ende März erwarteten Ausstiegs aus der EU. Unternehmen insbesondere aus der Automobilindustrie wollten mögliche Versorgungsengpässe nach einem harten Brexit vermeiden.
 
Gefällt Ihnen unser Newsletter?
Dann empfehlen Sie ihn weiter,oder melden Sie sich hier an.
 
Über uns       Impressum       Weitere Newsletter
Facebook
Twitter
Instagramm