Ausgabe Nr. 24 / 2019 
Bericht aus Brüssel
Warten, dass es weitergeht – Eine konkrete KMU-Politik gehört ganz oben auf die To-Do-Liste der EU
 
 
 
Von Günter Lambertz
 
Leiter des DIHK Brüssel
Liebe Leserinnen und Leser,
 
Die EU gibt derzeit für Außenstehende ein schlechtes Bild ab. Gelang es vor der Europawahl dank vielfältiger Aktivitäten auch aus der Wirtschaft ein positives Momentum für Europa zu bewirken, fragen sich nun viele, was denn da in Brüssel ablaufe. Nicht jeder im Unternehmensbereich vermag und muss den Maastrichter Vertrag und die Kompetenzen von Parlament, Rat und Kommission kennen. Alle aber erwarten, dass es nach der Wahl zügig weiter geht und die Beteiligten sich nicht gegenseitig blockieren. Auch in Unternehmen gibt es Auseinandersetzungen um Personen und Posten, am Ende ist aber klar, wer entscheidet – damit es dann mit der Sacharbeit weitergehen kann.
 
Bei den Befragungen der vom Rat vorgeschlagenen Kandidatin für das Amt des Kommissionspräsidenten ging es um viele wichtige Themen wie Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten und die Außenbeziehungen der EU. Etwas unterbelichtet dagegen wurde die Frage, wie die Wirtschaft in der EU wieder an Dynamik gewinnen kann. Die Gewichte in der Weltwirtschaft verschieben sich zugunsten anderer Wirtschaftsmächte und Europa fällt relativ zurück. Lag der Anteil Europas an der Weltbevölkerung 1950 noch bei knapp 22 Prozent, liegt er nun bei unter zehn Prozent und wird in den nächsten 30 Jahren weiter auf etwa sieben Prozent sinken. Europa ist der kleinste Kontinent und muss sich im Wettbewerb mit den großen behaupten.
 
Sonntagsreden alleine reichen nicht
 
Die aktuelle Diskussion konzentriert sich dabei sehr auf die Frage europäischer Champions. Vernachlässigt wird hingegen der Aspekt, wie eine lebendige und vielfältige Unternehmenslandschaft erhalten und gefördert werden kann. In keiner Sonntagsrede fehlt die Betonung, wie wichtig der Mittelstand, wie bedeutsam kleine und mittlere Unternehmen (KMU) für die wirtschaftliche Entwicklung sind. Eine konkrete KMU-Politik der EU war allerdings in den letzten Jahren kaum zu erkennen. Dabei geht es weniger um mehr EU-Geld für KMU – hiervon können immer nur wenige KMU profitieren - als um die Schaffung des notwendigen Freiraums für unternehmerisches Handeln. Hier gibt es gute Instrumente wie den KMU-Test, um die Belastung der überwiegend kleinen Unternehmen zu begrenzen, sie werden aber noch zu wenig genutzt. Man braucht in der künftigen Kommission nicht direkt einen Kommissar ausschließlich für KMU, es sollte aber eine Art Stabstelle bei der Kommissionsspitze geben, die darüber wacht, dass bei allen Anforderungen an die Unternehmen die Besonderheiten der KMU berücksichtigt werden.
 
Ein Wort noch in eigener Sache: Nach gut fünf Jahren verlasse ich zum Monatsende den DIHK Brüssel, um eine andere Aufgabe innerhalb des DIHK zu übernehmen. Meine Kollegin Freya Lemcke wird an die Spitze des DIHK Brüssel aufrücken und Sie nach der Sommerpause an dieser Stelle begrüßen.
 
Schöne Ferien, happy holidays, bonnes vacances
 
Inhalt
Startschuss für Ausschüsse des Europäischen Parlaments in Brüssel
Finnische Ratspräsidentschaft will 2030-Klimaschutzziel verschärfen
EuGH konkretisiert Einordnung von Elektrogeräten im Rahmen der Abfallverbringung
Überprüfungsbericht zu europäischem Chemikalienrecht außerhalb von REACH veröffentlicht
Bisphenol A bleibt auf REACH-Kandidatenliste
Steuertrends in der Europäischen Union: Kommission veröffentlicht Studie
Umsatzsteuerbetrug: Eurojust unterstützt italienische und slowenische Behörden bei Betrugskarussell
15 deutsche Hochschulen für die neue EU-Initiative „Europäische Universitäten“ ausgewählt
Richtlinie zur Online-Gründung von Gesellschaften und Online-Eintragung von Zweigniederlassungen im Amtsblatt
Beihilferecht: Konsultation zum Änderungsentwurf der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung
EU-US Handel: Gegenseitige Anerkennung im Arzneimittelsektor
Neues EU-Abkommen mit Kirgisien
Die Woche in Brüssel
Zahl der Woche
Zukunft der EU
Startschuss für Ausschüsse des Europäischen Parlaments in Brüssel
 
Fünf Deutsche erhalten Vorsitz 
 
Nach den ersten Plenarsitzungen des Europäischen Parlaments (EP) in der vorletzten Woche in Straßburg konstituierten sich die insgesamt 22 Ausschüsse des EP am vergangenen Mittwoch. Fünf Deutsche erhielten einen Vorsitz. Weitere zwölf deutsche Abgeordnete wurden zu stellvertretenden Vorsitzenden ernannt.
 
 
  
Energie und Umwelt
Finnische Ratspräsidentschaft will 2030-Klimaschutzziel verschärfen
 
Ministerin kündigt Diskussionen an 
 
Beim informellen Treffen der europäischen Umweltminister in Helsinki am 11. Juli hat die finnische Umweltministerin Diskussionen über eine Anhebung des EU-Ziels für das Jahr 2030 angekündigt. Bisher ist eine Minderung der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 vorgesehen.
 
 
  
EuGH konkretisiert Einordnung von Elektrogeräten im Rahmen der Abfallverbringung
Wahrscheinlichkeit der Wiederverwertung maßgebend 
 
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 4. Juli 2019 geurteilt, dass es bei der Einstufung defekter elektrischer bzw. elektronischer Geräte als Abfall im Rahmen der Abfallverbringungsverordnung ((EG) 1013/2006) und der EU-Abfallrahmenrichtlinie (2008/98/EG) entscheidend auf die Wahrscheinlichkeit der anschließenden Wiederverwendung ankommt. Die Richter stellen in ihrem Urteil fest, dass es sich beim Export „(…) zurückgegebener elektrischer und elektronischer Geräte (…) in einen Drittstaat“ um eine Abfallverbringung handelt, wenn „deren Funktionsfähigkeit zuvor nicht festgestellt wurde oder die Geräte nicht angemessen gegen Transportschäden geschützt sind“.
 
 
  
Überprüfungsbericht zu europäischem Chemikalienrecht außerhalb von REACH veröffentlicht
 
Hohes Umwelt- und Gesundheitsniveau 
 
Am 25. Juni hat die EU-Kommission ihren Überprüfungsbericht zum EU-Chemikalienrecht außerhalb der Chemikalienverordnung REACH vorgestellt. Er umfasst insgesamt etwa 40 verschiedene Rechtsbereiche. Im Ergebnis attestiert der Bericht den bestehenden Regularien ein hohes Umwelt- und Gesundheitsschutzniveau. Die Überprüfung betrifft etwa besondere Regularien für Chemikalien in kosmetischen Produkten oder Pflanzenschutzmitteln, ebenso die europäische CLP-Verordnung (Kennzeichnung, Einstufung und Verpackung von Chemikalien).
 
 
 
 
  
Bisphenol A bleibt auf REACH-Kandidatenliste
Stoff gilt als fortpflanzungsgefährdend 
 
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat am 11. Juli 2019 die Einstufung von Bisphenol A als „besonders besorgniserregender Stoff“ (Substance of Very High Concern; SVHC) und die damit verbundene Aufnahme in die so genannte Kandidatenliste im Rahmen der Europäischen Chemikalienverordnung REACH prozessual bestätigt. Bisphenol A gilt unter anderem als fortpflanzungsgefährdend.
 
 
 
 
  
Steuerpolitik
Steuertrends in der Europäischen Union: Kommission veröffentlicht Studie
Die EU-Kommission hat kürzlich ihren jährlichen Bericht über die Entwicklung des Steuerrechts in den 28 Mitgliedstaaten veröffentlicht. Der Bericht, der 304 Seiten umfasst – fünf davon zur Situation in Deutschland –, zieht Schlussfolgerungen aus Statistiken mit Wirtschafts- und Steuerdaten. Er umfasst auch Island und Norwegen als Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (European Economic Area, EEA).
 
In den vergangenen zehn Jahren sind die Steuereinnahmen – im Verhältnis zum Brutto-Inlandsprodukt – stetig gestiegen. Demgegenüber sind die Einnahmen aus der Besteuerung von Energieverbrauch und Umweltbelastung in etwa konstant geblieben. Im Jahr 2017 sind sie sogar gefallen. Der Anteil der Energie-Steuern am BIP beträgt nicht ganz zwei Prozent. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die neue Europäische Kommission Vorschläge unterbreiten wird mit dem Ziel diesen Anteil zu steigern („tax shift“). (Malte Weisshaar)
 
Umsatzsteuerbetrug: Eurojust unterstützt italienische und slowenische Behörden bei Betrugskarussell
Das Europäische Amt zur Unterstützung der mitgliedstaatlichen Zusammenarbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung,Eurojust in Den Haag, hat einen Erfolg der Strafverfolgungsbehörden dreier Mitgliedstaaten maßgeblich unterstützt. In Italien, Slowenien und Estland waren mutmaßlich Scheinfirmen gegründet worden, die von Strohmännern geführt wurden. Ihr einziger Geschäftszweck war es offenbar, den grenzüberschreitenden Handel mit Computer-Zubehör im Umfang von 500 Mio. Euro zu fingieren mit dem Ziel, Vorsteuer für die eingekauften Vorprodukte zu ziehen und niemals an die Steuerbehörden abzuführen.
 
Nachdem die Ermittler in Neapel – mit tatkräftiger Unterstützung der Kollegen in Den Haag – den Kriminellen auf die Spur gekommen waren, beschlagnahmten sie Konten, Geld und/oder Waren im Wert von 84 Mio. Euro. Nun wird gegen 49 Personen ermittelt. (Malte Weisshaari)
 
Bildung
15 deutsche Hochschulen für die neue EU-Initiative „Europäische Universitäten“ ausgewählt
 
Beitrag zur Schaffung eines europäischen Bildungsraums 
 
Die Europäische Kommission hat im Juni das Ergebnis der ersten Ausschreibungsrunde für die Allianzen der „Europäischen Hochschulen“ bekanntgegeben. Es wurden 17 Netzwerke ausgewählt an denen 114 Hochschuleinrichtungen aus 24 Mitgliedstaaten teilnehmen. Die Auswahl umfasst ein breites Spektrum von Hochschuleinrichtungen aus der gesamten EU – von Fachhochschulen über Technische Universitäten und Kunsthochschulen bis hin zu Gesamthochschulen und forschungsintensiven Hochschulen.
 
 
  
Recht
Richtlinie zur Online-Gründung von Gesellschaften und Online-Eintragung von Zweigniederlassungen im Amtsblatt
Richtlinie ist bis zum 1. August 2021 in nationales Recht umzusetzen 
 
Die verbindliche Fassung der Richtlinie (EU) 2019/1151 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht ist im Amtsblatt vom 11. Juli 2019, L 186, Seite 80ff., veröffentlicht. Sie ergänzt die konsolidierte gesellschaftsrechtliche Richtlinie (EU) 2017/1132. Die Mitgliedstaaten haben die Regelungen zur Online-Gründung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und zur Online-Eintragung von Zweigniederlassungen grundsätzlich bis zum 1. August 2021 in ihr nationales Recht umzusetzen.
 
 
  
Kurz notiert
Beihilferecht: Konsultation zum Änderungsentwurf der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung
Nachdem die EU-Kommission seit Jahresbeginn mit einer umfassenden Evaluierung des EU-Beihilferechts begonnen hat, liegt nun erstmals ein Textentwurf für konkrete Änderungen vor, zu dem bis 27.9. hier Stellung genommen werden kann. Der DIHK hatte bereits im März die Pläne kommentiert und im Rahmen des Fitness-Checks weitere Vorschläge zur Verbesserung gemacht. Für die weiteren Konsultationen laufen die Rückmeldefristen am 19.7. bzw. 31.7. ab. Der DIHK wird auch hier Position beziehen.
 
EU-US Handel: Gegenseitige Anerkennung im Arzneimittelsektor
Seit dem 12. Juli 2019 ist das Abkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten über die gegenseitige Anerkennung für die Inspektion von Herstellungsstätten für Humanarzneimittel vollständig umgesetzt. Die für Arzneimittel zuständigen Behörden in der EU und USA können sich somit gegenseitig auf Inspektionsergebnisse stützen, da beide Seiten vergleichbare Verfahren zur Durchführung von Inspektionen gemäß der guten Herstellungspraxis für Humanarzneimittel anwenden. Die Ausdehnung des operativen Anwendungsbereichs auf Tierarzneimittel, Humanimpfstoffe und aus Plasma gewonnene Arzneimittel ist derzeit in Arbeit.
 
Neues EU-Abkommen mit Kirgisien
Am 6. Juli 2019 schlossen die EU und Kirgisien die seit Ende 2017 laufenden Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen ab. Das Abkommen stärkt unter anderem den Schutz Geistigen Eigentums, öffnet die Beschaffungsmärkte und stärkt die Anwendung internationaler Standards vor Ort. Erstmals führt ein Land in Zentralasien zudem ein System nach EU-Modell zum Schutz geographischer Herkunftsangaben ein.
 
Zu guter Letzt
Die Woche in Brüssel
Die wichtigsten Sitzungen in den Europäischen Institutionen der kommenden Woche finden Sie in unserer EU-Agenda.
 
Zahl der Woche
93,6 Millionen 
 
Mit dieser Anzahl an internationalen Besuchern im Jahr 2018 führt Frankreich bereits seit mehreren Jahren das Ranking der beliebtesten Reiseziele aller Nationen weltweit a gefolgt von Spanien, den USA oder China. Deutschland schafft es in diesem Jahr mit rund 39 Millionen ausländischen Gästeankünften auf den achten Platz. Die meisten der internationalen Touristen in Frankreich kommen aus dem Vereinigten Königreich, Deutschland, Belgien und Luxemburg.
 
Egal wohin es geht, wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern einen schönen Urlaub!
 
 
 
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