Ausgabe Nr. 19 / 2020 
Bericht aus Brüssel
Die Woche in Brüssel | Deutsch-französischer Vorschlag zum europäischen Wiederaufbaufonds wird kontrovers diskutiert – EU-Kommission mahnt Investitionsstau in Deutschland an
Liebe Leserinnen und Leser,
 
An diesem Mittwoch will die EU-Kommission ihren Vorschlag für einen Wiederaufbaufonds in Europa vorlegen – gemeinsam mit Vorschlägen für den nächsten EU-Haushalt und das neue EU-Arbeitsprogramm. Deutschland und Frankreich haben in der vergangenen Woche bereits Vorarbeit geleistet und ein eigenes Konzept für den Wiederaufbaufonds vorgelegt. Überraschend ist dabei sicherlich, dass Deutschland sich für eine Schuldenaufnahme in der Europäischen Union ausspricht, was die deutsche Bundesregierung bislang immer abgelehnt hat.
Im Kern sieht der Vorschlag vor, dass die Europäische Union 500 Milliarden Euro an den Finanzmärkten aufnimmt und damit das Wiederaufbauprogramm finanziert – als Teil des EU-Haushalts für die kommenden sieben Jahre. Die Mittel sollen da zum Zuge kommen, wo die wirtschaftlichen Schäden in Folge der Pandemie am größten sind. Für die im Binnenmarkt traditionell sehr aktiven deutschen Unternehmen hängt von der konkreten Ausgestaltung des Fonds eine Menge ab: Nicht nur im Inland, sondern auch in den anderen Mitgliedstaaten wird es gezielter Maßnahmen bedürfen, damit die Konjunktur wieder in Gang kommt und Verluste wettgemacht werden.
 
Zustimmung von der Kommissionspräsidentin
 
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte den Vorstoß aus Deutschland und Frankreich zwar, doch bleibt abzuwarten, inwiefern ihn sich die Kommission am Ende inhaltlich zu eigen macht. Inzwischen haben vier Mitgliedstaaten unter der Führung Österreichs einen Gegenvorschlag unterbreitet. Während Berlin und Paris die Wiederaufbau-Milliarden als Zuwendungen vergeben wollten, sprechen sich die Regierungen in Wien und Co. für Kredite aus. Die Gegensätze sollten überbrückbar sein, wenn es auf eine Mischung aus Zuwendungen und Krediten hinausläuft. Weitere Details zum deutsch-französischen Vorstoß finden Sie in dem Artikel von Malte Weisshaar.
 
Bereits in der vergangenen Woche hat die Kommission die Länderspezifischen Empfehlungen für Deutschland vorgelegt und darin vor allem den Rückstau an privaten und öffentlichen Investitionen angemahnt. Diese seien zwar im vergangenen Jahr „robust“ gestiegen, blieben aber nach wie vor hinter dem Bedarf zurück. Vor allem bei der digitalen Infrastruktur und digitalen Dienstleistungen liegt Deutschland im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten deutlich zurück. Die Defizite werden gerade in der jetzigen Ausnahmesituation besonders deutlich. Weitere Einzelheiten zu den Länderspezifischen Empfehlungen finden Sie in diesem Bericht aus Brüssel.
 
 
Bis zur nächsten Woche!
 
Ihre Freya Lemcke
 
Leiterin des DIHK Brüssel
 
Inhalt
Deutschland und Frankreich legen Vorschlag für die Finanzierung des wirtschaftlichen Wiederaufbaus der EU vor
Europäische Tourismusminister sprechen sich für stärkere Koordination auf EU-Ebene aus
COVID-19: Schrittweise Lockerungen in den Bildungseinrichtungen der EU-Länder
Europäisches Semester: Investitionsrückstand für Deutschland bei der Digitalisierung
Klimapolitik: Deutschland weit von Zielerreichung im Nicht-ETS-Bereich entfernt
EU-Kommission veröffentlicht EU-Biodiversitätsstrategie 2030
ECHA veröffentlicht Leitlinien zur Präzisierung der Kennzeichnungsanforderungen für Meldungen
UK veröffentlicht Entwürfe über die künftigen Beziehungen mit der EU
EU-Kommission bemängelt rechtliche Umsetzung der Industrieemissionsrichtline in Deutschland
WTO veröffentlicht Übersicht über COVID-19 bedingte Maßnahmen der Mitgliedstaaten
G20 Handelsminister rufen zu Abbau von Handelsbarrieren für Medizingüter auf
DIHK bei WTO-Trade Dialogues zur Corona-Krise
Die Woche in Brüssel
Zahl der Woche
Corona-Virus
Deutschland und Frankreich legen Vorschlag für die Finanzierung des wirtschaftlichen Wiederaufbaus der EU vor
 
Verschuldungsmöglichkeit für die EU zu Investitionszwecken 
 
Eine Woche vor der Veröffentlichung eines Vorschlags für einen Recovery-Fonds durch die Europäische Kommission haben Deutschland und Frankreich am Montag einen eigenen ersten Vorschlag veröffentlicht. 500 Milliarden Euro sollen demnach von der EU-Kommission als Kredite an den Finanzmärkten aufgenommen und dann über den EU-Haushalt als Zuwendungen an die Regionen und Branchen verteilt werden, die am stärksten von der Krise betroffen sind – unabhängig davon, wer wieviel in den EU-Haushalt einbezahlt hat. Die Gelder sollen als nicht rückzahlbare Zuschüsse fließen.
 
 
  
Europäische Tourismusminister sprechen sich für stärkere Koordination auf EU-Ebene aus
 
Entscheidungen auf Basis von epidemiologischen Daten 
 
Die EU-Tourismusminister haben sich am 20. Mai in einer Videokonferenz mit den kürzlich von der EU-Kommission vorgelegten Leitlinien und Empfehlungen für eine koordinierte Wiederaufnahme des Tourismus und der Freizügigkeit in Europa befasst. Sie sprachen sich besonders für eine stärkere Koordination im Tourismussektor auf EU-Ebene sowie für Entscheidungen auf Basis von epidemiologischen Daten aus.
 
 
 
  
COVID-19: Schrittweise Lockerungen in den Bildungseinrichtungen der EU-Länder
 
Gemeinsame Schlussfolgerungen zur Bekämpfung der Krise im Bildungsbereich geplant 
 
In ihrer dritten Videokonferenz seit Ausbruch von COVID-19 haben sich die EU-Bildungsminister am 18. Mai schwerpunktmäßig mit der schrittweisen Wiedereröffnung von Bildungseinrichtungen in den Mitgliedstaaten befasst. Gesprächsthemen des informellen Austauschs waren insbesondere die Zeitpläne, hygienische, sanitäre und organisatorische Maßnahmen, die Organisation von Abschlussprüfungen und Hochschulzulassung, die Bedingungen für die Wiederaufnahme des Studiums im Wintersemester sowie die Möglichkeiten der Unterstützung von grenzüberschreitender Lernmobilität.
 
 
  
Zukunft der EU
Europäisches Semester: Investitionsrückstand für Deutschland bei der Digitalisierung
 
Wirtschaftspolitische Leitlinien der EU geben länderspezifische Hinweise für Mitgliedstaaten 
 
Die EU-Kommission hat am vergangenen Mittwoch ihre wirtschaftspolitischen Empfehlungen für die Mitgliedstaaten veröffentlicht. Für Deutschland hat die Kommission insbesondere verstärkte Investitionen im öffentlichen und privaten Sektor angemahnt. Außerdem hat die Kommission die Auswirkungen der Corona-Krise auf die einzelnen Länder untersucht und den daraus resultierenden Handlungsbedarf aufgezeigt.
 
 
  
Energie und Umwelt
Klimapolitik: Deutschland weit von Zielerreichung im Nicht-ETS-Bereich entfernt
 
EU-Kommission drängt auf Zielverschärfung 
 
Nach aktuellen Schätzungen des Öko-Instituts erreicht Deutschland bis 2030 eine Reduzierung der CO2-Emissionen in den nicht zum Europäischen Emissionshandelssystem gehörenden Sektoren um 28 Prozent gegenüber 2005. Hierzu zählen vornehmlich Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft. Das in der europäischen Lastenteilungsverordnung festgelegte Ziel beträgt 38 Prozent.
 
 
  
EU-Kommission veröffentlicht EU-Biodiversitätsstrategie 2030
 
30 Prozent der Landes- und Meeresflächen sollen geschützt werden 
 
Die EU-Kommission hat am 20. Mai 2020 ihre neue Biodiversitätsstrategie für die Zeit bis zum Jahr 2030 veröffentlicht. Die Strategie dient dem Schutz der Natur und dem Einhalt bei der Verschlechterung der Ökosysteme. Kernanliegen ist die Erholung der biologischen Vielfalt in Europa bis 2030. Um das zu erreichen, ist vorgesehen, dass mindestens 30 Prozent der europäischen Land- und Meeresgebiete in wirksam bewirtschaftete Schutzgebiete umgewandelt werden - davon zehn Prozent der EU-Landflächen und zehn Prozent der EU-Meeresgebiete mit strengen Schutzvorgaben.
 
 
  
ECHA veröffentlicht Leitlinien zur Präzisierung der Kennzeichnungsanforderungen für Meldungen
Anhang VIII der CLP-Verordnung 
 
Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat ihre Leitlinien für harmonisierte Giftinformationen (Anhang VIII der CLP-Verordnung) aktualisiert (Version 3.0), um Änderungen nach der ersten Änderung des Anhangs aufzunehmen. Die erste Änderung war am 20. Januar 2020 in Kraft getreten.
Darüber hinaus bereitet die ECHA zusätzliche Änderungen der Leitlinien vor, die sich aus der zweiten Änderung von Anhang VIII der CLP-Verordnung ergeben. Diese wurde am 15. Mai 2020 mit den zuständigen Behörden für REACH und CLP (CARACAL) konsultiert und wird nach Angaben der ECHA voraussichtlich bis zum Ende dieses Sommers von der EU-Kommission angenommen. Die im Raume stehenden Änderungen betreffen Fragen der Durchführbarkeit – zum Beispiel bei Mischungen mit hoher oder unvorhersehbarer Zusammensetzungsvariabilität, bei denen eine unverhältnismäßig hohe Anzahl von Meldungen erforderlich wäre.
 
Darüber hinaus führt die EU-Kommission erneut eine Konsultation zur Änderung des Anhang VIII der CLP-Verordnung durch. Diese läuft bis zum 9. Juni 2020. (MH)
 
Brexit
UK veröffentlicht Entwürfe über die künftigen Beziehungen mit der EU
 
Veröffentlichung der britischen Zolltarife ab dem 1. Januar 2021 
 
Die britische Regierung hat am 19. Mai Dokumente veröffentlicht, die aus britischer Sicht die Grundlage für die Verhandlungen mit der EU über die künftigen Beziehungen nach dem Ende der Übergangsphase bilden sollen. Die britische Regierung zielt darauf ab, mehrere statt einer umfassenden Vereinbarung abzuschließen. Zentrales Element soll ein Freihandelsabkommen sein, welches den gesamten Handel zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich abdecken soll.
 
 
  
Kurz notiert
EU-Kommission bemängelt rechtliche Umsetzung der Industrieemissionsrichtline in Deutschland
Die EU-Kommission rügt in einem Aufforderungsschreiben gegenüber Deutschland eine zum Teil nicht ausreichende Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie (201075/EU, kurz IED). Auch die Seveso III-Richtlinie (2012/18/EU) ist von der Kritik der EU-Kommission betroffen. Die Seveso III-Richtlinie betrifft die Beherrschung von Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen. Deutschland hat in den kommenden Wochen Gelegenheit, auf die Aufforderungsschreiben einzugehen. Darüber hinaus strebt die EU-Kommission eine Überarbeitung der Industrieemissionsrichtlinie als Teil des EU Green Deal im kommenden Jahr an. Bei einer Überarbeitung der Richtlinie steht eine Erweiterung sowohl der inhaltlichen Vorgaben als auch der betroffenen Anlagen im Raum. Dazu plant die EU-Kommission im dritten Quartal dieses Jahres eine erneute Konsultation. Der DIHK spricht sich gegen eine Revision der IED aus.
 
WTO veröffentlicht Übersicht über COVID-19 bedingte Maßnahmen der Mitgliedstaaten
Die WTO hat am 20. Mai einen Bericht veröffentlicht, der eine Übersicht über die COVID-19 bedingten Maßnahmen gibt, die die Mitgliedstaaten eingeführt und formell an die WTO gemeldet haben. Zwei Drittel der Maßnahmen wurden in Form von Normen und Vorschriften eingeführt, wobei hauptsächlich der Handel mit Schutzausrüstung, Lebensmitteln und medizinischer Ausrüstung betroffen war. Die Hälfte der gemeldeten Maßnahmen stellen Handelserleichterungen dar.
 
G20 Handelsminister rufen zu Abbau von Handelsbarrieren für Medizingüter auf
Am 14. Mai 2020 haben die Handelsminister der G20-Staaten dazu aufgerufen, den Handel mit medizinischen Produkten und Arzneimitteln zu vereinfachen. Der DIHK hatte bereits im Vorfeld offene Grenzen für den Handel mit Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten gefordert.
 
DIHK bei WTO-Trade Dialogues zur Corona-Krise
Am 19. Mai 2020 haben sich der DIHK und mehr als 70 andere internationale Wirtschaftsverbände mit WTO-Chef Azevedo über die Rolle des Welthandels und der WTO in der COVID-19 Krise ausgetauscht. Die Teilnehmer unterstrichen dabei unter anderem die Bedeutung der Ausweitung des WTO-Pharma-Abkommens, um einen reibungslosen Handel der Gesundheitsgüter sicherzustellen.
 
Zu guter Letzt
Die Woche in Brüssel
Die wichtigsten Sitzungen in den Europäischen Institutionen finden Sie in unserer EU-Agenda.
 
Zahl der Woche
122 Millionen Euro… 
 
…will die EU-Kommission zusätzlich für dringend benötigte Forschung zum Coronavirus ausgeben. Die Mittel wurden aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 mobilisiert und sollen die bislang aufgewendeten Mittel für Forschung und Entwicklung ergänzen. Für die Überwindung der Corona-Krise und die Zeit danach will die EU-Kommission unter anderem auch auf digitale Lösungen und Technologien wie Telemedizin, Daten, Künstliche Intelligenz, Robotik und Photonik setzen.
 
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