Per Zufall neue Maiskrankheit entdeckt

Interview mit Dr. Annette Pfordt

18.12.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Zufallsfund bei einem Feldversuch: Trichoderma-Pilze können pathogen sein. (Bildquelle: © Annette Pfordt)

Zufallsfund bei einem Feldversuch: Trichoderma-Pilze können pathogen sein. (Bildquelle: © Annette Pfordt)

Das kommt nicht alle Tage vor: Im Herbst 2020 erschien eine Publikation, die eine neue Maiskrankheit beschrieb. Sie wird von Trichoderma-Pilzen ausgelöst. Pilze, die eigentlich als nicht-pathogen galten. Wir sprachen darüber mit der Erstautorin Annette Pfordt, die kürzlich ihre Promotion an der Universität Göttingen abgeschlossen hat.

Pflanzenforschung.de: Zunächst einmal: Herzlichen Glückwunsch zur bestandenen Promotion. Sie haben darin unter anderem eine neue Maiskrankheit erforscht. Was ist das für eine Krankheit?

Annette Pfordt: Sie war ein Zufallsfund! In meiner Promotion habe ich mich eigentlich mit anderen Pilzen, mit Fusarien, beschäftigt.

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Wir sprachen mit Annette Pfordt von der Georg-August-Universität Göttingen.

Wir sprachen mit Annette Pfordt von der Georg-August-Universität Göttingen.

Bildquelle: © Annette Pfordt / privat

Wir machten gerade einen Feldversuch bei einem Züchter in Bayern. Dort haben wir verschiedene Maissorten mit Fusarium-Arten infiziert, um deren Resistenzen gegen diesen pathogenen Pilz zu testen. Als ich beim Versuchsfeld ankam, war das komplette Feld mit einem grau-grünen Schimmel übersät. Die erste Reaktion war: „Oh, mein Gott, was ist denn hier passiert?“. Denn das war keine Fusariose. Wir haben dann darüber mit dem Stationsleiter des Züchtungsunternehmens gesprochen. Er bestätigte, dass dieses Phänomen nicht neu sei und jedes Jahr stärker auftritt – vor allem in heißen und trockenen Jahren. Wir haben die Kolben dann mitgenommen und analysiert.

Pflanzenforschung.de: Wer war der Übeltäter?

Annette Pfordt: Wir haben herausgefunden, dass es sich um Trichoderma-Pilze handelt. Das war überraschend. Bisher wussten wir nicht, dass Trichoderma Mais infizieren kann. Wir haben der Krankheit den Namen „Trichoderma Kolbenfäule“ – oder auf Englisch Trichoderma Ear Rot – gegeben. Der nächste Schritt war, das Erbgut des Pilzes zu sequenzieren. Dabei kam heraus, dass wir es mit Trichoderma afroharzianum zu tun haben. Um zu überprüfen, dass dieser Pilz wirklich der Übeltäter ist, haben wir im Gewächshaus die Kolben von gesunden Maispflanzen mit den Pilzsporen infiziert – wir sagen dazu inokuliert. Bereits nach zwei, drei Wochen waren die Kolben wieder komplett vom Pilz überzogen. Das war der Beweis.

Pflanzenforschung.de: Gab es weitere Auffälligkeiten?

Annette Pfordt: Ja, die Kolben waren auch deutlich kleiner. Wir haben die deren Trockensubstanzmasse gemessen, sie war nahezu 60 Prozent geringer im Vergleich zu gesunden Kolben. Zusätzlich kommt es zu einer Frühkeimung. Sowohl im Feld als auch im Gewächshaus keimten die Körner, obwohl die Kolben noch an der Maispflanze hingen.

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Zusätzlich zum grau-grünen Schimmel kommt es zu einer verfrühten Auskeimung.

Zusätzlich zum grau-grünen Schimmel kommt es zu einer verfrühten Auskeimung.

Bildquelle: © Annette Pfordt

Pflanzenforschung.de: Wann und wo ist die Krankheit bisher aufgetreten?

Annette Pfordt: Unser Feldversuch fand 2018 statt. Bei einem Monitoring im folgenden Jahr kamen weitere Funde dieser Krankheit hinzu, vor allem im Süden Deutschlands, aber auch in Frankreich. Teilweise schickten uns dann auch Züchtungsunternehmen neue Proben. Wir wissen nun, dass diese Krankheit sich seit circa vier bis fünf Jahren ausbreitet. Der Pilz scheint vor allem in warmen, trockenen Sommern und vermehrt in südlicheren Regionen aufzutreten. Auch in Tschechien und Österreich gab es Fälle. Wir wollen unser Monitoring jetzt auf ganz Europa ausweiten.

Pflanzenforschung.de: Sie sagten, die Krankheit wird von Trichoderma afroharzianum ausgelöst – es ist also kein „neu“ entdeckter Pilz?

Annette Pfordt: Das ist nicht ganz so einfach zu beantworten. Trichoderma sind Schlauchpilze, die überall auf der Welt im Boden vorkommen – aber man kannte bisher keine pathogenen Trichoderma-Pilze. Vor einigen Jahren wurde in einer Publikation Trichoderma afroharzianum als eine Sub-Art von Trichoderma harzianum definiert. Davor trugen alle Pilze den Namen Trichoderma harzianum. Wir haben unsere Proben mit anderen Trichoderma afroharzianum-Stämmen verglichen. Und dabei fanden wir heraus, dass nicht jeder Stamm pathogen ist. Offensichtlich müssen wir hier zwischen pathogenen und nicht-pathogenen Sub-Arten unterscheiden. Das ist neu und muss weiter erforscht werden.

Pflanzenforschung.de: Trichoderma-Pilze sind aber auch Bestandteil von einigen biologischen Pflanzenschutzmitteln. Was haben sie dort für eine Funktion? Und vor dem Hintergrund Ihrer Entdeckung: Könnten diese Pilze sogar Schäden an den Pflanzen verursachen?

Annette Pfordt: Trichoderma-Pilze kommen zum Einsatz, weil sie schnell wachsen und andere Krankheitserreger unterdrücken können. Spannend ist für mich persönlich, dass sie auch eingesetzt werden, um Fusarium-Pilze zu bekämpfen.

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Die Gewächshausversuche zeigten auch, dass die Kolben durch die Pilzinfektion deutlich kleiner sind.

Die Gewächshausversuche zeigten auch, dass die Kolben durch die Pilzinfektion deutlich kleiner sind.

Bildquelle: © Annette Pfordt

In Deutschland sind derzeit zwei biologische Pflanzenschutzmittel auf Trichoderma-Basis erhältlich. Sie enthalten jedoch andere Arten – Trichoderma asperellum und Trichoderma atroviride. Sie sind im Gemüse- bzw. Weinbau zugelassen und kommen daher mit Mais als Pflanzenschutzmittel nicht in Kontakt. Aber es gibt in anderen Ländern auch Produkte, in denen Trichoderma harzianum oder Trichoderma afroharzianum enthalten sind. Wir wollen daher alle diese Mittel bei Mais testen.

Pflanzenforschung.de: Weiß man bereits etwas über den genauen Infektionsprozess dieser Pilzen bei Mais?

Annette Pfordt: Wir stehen hier noch ganz am Anfang und wollen das in einem bereits beantragten Folgeprojekt herausfinden: Woher kommt der Pilz? Wo dringt er in die Pflanze ein? Wie verbreitet er sich in der Pflanze? Überdauert er und wenn ja wie? Uns interessiert auch, ob er noch andere Kulturpflanzen befallen kann. Das sind alles wahnsinnig spannende Fragen, auf die wir hoffentlich bald Antworten haben.

Pflanzenforschung.de: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg!


Publikation:
Pfordt, A. et al. (2020): Trichoderma afroharzianum ear rot – a new disease on maize in Europe. In: Frontiers in Agronomy, (29. September 2020), doi: 10.3389/fagro.2020.547758.

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Titelbild: Zufallsfund bei einem Feldversuch: Trichoderma-Pilze können pathogen sein. (Bildquelle: © Annette Pfordt)