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Zu Besuch in der GFS-Eberstation Griesheim

Vor den Toren Frankfurts, und damit nicht weit von der DLG entfernt, liegt die Eberstation Griesheim bei Darmstadt. Etwas versteckt zwischen Wald und Feld, abgeschottet durch einen wildschweinsicheren Zaun und weit ab von anderen Schweinebetrieben. Und trotz des recht neuen Stalles kaum bemerkt von vorbeifahrenden und -radelnden Passanten. Von mir als Griesheimerin und DLG-istin aber stets neugierig beäugt, wenn mich der Weg am Gehaborner Hof vorbeiführte. Es war also keine Frage, die Einladung von Geschäftsführer Josef Brüninghoff zum Besuch der Eberstation anzunehmen.

Was verbirgt sich nun hinter den Stalltoren?

Natürlich fällt der zur Straße hin gelegene Stallneubau sofort ins Auge. In dem im September 2018 in Betrieb genommenen Stall werden 180 Eber vor allem der Rassen Pietrain, aber auch Landrasse, Deutsches Edelschwein und Duroc in eingestreuten Buchten gehalten. In einem der beiden Abteile werden ausschließlich Topigs Norsvin-Eber gehalten. Die Tiere haben seitlich Kontakt zu ihren Buchtennachbarn, nach hinten bzw. zwischen den Reihen sorgen Trennwände für eine Ruhezone. Eine Besonderheit im Eberstall: Die Zuluft gelangt ausschließlich gefiltert und mittels UV-Licht desinfiziert, also praktisch keimfrei in den Stall.

Um die Stalltemperatur im Jahresverlauf regulieren zu können, gibt es zwei leistungsstarke Wärmetauscher vor dem Stallgebäude. Unter der halben Fläche der Buchten sind Rohre verlegt, durch die vorgewärmtes oder gekühltes Wasser geleitet wird. Auf diese Weise kann im Sommer eine Bodentemperatur von 17 °C und im Winter von 21 °C erreicht werden. Die Eber wiederum haben die Möglichkeit, sich individuell die angenehmste Zone auszuwählen bzw. über die Einstreu auch zu gestalten.

Übrigens: Die alten Stallungen im hinteren, waldseitig gelegenen Teil des Grundstücks stehen noch und können zum Beispiel im Seuchenfall als Quarantänestation genutzt werden. In Zeiten von ASP könnte der Fall, Zuchteber aus anderen Stationen evakuieren zu müssen, tatsächlich schneller eintreten als erwartet.

Zurück zum neuen Stall: In der Griesheimer Station gibt es fünf Absambuchten, wobei jede dieser Buchten eine eigene, großzügig dimensionierte Vorbereitungsbucht hat. Hier können die Eber vor dem Absamen Kot und Harn absetzen, welfare-Maßnahmen wie eine Scheuerbürste bieten zusätzlichen Komfort für die Tiere.

Tja, und dann geht die Post ab, genauer gesagt die Rohrpost: Über die nämlich werden die Ejakulate per Luftdruck direkt ins Labor befördert. Stationsleiterin Maja Michelsky-Maul erklärt, dass pro Sprung durchschnittlich 30 Spermatuben gewonnen werden können, von manchen Ebern sogar bis zu 60. Abgefüllt wird aber nicht nach der Gesamtspermienzahl, sondern nach der Anzahl der befruchtungsfähigen Spermien. Das sind 1,3 Milliarden Spermien pro Tube. Die GFS arbeitet dabei nach dem BRS-Standard Spermaqualität. Das frische Sperma hält sich drei bis vier Tage und muss entsprechend „in time“ an die Betriebe geliefert werden.

Aktuell werden bei den allermeisten Ebern 65 Prozent Motilität (Beweglichkeit) nach 96 Stunden garantiert. Dies ist nur durch eine eingehende Analyse der Spermienqualität möglich, für die in Griesheim das CASA-System von Minitüb zum Einsatz kommt.

Und wohin führt die züchterische Reise?

Für GFS-Geschäftsführerin und Genetikexpertin Dr. Meike Friedrichs ist das eindeutig: „Das Tierwohl und die Nutzungsdauer der Sauen stehen im Vordergrund.“ Die GFS nimmt dabei für sich in Anspruch, bei der Eberauswahl auf Gesundheits- und Fitnessmerkmale Vorreiter in der Branche gewesen zu sein. Vorrangige Zuchtziele der Zuchtorganisationen sind bei den Mutterrassen ein gutes und stabiles Fundament für einen harmonischen und kontrollierten Bewegungsablauf der Sauen sowie die Minimierung der Ferkelverluste. Hier geht es vor allem um das richtige Gewicht der Ferkel.

Bei den Endstufenebern liegt der Fokus ebenfalls auf den Ferkelverlusten, aber auch auf der Fitness der Ferkel. Sie sollen schnell am Gesäuge sein, sich auch mal „durchbeißen“ können, um zur Milch zu gelangen, und sie sollen die warmen Stellen in der Abferkelbucht finden. Hierzu arbeiten zum Beispiel German Genetic und GFS eng bei der Datenaufnahme, -auswertung und Zuchtwertschätzung zusammen.

Mit Blick auf das wesentliche Zuchtziel „Minimierung der Ferkelverluste“ drängt sich mir die Frage auf, ob an dieser Stelle nicht Züchtung und Verfahrenstechnik stärker miteinander verzahnt werden müssten. Immerhin gibt es auch hier viele gute Ansätze, um mit großen Würfen umzugehen oder Ferkel mit niedrigem Gewicht durchzubringen. Trotzdem ist es auch in wissenschaftlich geprägten Arbeitsgruppen ein eher seltenes Bild, dass Züchter und Verfahrenstechniker Hand in Hand arbeiten. Dabei könnte eine ganzheitlichere Betrachtungsweise oft dazu beitragen, schneller voranzukommen – nicht nur beim Thema Ferkelverluste. Diesen Gedanken werde ich auf jeden Fall in unser DLG-Netzwerk mitnehmen.

So nehme ich wertvolle Anregungen und noch mehr nachhaltige Eindrücke von diesem Besuch in der Eberstation Griesheim mit. Herzlichen Dank an die GFS-Geschäftsführung und an Stationsleiterin Maja Michelsky-Maul für den spannenden Einblick hinter die Kulissen der modernen Schweinezucht!

Autorin: Susanne Gäckler, DLG