dti-Qualitätsforum: Reformulierung von Rezepturen und Produktsicherheit

Das 9. Qualitätsforum des Deutschen Tiefkühlinstituts (dti) in Köln verzeichnete einen neuen Teilnehmerrekord. Mehr als 80 QM-Experten aus der Tiefkühlindustrie, dem Lebensmitteleinzel- und -großhandel, Labordienstleistern, Verbänden und der Wissenschaft diskutierten auf dem Fachforum mit hochkarätigen Referenten.

Reformulierung von Rezepturen und Produktsicherheit
Das Thema Reformulierung von Rezepturen und deren Auswirkungen auf die Produktqualität fand großes Interesse der Teilnehmer beim 9. dti-Qualitätsforum in Köln. - © Deutsches Tiefkühlinstitut e.V.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die beiden topaktuellen und praxisnahen Themenschwerpunkte „Reformulierung“ und damit verbundene Einschränkungen zur Beibehaltung von Produktqualität und Verbraucherakzeptanz sowie Strategien und innovative Technologien zur „Sicherung der Lieferkette“ und Gewährleistung der Produktsicherheit.

Dr. Sabine Eichner, Geschäftsführerin des dti, führte in das Thema Reformulierung ein und gab einen Einblick in die politische Arbeit und Interessenvertretung des dti für die Tiefkühlwirtschaft in Berlin. Sie informierte über die gemeinsam vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit Wirtschaftsverbänden im September geschlossene Rahmenvereinbarung und die derzeit in Abstimmung befindliche Nationale Strategie zur Reduktion von Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten. Das dti hat an den Runden Tischen des BMEL intensiv mitgearbeitet und wird die Strategie der Bundesregierung mit einer branchenbezogenen Prozess- und Zielvereinbarung zur Reduktion von Salz in Tiekfühl-Pizza unterstützen.

Prof. Ulrike Arens-Azevêdo, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), stellte die aktuelle Ernährungssituation in Deutschland dar und beleuchtete die Reformulierung aus wissenschaftlicher Sicht. Um die Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung gesundheitlich positiv zu beeinflussen sieht Arens-Azevêdo vor allem viel Potenzial in der Gemeinschaftsverpflegung, da dort bereits das entsprechende Setting für verhältnispräventive Maßnahmen vorhanden sei. Sie betonte zudem, dass der Effekt eines „reformulierten“ Lebensmittelangebotes auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung sehr schwierig darstellbar sei, da eine Vielzahl von Einflussfaktoren eine Rolle spielen und das menschliche Verhalten insgesamt sehr komplex sei.

Carola Herbst von der DLG stellte die aktuelle DLG-Verbraucherstudie zur Reformulierung vor. Diese ist die erste umfassende Untersuchung zu der Thematik, die die Verbauchererwartung, die sensorische Beurteilung und die technologische Machbarkeit darstellt. Beispielsweise konnte dabei gezeigt werden, dass „Salz reduziert“ für die Kaufentscheidung der Verbraucher eine geringere Rolle spielt als Zucker oder Fett. Herbst appellierte an die Branche, die Lebensmittelverpackungen als Medium zu nutzen, um mehr Informationen über die Lebensmittel an den Verbraucher heranzutragen. Dafür könnten z.B. bestehende Marketingstrategien für anschauliche, verständlich bebilderte Informationen auf der Verpackung mehr genutzt werden. Auch sollten dabei Innovationen aus dem Digitalbereich berücksichtigt werden, denn diese werden mit Sicherheit an Relevanz gewinnen.

Dirk Radermacher, Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes der Gewürzindustrie, stellte die Herausforderungen und Risiken dar, vor denen die Gewürzindustrie zur Absicherung ihrer Lieferketten steht. Dazu erläuterte er den komplexen globalen Markt des Gewürzhandels und den Wandel, der sich seit vielen Jahren politisch, gesellschaftlich und ökologisch vollzieht. Die Bedingungen in den Anbauländern verändern sich dementsprechend und beeinflussen direkt die Verfügbarkeiten und Qualitäten von Gewürzen. Insbesondere hygienische Sicherheit, Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und deren Rückstände, die im Lebensmittel gefunden werden, Allergene, unabsichtliche oder absichtliche Kontaminanten sowie Rückverfolgbarkeit seien, so Herr Radermacher, die größten Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt.

Rückverfolgbarkeit und vollständige Transparenz in der Lieferkette bis auf den Acker und zwar für jeden eingesetzten Rohstoff – das war der Schwerpunkt des Vortrages von Marjan Bock-Smit von Supply Chain Information Management (SIM) aus den Niederlanden. Anhand des Beispiels des bofrost Lieferantenportals und eines Orangensaftes vom niederländischen Händler Albert Heijn zeigte Bock-Smit auf, wie dieses Ziel durch entsprechende IT-Lösungen, insbesondere durch die Block-Chain-Technologie realisiert werden kann. Sie betonte, dass der Druck zu radikaler Transparenz in Richtung Handel und Hersteller zunehme. Dieser komme vor allem von NGO-Seite, die verstärkt die sog. „naming & shaming“ Strategie verfolge. Es sei zukünftig umso wichtiger seine eigenen Daten zu digitalisieren und sich um das leidige Thema Datenqualität zu kümmern. Diese sei jedoch essentiell, um im Krisenfall schnell reagieren und diesen bewältigen zu können.

Dr. Petra Alina Unland, Rechtsexpertin aus dem Hause Dr. Oetker, stellte das Spannungsfeld der Anforderungen an die Lebensmittelhersteller und dem Lebensmittelrecht auf dem Gebiet „gesunde Ernährung“ dar. Dabei sensibilisierte sie die Teilnehmer des Forums für die gesetzlichen Grenzen, die aktuell für die Umsetzung und Auslobung von erfolgten Reduktionsmaßnahmen bestehen. Zudem stellte Unland bereits existierende farblichen Nährwertkennzeichnungssysteme, wie die Nutri Score-Kennzeichnung aus Frankreich oder die UK-Ampel, einander gegenüber und verwies auf bestehende rechtliche Unsicherheiten, die aufgrund unzureichender wissenschaftlicher Belege bestehen. Besonders besorgniserregend sei aus Wirtschaftssicht die zunehmende rechtliche Zersplitterung auf EU-Ebene und der Alleingang vieler Mitgliedstaaten bei der farblichen Nährwertkennzeichnung, denn die Unternehmen müssten die jeweils nationalen Anforderungen bei der Kennzeichnung beachten. Dies bedeutet einen Rückschritt für die lebensmittelrechtliche Harmonisierung im europäischen Binnenmarkt und für die bisherige Verwendung mehrsprachiger Verpackungen.

Den Abschluss des diesjährigen Qualitätsforums bildete der Vortrag von Stephan Tromp, Geschäftsführer der IFS Management. Er informierte über den aktuellen Sachstand zum IFS Standard Food 6.1 und die neue geplante Version. Diese werde nicht vor 2020 kommen, die Unternehmen hätten somit ausreichend Zeit, um die Version 6.1 einzuführen. Der IFS wolle zur Entlastung der Unternehmen versuchen, in Deutschland und weiteren Ländern das Modell aus den Niederlanden zu bewerben, bei dem die niederländische Lebensmittelüberwachung NVWA die IFS-Zertifizierung berücksichtigt und die Betriebe entsprechend seltener kontrolliert.

Das 10. dti-Qualitätsforum soll am 5. Dezember 2019 stattfinden.

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