Textilpflege in Indien Mumbai: Wäscherei unter freiem Himmel

Im Herbst 2018 reiste die R+WTextilservice-Autorin Sabine Anton-Katzenbach nach Mumbai, wo sie eine indische Großwäscherei – genannt "Dhobi Ghat" – besuchte. Aus persönlicher Perspektive berichtet unsere Autorin, wie in der Wäscherei unter freiem Himmel gearbeitet wird und warum dort nur Männer waschen.

Indien Wäscherei
Die textile Dienstleistung in Indien ist Handarbeit und Männersache. - © Sabine Anton-Katzenbach

Schon bei meiner Ankunft in Mumbai fiel mir auf, dass fast jeder Beschäftigte der indischen Millionenstadt Berufsbekleidung trägt: Das Verkaufspersonal in Boutiquen und Snackbuden, die Bankangestellten, die Kofferträger, das Wachpersonal, die Taxifahrer, Schuhputzer und das allgegenwärtige Militär – sie alle waren einheitlich gekleidet und wirkten dabei wie aus dem Ei gepellt.

Gepflegter Eindruck sorgt für viel Wäsche

Im Herbst 2018 bin ich zum ersten Mal nach Indien gereist und mein Eindruck verstärkte sich im Laufe der Zeit: In allen Bereichen, die der Dienstleistung zugerechnet werden können, wird großer Wert auf ein ordentliches, sauberes Erscheinungsbild der Beschäftigten gelegt.

Angesichts des herrschenden Klimas in Mumbai ist dies allerdings eine besondere Kunst. Das schwülheiße Wetter hat schon bei der geringsten Kraftanstrengung einen Schweißausbruch zur Folge. Und auch wenn der überwiegende Teil des Personals in geschlossenen Räumen mit auf Hochtouren laufenden Klimaanlagen arbeitet, wird die Uniform täglich gewechselt. Denn spätestens auf dem Heimweg wird geschwitzt.

Im Hinblick auf den hohen Anspruch an ein ordentlich gekleidetes Personal fällt in der knapp 18 Millionen Einwohner zählenden Metropole eine gewaltige Wäschemenge an. Dazu türmen sich unendliche Mengen an Bettbezügen, Tischdecken und Handtüchern von Mumbais Business- und Touristenhotels, den zahllosen Restaurants, Bars und Eventlocations auf. Deren Pflege übernehmen "Dhobi Ghats" – gewerbliche Großwäschereien, die sich von einem Textilservice nach europäischem Vorbild allerdings unterscheiden wie Tag und Nacht.

Unter freiem Himmel waschen: Outdoor-Textilpflege

Bereits vor meiner Abreise hatte ich von dem Dhobi Ghat in Mumbai gelesen und hatte mir fest vorgenommen, diesen Ort zu besuchen. Mein Glück war, dass die Open-Air-Wäscherei längst wichtiger Anlaufpunkt einer Stadtrundfahrt ist und von den Taxifahrern, die die Besichtigungstouren anbieten, direkt angesteuert wird. Hakim, mein Begleiter durch Mumbai, hielt vor einer quietschbunten Häuserfassade, die nach meinem Dafürhalten keinerlei Rückschlüsse auf eine Wäscherei zuließ.

Ich sollte mich irren. Hinter der Front führten mehrere enge Gässchen in ein Quartier aus zementierten Waschbassins, unzähligen Bambusstangen und Wäscheleinen, wo gewerbliche Textilien jeder Art angeliefert, gewaschen, getrocknet und versandfertig gemacht werden. Dazwischen spielen Kinder, kochen Frauen, streunen Hunde und staunen Touristen. Kurzum – den Besucher des Dhobi Ghat erwartet eine quirlige Gemengelage.

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    In Mumbais Großwäscherei, genannt "Dhobi Ghat", werden pro Woche bis zu einer halben Millionen Wäschestücke gewaschen.
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    Die textile Dienstleistung in Indien ist Handarbeit und Männersache.
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    Die Wäsche wird zum Trocknen auf eine Leine gehängt, wobei sich die Waschmänner – genannt "Dhobis" – eines einfachen Tricks bedienen, der Wäscheklammern überflüssig macht.
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    Den Mangeln scheint ein ewiges Leben bestimmt zu sein, denn die engen Platzverhältnisse lassen Reparaturen kaum zu.
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    Die heiße Luft trocknet die Wäsche in kurzer Zeit – und bleicht sie nebenbei.
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    Hinter der bunten Häuserfront verbirgt sich Mumbais Großwäscherei.
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    In Indiens Dienstleistungsberufen gehört eine einheitliche, sauber Berufsbekleidung zum guten Ton.
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    Die Dhobis waschen in der Waschlauge aus Soda und Chlor, die abschließend ins Meer geleitet wird.
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    Die Waschmaschinen wurden eigens in den Werkstatten vom Dhobi Ghat gebaut.
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    Die Trommeln der Waschmaschinen werden aus einem Blech gebaut, das mit einer Bohrmaschine perforiert wird.
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    Die An- und Auslieferung der Wäsche erfolgt mit dem Fahrrad, aber auch mit dem Moped, dem Handkarren, dem Taxi oder einem Kleintransporter.

Mindestens eine halbe Millionen Wäschestücke werden wöchentlich bearbeitet

Ein Dhobi Ghat wird im Englischen als "Platz der Waschmänner" ("washermen’s place") bezeichnet, dient der ausschließlichen Wäsche gewerblich genutzter Textilien und umschließt ein eigenes Viertel. Nach Aussagen meines Reiseleiters Hakim gibt es in Mumbai zwei Open-Air-Wäschereien. Die ältere, nicht für Touristen zugängliche, wurde bereits 1890 gegründet. Die jüngere datiert nach seiner Aussage aus den 1960er-Jahren und liegt im Süden der Stadt in unmittelbarer Nähe zum Arabischen Meer.

Auch wenn im Internet stets nur von der jüngeren Wäscherei berichtet wird, hatte ich keinen Zweifel an Hakims Worten. In dem von mir besuchten Ort sollen pro Woche mindestens eine halbe Millionen Wäschestücke bearbeitet werden. Gemessen an dem Wäschebedarf von Indiens größter Stadt dürfte diese Kapazität kaum ausreichen. Grob geschätzt werden knapp 900.000 Menschen in Dienstleistungsbereichen arbeiten, was eine ähnliches Wäschevolumen in die Auftragsbücher einer Wäscherei spülen dürfte.

Hinzu kommen Tischdecken, Bettwäsche und Frottiertücher aus Bars und Restaurants, von Hochzeitsausstattern und aus der Hotellerie, die in Mumbai schon in der gehobenen Kategorie um die 10.000 Betten stellt. Das Quartier wird übrigens vom Mumbai Municipal Council – dem Stadtrat – verpachtet, gibt Hundertschaften Arbeit und bietet etwa tausenden Menschen Wohnraum.

Warum waschen Aufgabe der Männer ist

Wie die englische Übersetzung bereits andeutet, ist das Waschen in einem Dhobi Ghat Aufgabe der Männer. Die "Dhobis" stammen aus der untersten Kaste. Das Kastensystem ist eine Art gesellschaftlicher Gruppierung in der hinduistischen Religion. Dass es ausschließlich das männliche Geschlecht an die Waschzuber verschlägt, hat übrigens weniger mit der kräftezehrenden Arbeit zu tun. Vielmehr ist die klassische Gesellschaftsordnung noch sehr präsent, in der Frauen für Kinder und Küche verantwortlich sind und Männer das Geldverdienen übernehmen.

Die Waschmänner haben die Aufgabe, die quasi rund um die Uhr mit Fahrrad, Moped, Karren, Kleintransporter oder Taxi angelieferten Textilien innerhalb von 24 Stunden wieder sauber zu bekommen – und zwar überwiegend in Handarbeit. Die Bekleidungsstücke werden dementsprechend mit Händen und Füßen in den zementierten Becken geknetet, durchgewalkt, geschrubbt, geschlagen und getreten.

Handarbeit mit Risiken

Ganz ungefährlich ist diese Arbeit nicht. Da den Waschmännern nur kaltes Wasser zur Verfügung steht, wird das Sinner'sche Gleichgewicht v.a. durch Chemikalieneinsatz eingestellt. So sind Soda und Chlor gebräuchliche Hilfsmittel – und häufige Ursache von Verätzungen, denn persönliche Schutzausrüstung ist nicht bekannt.

Entwässert wird von Hand – durch Auswringen. Zum Trocknen wird die Wäsche entweder ausgelegt oder in Körben auf die Dächer transportiert, wo sie aufgehängt wird und einen natürlichen Oxidationsprozess durchläuft. Die Wäscheleinen bestehen aus zwei lose miteinander verdrehten Schnüren, in deren „Schlaufen“ die Ware eingesteckt wird. Diese simple Methode geht schnell und ist effizient. Zum Schluss werden die Textilien abgehängt, von Hand zusammengelegt und in Transportsäcke verpackt, die von den Fahrern wieder zum Kunden gebracht werden.

Robuste Waschtechnik der Marke Eigenbau

Auf den ersten Blick scheint es, dass in Mumbais Großwäscherei jedes einzelne Stück von Hand gewaschen wird. Der Schein trügt jedoch. Wenn man tiefer in das Quartier eindringt, entdeckt man auch Waschmaschinen, die v.a. für die Bearbeitung großflächiger Textilien wie Hotelbettwäsche und Tischtücher genutzt werden. Allerdings war mir der Waschmaschinentyp gänzlich unbekannt: Vor mir stand eine Art Bottichmaschine mit einem aus der Zeit der industriellen Revolution stammenden Außenantrieb.

Wie sich herausstellte, hatte ich keineswegs eine Bildungslücke: Bei der betreffenden Maschine handelte es sich nämlich um einen Eigenbau, der in den eigenen Werkstätten des Dhobi Ghat angefertigt und dort natürlich auch repariert wird. Und da der 24-Stunden-Lieferservice der Wäscher keinen Aufschub duldet, muss die Technik möglichst unkompliziert sein, weshalb auch die Waschtrommeln selbst gebaut sind. Die Mangeln kommen hingegen von der Stange. Allerdings scheint ihnen ein ewiges Leben vergönnt zu sein. Anders lässt sich die raumfüllende, kaum Platz für Reparaturen bietende Aufstellung der Maschinen nicht erklären.

Organisierte Dienstleistung trotz scheinbarem Chaos

Mumbais Dhobi Ghat ist faszinierend. In der Großwäscherei herrscht ein scheinbar undurchsichtiges Chaos, in dem es weder Barcodes noch Chips gibt. Trotzdem funktioniert die Textildienstleistung, bei der jeder Kunde immer seine Wäsche zurückbekommt. Und obwohl mit altertümlichen Methoden und rationierten Wassermengen kalt gewaschen wird, stimmt die Sauberkeit.

Allerdings hinterlässt der extreme Gebrauch von Chemikalien Spuren: Die Bettlaken im Hotel haben manchmal Risse und die Handtücher wirken trotz eines dichten Flors fragil. Der Wäscheverschleiß ist aber keineswegs die einzige Belastung für die Umwelt, um die es in Indien ohnehin nicht zum Besten bestellt ist. Die Abwässer des Dhobi Ghat werden, ebenso wie fast das gesamte Schmutzwasser der Stadt, ins Meer eingeleitet und haben Mumbais Küstenregion zu einer der am meisten verschmutzten der Erde gemacht. Auf ein Bad im Indischen Ozean habe ich daher vorsorglich verzichtet.

P.S.: Wer in das Leben im Dhobi Ghat eintauchen möchte, dem sei der Film "Bombay Diaries" von Regisseur Aamir Khan ans Herz gelegt.