Interview mit Charité-Vorstand Prof. Dr. Karl Max Einhäupl „Die Marke muss gepflegt werden“

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Zum 1. September verabschiedet sich der Vorstandsvorsitzende der Charité – Universitätsmedizin Berlin in den Ruhestand. Für HCM zieht Prof. Dr. Karl Max Einhäupl eine Bilanz seines langjährigen Wirkens am „Besten Klinikum Europas“. Erst im Juli war es gelungen, auch das Berlin Institute of Health (BIH) in die Charité zu integrieren.

Prof. Dr. Karl Max Einhäupl bei der Jahresbilanz-Pressekonferenz 2018.w – © Wiebke Peitz

Vier Campusse mit 3.000 Betten und konzernweit (mit Tochterunternehmen) gut 18.000 Beschäftigte aus 97 Nationen, davon 279 Professoren, die 7.500 Studenten ausbilden: Die Charité – Universitätsmedizin Berlin hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zu einem Unternehmen der Superlative entwickelt. Innerhalb der 17 CharitéCentren arbeiten mehr als 100 Kliniken und Institute, zudem laufen aktuell circa 50 teils internationale Forschungsprojekte. Jetzt gibt der Mann, der diesen Aufbau maßgeblich gestaltet hat, die Stafette weiter: Prof. Dr. Karl Max Einhäupl übergibt das Amt des Vorstandvorsitzenden zum 1. September an Prof. Dr. Heyo Kroemer, derzeit noch Sprecher des Vorstands der Universitätsmedizin Göttingen.

Herr Prof. Dr. Einhäupl, Sie kamen am 1. Januar 1993 als Neurologe an die Charité, also zwei Jahre nach der Wiedervereinigung. Ein westdeutscher Arzt mitten in noch DDR-Strukturen: Wie muss man sich die Situation damals vorstellen?

Einhäupl: Ich wurde in der Neurologie wirklich extrem freundlich aufgenommen. Wobei die Kollegen mit mir sicher auch die Hoffnung verknüpften, dass nun etwas Ruhe einkehren würde. Damals herrschte an der ganzen Charité große Unruhe. Ich denke, das ist gelungen und hat ganz gut gepasst. Mir war auch relativ klar, auf was ich mich einlasse: Es standen viele Veränderungen an, doch im Wesentlichen ging es darum, die Menschen mitzunehmen, ihr Know-how zu nutzen. Für internationale konkurrierende Wissenschaft waren die Rahmenbedingungen in hohem Maße ungeeignet – wenn man eingemauert ist, kann man keine Wissenschaft betreiben –, dennoch waren es alle hervorragende Ärzte. Zusammen mit Kollegen, die ich aus München mitnehmen konnte, war das eine gelungene Mischung, mit der sich die Neurologie rasch positiv entwickelte.

Als Sie 2008 das Amt des Vorstandsvorsitzenden übernahmen, schrieb das Unternehmen tiefrote Zahlen. Wie ist es gelungen, inzwischen zum achten Mal in Folge einen Jahresüberschuss zu erzielen?

Einhäupl: Ja, in der gegenwärtigen Situation der Krankenhausfinanzierung ist das schon ganz beachtlich. Erstmal gab es ein ganz klares Commitment, nicht nur von mir, sondern auch von vielen führenden Kollegen, dass es darum ging, den Führungsanspruch der Charité in Wissenschaft und klinischer Versorgung wiederherzustellen. Dann erinnere ich mich noch gut an die erste große Sitzung mit den Chefs, nachdem ich für den Posten benannt war, da war klar, dass jeder nur so viel Geld ausgeben kann, wie er in seiner Klinik einnimmt. Der Irrtum war, dass jeder dachte, er müsse die anderen mitfinanzieren – das dachte ich als Leiter der Neurologie übrigens auch. Im Rahmen dessen war man einverstanden, das Budget einer jeden Klinik öffentlich zu machen, das war die zweite wichtige Maßnahme. Die dritte war, dass wir für den Führungsbereich neue Leute geholt haben, denn in vielen Geschäftsbereichen war es notwendig, hochprofessionelle Experten einzusetzen. Das fing bei den Zahlen an und ging weiter über die Reorganisation von Prozessen. Also kurz: Transparenz, kontrollierte Finanzen und ausgezeichnete Leute.

In den letzten elf Jahren gab es stürmische Zeiten, wie Keimfunde, viele Streiks, Diskussionen um Löhne – wie führt man so ein großes Haus trotzdem zu „Deutschlands bester Klinik“, zum „besten Klinikum Europas“ und international auf Platz 5?

Einhäupl: Wenn man aus einer sehr schwierigen Situation raus will, ist es leichter, als wenn man aus einer sehr guten Situation heraus noch besser werden will – das muss man dazu sicher festhalten. Der Nimbus der Charité war zuvor eher negativ, sowohl im politischen als im öffentlichen Raum, auch bei den Medien: Das Unternehmen galt als nicht zuverlässiger, desorganisierter, angeschlagener Betrieb, bei dem es nur darum ging, dass Professoren noch mehr Geld wollten, dafür aber keine Gegenleistungen brachten. Und etwa 15 Jahre lang hatte es in der Charité keine Investitionen gegeben, wurde z.B. nichts gebaut. All das machte schlechte Stimmung, in ganz Berlin. Und: Nach der Wende galt die Charité natürlich nicht als eine führende Klinik, wie auch. Wir wollten zeigen, dass wir Prozesse im Griff haben, uns an unseren Leistungen messen lassen – das hat dazu geführt, dass jeder versuchte, an diesem Projekt mitzuarbeiten. Da war die erste wichtige Aufgabe, dafür ein akzeptiertes Konzept zu schaffen. Ich denke, das haben wir zügig hingekriegt.

Wozu man bedenken muss: Bis dahin hatte die Charité eine Historie, mehr nicht. Wir wollten das Haus wieder zu einer internationalen Marke machen. Das weltweite Newsweek-Ranking ist sicher kein Leistungs-Ranking, aber eines, das eindeutig die Marke als erkannt darstellt. Und die Größe der Charité ist zudem ein enormer Vorteil für einen internationalen Wettbewerb. Es gibt wenig wissenschaftliche Bereiche oder Kongresse, wo die Charité nicht mit Experten dabei sein könnte.

Wie kann die Charité den nun erreichten wissenschaftlichen Status halten, vielleicht noch ausbauen?

Einhäupl: Es muss ihr immer wieder gelingen, die besten Leute nach Berlin zu holen. Wir haben den Vorteil, dass dieser Sektor sehr gut aufgestellt ist, etwa mit drei Universitäten, vielen außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Mit diesen exzellenten Kräften in Partnerschaft Wissenschaft zu machen, ist die wesentliche Voraussetzung für eine führende Position Berlins. Und: Wir müssen diese Forschung ans Krankenbett bringen. Hierfür müssen wir in den nächsten Jahren zusammen mit dem Berliner Institut für Gesundheitsforschung Strukturen entwickeln.

Prof. Dr. Karl Max Einhäupl (Mitte) mit den Hauptdarstellern der zweiten „Charité“-­Serienstaffel 2018 am Drehort in Prag. – © Carolina Heske

Am Rande gab es ab 2017 ein Phänomen, das wahrscheinlich auch Sie etwas unvorbereitet traf – die TV-Serie „Charité“. Ein Glücksfall?

Einhäupl: Natürlich, das war ein Teil der Markenstrategie. Und etwas Besseres hätte uns nicht passieren können, als mit zwei TV-Staffeln die Historie zu erzählen, denn das ist ja schon sehr geschichtstreu, was gezeigt wurde. Das hat den Namen und die Marke Charité in exzellenter Weise transportiert.

Ihr Fazit: Was ist Ihnen an der Charité gelungen, welche Baustellen bleiben für Ihren Nachfolger?

Einhäupl: Die Marke muss nicht mehr unbedingt weiter ausgebaut, aber gepflegt werden. Bei der Bausituation ist ein Anfang gemacht – das reicht bei Weitem noch nicht aus, es muss noch viel mehr investiert werden, etwa am Campus Benjamin Franklin, wo das Klinikum in einem alten Zustand ist und ein Flügel nach dem anderen saniert wird. Das wird ähnlich auch am Campus Virchow-Klinikum erfolgen müssen, denn das sind ja noch Bauten aus den 60er- und 70er-Jahren. Das Land Berlin wird Prioritäten setzen und Mittel zur Verfügung stellen müssen, um die Charité als Aushängeschild auch baulich in einem zumindest akzeptablen Zustand zu erhalten.