BIM: Aller Anfang ist schwer

Das Ziel von Building Information Modeling (BIM) ist es, sämtliche Daten eines Bauwerks digital zu erfassen, vom Bau bis zum Abriss. Auch die Boden-Branche bereitet sich langsam auf den Planungs-Standard vor, der Probleme beheben soll, aber neue schaffen wird.

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    BIM Aller Anfang ist schwer
    © WrightStudio - stock.adobe.com
    Mit Building Information Modeling (BIM) sollen alle am Bau beteiligten Akteure besser miteinander vernetzt werden. Das Datenmodell soll über den Bau hinaus auch Betrieb, Sanierung und sogar den Abriss eines Gebäudes erleichtern.
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    BIM Aller Anfang ist schwer
    © WrightStudio - stock.adobe.com
    Mit Building Information Modeling (BIM) sollen alle am Bau beteiligten Akteure besser miteinander vernetzt werden. Das Datenmodell soll über den Bau hinaus auch Betrieb, Sanierung und sogar den Abriss eines Gebäudes erleichtern.
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    BIM Aller Anfang ist schwer
    © Uzin Utz AG
    „BIM-ready“ bei Uzin Utz: Architekten und Planer können die Fußboden- und Estrichsysteme von Uzin Utz als Bauteile abrufen und mittels eines Plug-ins in ihre digitalen 3-D-Gebäudemodelle integrieren.
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    BIM Aller Anfang ist schwer
    © BauInfoConsult, BIM-Monitor 2019
    Luft nach oben: Bei den in der Umfrage ermittelten BIM-Einsatzbereichen sind bodenlegende Gewerke nicht direkt erwähnt.
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    BIM Aller Anfang ist schwer
    © Die Werkbank
    Matthias Uhl, Gründer und ­Inhaber der BIM-Beratungsagentur „Die Werkbank“.

Bei BIM handelt es sich um einen der zentralen Bausteine in der Digitalisierung am Bau: Von der Planung über die Erstellung und den Betrieb eines Gebäudes bis zu Instandhaltung und Abriss lassen sich mittels BIM alle Abläufe digital steuern. Das Bauwerk wird dabei mitsamt all seinen Funktionen in einer Datenbank als „Digitaler Zwilling“ dargestellt. Die bislang nicht transparente und in vielen Ebenen komplizierte Kommunikation am Bau soll sich durch den digitalen Planungsstandard verbessern. BIM beschreibt im Idealfall den Weg vom Leitz-Ordner zur Datenbank, von der alle Beteiligten die gleichen umfangreichen Informationen abrufen können. Das soll für eine reibungslosere Bauablaufplanung sorgen.

Zunächst könnte man meinen, dass vor allem Architekten bei der Planung von Bauwerken von diesem Standard profitieren: Sie fertigen künftig keine Zeichnungen oder Modelle mehr an, sondern erstellen mittels BIM und Softwarelösungen wie „ArchiCAD“ oder „Revit“ für das gesamte Projekt eine digitale Doublette, die für alle Gewerke relevante Daten zusammenführt und prüft. Bauherren können zudem virtuell durch das Gebäude geführt werden.

Digitale Kommunikation für gleichen Wissensstand

Doch auch für Handwerker könnte die digitale Planung zahlreiche Vorteile bieten: Ergibt sich während des Bauprozesses die Notwendigkeit, doch noch einen anderen Boden oder eine andere Trittschalldämmung zu verlegen, sorgt eine auf BIM basierende Planung dafür, dass bei derlei Veränderungen auch unter rollendem Rad die bauchemischen Zusatzstoffe oder das zugelassene Zubehör ebanfalls auf den aktuellen Stand gebracht werden – und bündelt dann die Informationen , die vor allem zuverlässig beim Handwerker landen: Mengen, Stücklisten und Beschaffungskosten werden aktualisiert .

Das soll künftig auch bei zeitlichen Verzögerungen funktionieren. Ergeben sich für den Boden- oder Parkettleger Verschiebungen im Bauablauf, weil sich beispielsweise die Fertigstellung des Estrichs verzögert, fährt der Handwerker nicht erst zur Baustelle, um dann unverrichteter Dinge wieder abzuziehen. Er kann den Einsatz seiner Ressourcen rechtzeitig und sinnvoll planen .

Wenn alles funktioniert, wie es soll, wird dann auch die Material-Bestellung verzögert ausgelöst . Trotz Verschiebung treffen Parkett, Laminat & Co. zum richtigen Zeitpunkt auf der Baustelle ein und stehen nicht im Weg – vorausgesetzt, der Großhändler ist ebenfalls „ BIM-ready“. So können kosten- und zeitintensive Fehler vermieden werden, denn auf der Baustelle wird noch nicht benötigtes Material oft nicht sachgerecht gelagert und nimmt im Lauf der Zeit Schaden. Darin dürfte einer der Vorteile liegen, die BIM für das Bodenleger-Handwerk bietet.

Auch für den Unterhalt großer Gebäude verspricht BIM Vorteile, weil nicht nur Wartungsintervalle für technische Komponenten wie Fahrstühle oder Sauberlauf-Systeme hinterlegt sind, sondern auch beispielsweise Spezifikationen der Lüftungsanlage oder Pflegeanleitungen für die Böden. Aber auch, wenn nach 20 Jahren eine Boden­sanierung ansteht, ist der im Gebäude vorhandene Bodenaufbau in der digitalen Planung ersichtlich. Das bewahrt den Bodenleger vor mehr oder weniger unangenehmen Überraschungen, die bislang oft erst sichtbar werden, wenn das Altmaterial herausgerissen wurde und die Arbeiten schon in vollem Gange sind.

Mehr Transparanz, aber andere Entscheidungswege

Doch die digitale Zukunft des Bauens verheißt nicht nur Glück. Wenn es um die Auswahl von Zubehör geht, könnte der bodenlegende Handwerker außen vor bleiben. Die Hersteller haben die für ihre Produkte zugelassenen Systemkomponenten in Datenbanken hinterlegt. Die Auswahl der Bau­stoffe und der eingesetzten Zusatzprodukte trifft anhand der ausgespielten Ergebnisse weitgehend der Planer. Wenn dadurch auf der Baustelle eine dem Verarbeiter unbekannte Ausgleichsmasse zum Einsatz kommt oder der Kleber eines ihm unbekannten Herstellers, ist Ärger vorprogrammiert.

Bislang lief viel auf dem „Kleinen Dienstweg“ zwischen Verarbeiter und Handel. War ein Produkt nicht vorrätig oder vom bodenlegenden Handwerker nicht gewollt, hat der Fach- oder Großhändler es einfach durch ein anderes zum selben Preis ersetzt . Das könnte mit BIM vorbei sein: Ist in der Planung ein Klebstoff von Hersteller A oder eine Sockelleiste von Hersteller B vorgesehen, kann nichts anderes abgerechnet werden. Das wird eine Herausforderung für markentreue Bodenleger , die schließlich das Produkt verarbeiten wollen, mit dem sie die meiste (und oft auch beste) Erfahrung haben. Vorteil: Wird für ein Gewerk ein anderes Produkt oder ein alternatives Bauteil gewählt, haben durch BIM dennoch alle Beteiligten immer denselben Sachstand.

Nicht nur Teilprozesse digitalisieren


Die Datenbank, die optimalerweise für den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zur Verfügung stehen sollte, bietet aber auch Chancen. „Zu viele Lösungen und Systemvarianten der Industrie bleiben immer noch ungenutzt, weshalb oft nicht die Bauqualität erreicht wird, die eigentlich möglich wäre“, sagt Matthias Uhl, Gründer und Geschäftsführer des BIM-Dienstleisters „Die Werkbank IT“ in Wien. Als wichtigen Schlüssel zum „kollaborativen, transparenten und redundanzfreien Planungsprozess“ , durch den sich erfolgreiche BIM-Projekte auszeichnen, nennt er die Datenbank mit allen, wirklich allen Informationen. „Einige Teilprozesse laufen ja bereits digital, aber oft liegen dieselben Daten an zwei unterschiedlichen Stellen – und das mag dann zwar aussehen wie BIM, ist es aber nicht“, erklärt Uhl.

 BIM Aller Anfang ist schwer
Luft nach oben: Bei den in der Umfrage ermittelten BIM-Einsatzbereichen sind bodenlegende Gewerke nicht direkt erwähnt. - © BauInfoConsult, BIM-Monitor 2019

Als ein Problem nennt der IT-Fachmann, dass es noch keine Festlegung auf einen einheitlichen Datenstandard gibt, der all die zusammengetragenen Informationen für alle auch sichtbar machen kann – und das unabhängig von Standort, Betriebssystem oder Endgerät. Kein Wunder, dass Deutschland bei der Umsetzung von BIM im internationalen Vergleich hinterherhinkt und BIM bei Boden- und Parkettlegern momentan eher noch ein Schubladen-Thema sein dürfte.

Trotzdem rät der BIM-Experte auch den Boden-und Parkettlegern, den Umstieg auf digitale Prozesse und die Umrüstung auf BIM nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern so früh wie möglich anzugehen (siehe Interview). „ Bei ,Digitalisierung‘ oder , BIM‘ handelt es sich ja nicht um eine Software im klassischen Sinne, die man einfach am Tag 1 installiert, vielleicht einen Kurs belegt und loslegt... Vielmehr ist mit längeren Einführungs- und Übergangsphasen zu rechnen“ , sagt der Experte. Für den Handwerker sollte das nicht von Nachteil sein, sagt Uhl, getreu der Devise: „Nutzen und nicht Schaden, auch für den Verarbeiter – von Anfang an.“

Hersteller wollen „ BIM-ready“ werden


Derweil laufen sich viele Boden- und Bauchemie-Hersteller für BIM warm und wollen „ BIM-ready“ sein, wenn es irgendwann mal richtig losgeht. Die meisten haben als ersten Schritt ihre Produktdatenblätter mitsamt allen Produktspezifikationen, Verarbeitungsanleitungen und Pflegehinweisen digital aufbereitet , damit sie für BIM- Planungstools nutzbar sind. Ein Schlüssel dazu ist ein durchgängiges Produkt­datenmanagement, auch PIM (Product Information Management) genannt. Mit diesen Daten lassen sich auch Online-Shops bespielen und Ausschreibungen erstellen. Um sie BIM-fähig zu machen, bedarf es nur noch einer entsprechenden Verknüpfung.

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„ BIM-ready“ bei Uzin Utz: Architekten und Planer können die Fußboden- und Estrichsysteme von Uzin Utz als Bauteile abrufen und mittels eines Plug-ins in ihre digitalen 3-D-Gebäudemodelle integrieren. - © Uzin Utz AG

Wie solche Verknüpfungen aussehen und was sie können, war eines der Themen der Messe „digitalBAU“ in Köln. Dort hat zum Beispiel Uzin Utz Anfang des Jahres seine digitalen Services rund um die Bodenplanung vorgestellt und gezeigt, dass dieser Prozess für alle Bereiche der Uzin-Gruppe bereits vollzogen ist: Der Bauchemie-Hersteller verfügt für alle seine Marken über passgenaue Produkt-Digitaldaten für BIM-Anwendungen. "BIM wird aufgrund der Vorteile wie Kosten- und Ausführungssicherheit kontinuierlich an Bedeutung gewinnen – für Bauherren, Investoren, Architekten und Planer, die Baustoff­industrie, den Baustoffhandel, Bauunternehmen und den Fachhandwerker", erklärte Philipp Utz, Mitglied des Vorstands der Uzin Utz AG .

In einer Serie stellt bwd vor, wie sich BIM entlang der Wertschöpfungskette von den unterschiedlichen Akteuren einsetzen lässt:
Diese Folge: Was ist BIM?
Folge 2: BIM aus Sicht der Hersteller
Folge 3: Was bringt BIM dem Fach- und Großhandel?
Folge 4: Wie können Handwerker BIM-ready werden?

Drei Fragen an BIM-Experten Matthias Uhl

bwd: Welchen Nutzen hat der Parkett- oder Bodenleger von BIM?
Matthias Uhl:  Er profitiert entlang der gesamten Wertschöpfungskette von digitalen Informationen und den sich daraus ergebenden Vernetzungsmöglichkeiten. Die Produktpaletten kommen digital in die eigene Baumanagement-Software. Selbstverständlich mit allen ihren Eigenschaften, Lieferzeiten, sowie Preisen einschließlich Rabatten. Tagesaktuell natürlich. Zusammen mit den digitalen Plänen des Architekten, selbstverständlich alles in 3D, fotorealistisch und hochauflösend, liegt jedes BIM-Projekt transparent und klar in der AV vor. Benötigte Mengen und Massen sämtlicher Produkte und Zusatzartikel, aber auch Zuschnitte und Sonderformate sind digital und dreidimensional vorhanden. Bestellung und Beschaffung läuft punktgenau und ohne viel Nachfragen. Bauherr/Investor, Architekt und Verarbeiter reden von Anfang die gleiche Sprache, haben alle dieselbe transparente Information vorliegen. Nach Auftragsausführung erfolgt das Aufmaß digital und wird mit den ursprünglichen 3D-Modellen des Architekten überlagert. Diskus­sionspunkte können schnell und sicher geklärt werden. Das digitale Aufmaß ist die Grundlage des Bestandsplans des Architekten.

 BIM Aller Anfang ist schwer
Matthias Uhl, Gründer und ­Inhaber der BIM-Beratungsagentur „Die Werkbank“. - © Die Werkbank

bwd: Welche technischen Voraussetzungen sind dafür notwendig?
Matthias Uhl: Technisch ist die Verwendung einer digitalen Büromanagement-Software notwendig. Auftragsabwicklung, Büroorganisation, Buchhaltung inkl. Rechnungslegung sollten schon digital laufen. Dann die notwendigen BIM-Erweiterungen dazuladen und loslegen. Es ist keinen Tag zu früh! Mit der richtigen Software läuft jetzt auch die Auftragsvorbereitung, die Projektkommunikation inkl. -kontrolle, sowie schlussendlich auch das Aufmaß und die Projektnachkalkulation digital.

bwd: In welchem Zeitfenster sollte der Handwerker anstreben, mit seinem Betrieb „ BIM-ready“ zu werden?
Matthias Uhl: Es ist keinen Tag zu früh! Neue, digitale Prozesse in ein laufendes Unternehmen zu integrieren, sollte schrittweise erfolgen und wird mehrere Jahre dauern. Die Umstellung muss auf mehreren Ebenen geschehen: Im Büro, auf der Baustelle, mit Input des Einkaufs, der Arbeitsvorbereitung, des Poliers und anderen. Die heute dafür eingesetzten digitalen Tools werden ständig weiterentwickelt und vielleicht auch ausgetauscht. Diese Tatsache ist aber nicht wesentlich. Wesentlich ist, dass die Umstellung im Unternehmen beginnt. Dass das neue digitale Denken Einzug hält und digitale Prozesse wie selbstverständlich formuliert und umgesetzt werden. Mit welchem Softwaretool das geschieht, ist zweitrangig. Nur eines ist sicher: Je früher der Umstellungsprozess beginnt, desto besser! jr

Matthias Uhl ist Gründer sowie Geschäftsführer von
Die Werkbank IT GmbH, die mit der BIM-Infrastruktur
"BIM and More" Herstellern von Bauprodukten und Baustoffen
die Übersetzung und Aufbereitung der Produktdaten in BIM-Objekte ermöglicht. www.bim-more.com