Die Kolumne von Eckhard Eyer Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig

HCM-Kolumnist Eckhard Eyer fühlte sich in den letzten Tagen an ein Zitat aus der Bibel erinnert, 2. Korinther Kapitel 3, Vers 6: „Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig“. Warum und was das mit der Corona-Pandemie zu tun hat, lesen Sie in seiner ersten Kolumen 2021.

Dipl.-Ing. Eckhard Eyer, Perspektive Eyer Consulting in Ockenfels, Kontakt: info@eyer.de – © Eckhard Eyer

Die erste Kolumne im Jahr 2021 hat als Titel ein Bibelzitat aus dem 2. Korinther Kapitel 3, Vers 6: „Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig“. Ich fühlte mich in den letzten Tagen und Wochen an dieses Zitat erinnert, als ich das Verhalten der Menschen – oder sollte ich besser sagen der Geschäftsleute und Kunden – in der Corona Pandemie erlebte.

  • Präsentation der Waren

Im Nachbarort, in dem ich gerne einkaufe, ist ein Einkaufscenter, in dem auf einem Viertel der Fläche ein Supermarkt für Lebensmittel etc. ist. Auf dreiviertel der Fläche kann man in den verschiedenen Boutiquen Kleidung verschiedener Marken, Lederwaren, Sportartikel, Bürobedarf, Spielzeuge, Saisonartikel, … kaufen. Seit dem 6. Januar 2021 sind in jeder Boutique auch Lebensmittel und insbesondere Genussmittel – passend zu den typischen Kunden der Boutique – zu kaufen. Die Standardwaren in den Boutiquen sind z.B. mit einer Auswahl von Pralinen, Salzgebäck, Wein und Sekt garniert. Die Boutiquen sind geöffnet, weil sie ja Lebensmittel verkaufen! Das Handeln des Unternehmens erinnert mich an die bundesweite Parfümeriekette, die über Nacht einige Filialen in eine Drogerie umfirmierte, um ihre Cremes und Duftwässerchen auch während des Lockdown zu verkaufen. Sie merkte schnell, dass „der Schuss nach hinten losging“ und ein erheblicher Imageschaden entstand.

 
  • Sparen, koste es was es wolle  

Die Kunden sind kundig, sie wissen spätestens seit der Werbekampagne eines Unternehmens, dass „Geiz geil ist“. Sie fahren dann schnell mal ins benachbarte Bundesland oder den nahen europäischen Nachbarstaat, wo die Geschäfte offen sind, zum Einkaufen oder Haare schneiden lassen. Es ist kein Zufall, dass in verschiedenen Grenzregionen – insbesondere dort wo die Preisdifferenzen zum jeweiligen Nachbarstaat besonders hoch sind – auch die Corona-Inzidenzwerte ihre Spitzen erreichen.  

 
  • Alles legal! Auch alles gut?  

Das Verhalten der Bürger und Kunden ist absolut legal. Rechtlich ist ihnen nichts vorzuwerfen. Der Buchstabe des Gesetzes ist eingehalten. Aber ist es auch gut, wenn wir nicht zuletzt durch dieses legale Verhalten die Coronazahlen nicht in den Griff bekommen? Brauchen wir – weil wir zunehmend nur legalistisch denken und handeln – immer mehr Gesetze und Rechtsverordnungen sowie Gerichtsurteile die deren Rechtsmäßigkeit überprüfen? Robert Bosch Senior, der Gründer von BOSCH gestaltete sein schnell wachsendes Unternehmen im ausgehenden 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach der Maxime „Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig“. Er ließ in dieser innovativen Zeit des schnell wachsenden jungen agilen Unternehmens Innovationen und organisatorische Entwicklungen zu, ja förderte sie. Das Unternehmen wurde von dem Geist des Gründers, den Werten von BOSCH getragen. Wir sprechen heute von der Unternehmenskultur oder der DNA eines Unternehmens.  

 
  • Der kategorische Imperativ

Immanuel Kant prägte den Kategorischen Imperativ mit den Worten „„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Was würde passieren, wenn wir unser Handeln an dieser Maxime, der entsprechenden Gesellschaftskultur – nicht nur in Corona-Zeiten – orientieren würden? Wenn unser legalistisches Denken um diesen wichtigen Aspekt ergänzt würde?

Am 10. März 2020 verschob ich in Absprache mit dem Veranstalter ein Seminar wegen Corona vom 18. März auf den 16. Juni 2020. Das Seminar wurde abgesagt und fand dann als Webinar im Oktober 2020 statt. So etwas konnte ich mir vor einem Jahr nicht vorstellen. Dass Krankenhäuser Operationen verschieben, Krematorien ein Dreischichtsystem einführten und sich trotzdem davor die Särge stapeln konnte ich mir letzten Sommer nicht vorstellen. Heute ist es für mich (noch) unvorstellbar, dass Fabriken für einige Wochen schließen. Aber auf meine Vorstellungen kommt es nicht an, darauf nimmt das Corona-Virus keine Rücksicht.

 
  • Es liegt in unserer Hand

Eine chinesische Geschichte erzählt von einem alten Einsiedler, der als sehr klug galt. Die Nachricht von seiner Klugheit hörte auch der mächtige Kaiser. Er wollte den Einsiedler prüfen und ließ ihn zu sich kommen. Der Kaiser versammelte alle seine Ratgeber und sprach zu dem Einsiedler: „Hier, in meiner Faust habe ich einen kleinen Vogel. Wenn du wirklich so klug bist, wie man erzählt, dann sage mir, ob der Vogel lebt oder ob er tot ist!“ Der Einsiedler blickte dem König ins Gesicht und sagte lächelnd: „Es liegt in deiner Hand!“