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Ursula Sladek: «Wir haben keine Zeit mehr»

Die Mitgründerin der EWS im Gespräch mit Petra Völzing

Um das Klima wirksam zu schützen, muss der Einsatz fossiler Brennstoffe radikal reduziert werden. Ursula Sladek fordert deshalb eine nationale CO₂-Abgabe.

Im März 2017 gründete eine Gruppe von Klimaschutzakteuren in Freiburg den Verein für eine nationale CO2-Abgabe. Dieser setzt sich für eine Lenkungsabgabe auf fossile Energieträger ein. Die Abgabe bemisst sich allein am Ausstoß des Klimagases CO2 und soll alle bestehenden Steuern und Umlagen auf Energie ersetzen. Mit unter den Gründerinnen und Gründern sind die Schönauer Stromrebellen Ursula und Michael Sladek, die bei ihrem breit gefächerten Engagement einen klaren Fokus auf den Kampf für diese Abgabe setzen. Ihre Überzeugung: Ein CO2-Preis, der die Kosten für die Umweltschäden durch den Ausstoß des Klimagases widerspiegelt, ist heute eine Grundvoraussetzung für erfolgreichen Klimaschutz.

Den «Verein für eine nationale CO2-Abgabe» gibt es jetzt seit acht Monaten. Seitdem ist in Deutschland einiges in Bewegung gekommen. Das Thema CO2-Preis wird in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert, selbst große Unternehmen fordern inzwischen einen Ausstieg aus der Kohleverstromung. Sind wir einen Schritt weiter auf dem Weg zur Klimarettung?

Wir haben mit dem Thema sicherlich den Nerv der Zeit getroffen. Die Idee, den CO2-Ausstoß zu bepreisen, ist nicht neu und steht im Programm vieler Umweltorganisationen und Verbände. Dass die Debatte jetzt so intensiv geführt wird, zeigt, wie dringlich ein Umschwenken der Politik auf einen wirksamen Klimaschutz ist. Schon jetzt ist klar, dass wir das Klimaschutzziel für 2020, den CO2-Ausstoß um 40 Prozent zu reduzieren, nicht erreichen werden. Wenn wir jetzt nicht handeln, werden wir auch die Ziele für 2030 nicht erreichen. Dann heißt es: Pariser Klimaabkommen adieu.

Welche Aktivitäten standen in den letzten Monaten für Sie im Vordergrund?

Wir setzen auf öffentliche Veranstaltungen, sprechen mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft. Wir nutzen YouTube und Twitter, bespielen alle medialen  Kanäle. Die Resonanz in den Medien ist groß. Wir würden gerne noch mehr Menschen und vor allem Unternehmen für unsere Sache gewinnen, denn gemeinsam mit diesen hätten wir in der Politik noch mehr Einfluss. Natürlich haben wir unser Konzept auch wissenschaftlich untermauert, weitergedacht und -entwickelt. Es wurde ein rechtliches Gutachten  erstellt, um sicherzustellen, dass eine CO2-Abgabe mit nationalem und europäischem Recht vereinbar ist. Zudem  gab es viele Detailfragen zu klären. Zum Beispiel: Wie lässt sich verhindern, dass Nachbarstaaten billigen Kohlestrom nach Deutschland exportieren, wenn er hier durch die Abgabe verteuert wird?

Und wie geht das?

Es müsste einen Grenzsteuerausgleich geben, der gewährleistet, dass der importierte Kohlestrom zum gleichen Preis verkauft wird wie der mit der CO2-Abgabe belastete deutsche Kohlestrom. Dafür müsste allerdings zunächst eine Stromkennzeichnung für fossilen Strom eingeführt werden. Die gibt es bislang nur für Strom aus erneuerbaren Energiequellen.

In der Sache sind sich alle einig, aber die Umweltverbände und Organisationen operieren mit unterschiedlichen Konzepten für einen CO2-Preis. Wäre es nicht sinnvoll, dass sich alle zusammentun?

Es gibt durchaus eine Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren. Zuletzt hat Andreas Kuhlmann, Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (dena), eine gemeinsame Erklärung zur Dringlichkeit eines CO2-Preises initiiert. Die haben wir natürlich auch unterschrieben. Dabei halten aber alle ihr eigenes Konzept für das beste. Wir natürlich auch. Ich denke, das Besondere am Konzept unseres Vereins ist, dass neben der Energieerzeugung auch die Bereiche Wärme und Mobilität mit eingeschlossen sind. Mit der Abgabe internalisieren wir konsequent die externen Kosten, das heißt die Behebung der Umweltschäden. Unser Konzept berücksichtigt zudem soziale Aspekte: Weil die Abgabe alle bestehenden Umlagen und Steuern auf Energie ersetzt, entstehen für die Bürger und Unternehmen keine höheren Kosten, mit Ausnahme der von Abgaben befreiten stromintensiven Unternehmen – aber auch hierfür gibt es Lösungsmöglichkeiten. 

Warum setzen Sie auf einen nationalen Alleingang?

Der Hauptgrund ist: Wir haben keine Zeit mehr. Die Klimakonferenzen zeigen, wie langwierig Verhandlungen auf internationaler Ebene sind. Ich denke, Deutschland sollte hier ein weiteres Mal voranschreiten. Das hat es ja auch bei der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes getan, und viele Staaten sind dem Beispiel gefolgt. 1994 hat Kanzlerin Angela Merkel, damals Bundesumweltministerin, gesagt: «Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als vier Prozent unseres Strombedarfs decken.» Heute sind es 35 Prozent. Nationale Konzepte für einen CO2-Preis sind aber auch deshalb sinnvoll, weil jedes Land andere rechtliche und politische Rahmenbedingungen hat. Daran müssen sich die Konzepte orientieren.

Sollte man nicht dem Europäischen Emissionshandel eine Chance einräumen?

Den Europäischen Emissionshandel halten wir für gescheitert. Es hat sich gezeigt, dass man nicht alle europäischen Staaten unter einen Hut bringen kann. Außerdem decken die Zertifikate nicht mal die Hälfte aller entstehenden Emissionen ab. Sie beschränken sich auf 12.000 große Industrieanlagen und Kraftwerke – und das reicht schlicht nicht aus.

Die internationale Wissenschaft warnt schon seit Jahrzehnten vor den Auswirkungen des Klimawandels. Warum tut sich die Politik so schwer mit einem wirksamen Klimaschutz?

Ich denke, das Problem ist, dass die Menschen die Auswirkungen in Europa bisher nur minimal spüren. Die Pole schmelzen, der Meeresspiegel steigt. Städte wie Miami wird es in absehbarer Zeit nicht mehr geben. Wenn der Permafrost schmelzen würde, dann könnten laut dem Journalisten David Wallace-Wells, der die Ergebnisse der Klimaforschung sehr drastisch auf den Punkt gebracht hat, 1,8 Billionen Tonnen Kohlenstoff in Form von Methan freigesetzt werden. Das ist mehr, als aktuell in der Atmosphäre vorhanden ist. Wetterphänomene entfalten schon jetzt eine riesige zerstörerische Kraft. Es wird Kriege und gigantische Fluchtbewegungen geben. In Europa ist das alles noch weit weg. Die Wissenschaft sagt aber ganz deutlich: Es wird viel schlimmer, als wir uns das heute vorstellen können. Aber solange man es nicht am eigenen Leibe spürt, scheinen die Menschen die Gefahren lieber zu verdrängen. Aus meiner Sicht rechtfertigen diese Fakten aber jegliche Anstrengung, denn am Ende leiden wir alle.

Die Zahl der Menschen, die sich für einen wirksamen Klimaschutz engagieren, nimmt zu. Merken Sie das in Ihrem Verein?

Wir haben jetzt mehr als 500 Mitglieder, das heißt, wir konnten mit unserem Engagement die Zahl seit der Gründung im März 2017 mehr als vervierfachen. Das ist gut, aber natürlich sollten es noch viel mehr sein. Es ist eine Herausforderung, Menschen für unser Ziel zu gewinnen. Das Thema ist eben recht abstrakt. In Veranstaltungen sage ich meinen Zuhörern, sie sollten sich die Atmosphäre als riesige Müllhalde vorstellen, wo alle ihren Dreck reinkippen können – und sie müssen nichts dafür bezahlen. Das ist ja der aktuelle Zustand. Das verstehen die Leute, und dann empören sie sich auch. Genauso wichtig ist es, Zahlen zu nennen und sie vergleichbar zu machen. Das Umweltbundesamt gibt zum Beispiel an, dass allein durch die fossile Stromerzeugung in Deutschland 2014 Umweltschäden in Höhe von 47 Milliarden Euro angerichtet wurden. Die Kosten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes beliefen sich im gleichen Jahr laut Öko-Institut auf 19,2 Milliarden Euro. Da wird das gigantische Ungleichgewicht sichtbar. Ich halte es für unredlich, zu behaupten, dass die Erneuerbaren Energien die Preistreiber auf dem Strommarkt wären, denn die Kosten für die Umweltschäden müssen wir am Ende alle mit unseren Steuern bezahlen.

Welche Chancen sehen Sie mit einer neuen Regierung?

Natürlich sind wir enttäuscht, dass die Jamaika-Verhandlungen gescheitert sind. Hier in der Region hatten wir ja schon ein kleines Jamaika: Die Bundestagsabgeordneten Armin Schuster von der CDU und Christoph Hoffman von der FDP, beide aus dem Wahlkreis Lörrach-Müllheim, sowie Kerstin Andreae aus Freiburg, für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, haben sich gemeinsam für einen CO2-Preis ausgesprochen. Unser Ziel ist es, dass im Koalitionsvertrag ein CO2-Preis festgeschrieben wird.

Worauf konzentrieren Sie sich persönlich beim Kampf für die CO2-Abgabe?

Unsere Heimatgemeinde Schönau hat vor Kurzem entschieden, als Kommune Mitglied beim «Verein für eine nationale CO2-Abgabe» zu werden. Das ist eine schöne Basis, um weitere Kommunen für unsere Sache zu gewinnen. Auf diesem Feld werde ich mich weiter engagieren. Außerdem hilft mein Sprachgefühl dabei, unsere Anliegen in der Öffentlichkeit allgemeinverständlich zu vermitteln. Ich lese viele unserer Texte daraufhin noch mal durch und bemühe mich um anschauliche Bilder und Vergleiche. Ich habe elf Enkel, und der Gedanke an deren Zukunft motiviert mich, für unsere Sache aktiv zu bleiben. Ich tue das also auch im eigenen Interesse. Wir werden trotz des ganzen Gegenwindes weiter für die Rettung des Klimas streiten.

Ursula Sladek, Energiewende-Pionierin

Ursula Sladek gründete im Jahre 1986 – nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl – gemeinsam mit ihrem Mann Michael die Bürgerinitiative «Eltern für atomfreie Zukunft», aus der sich in der Folge die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) entwickelten. Für ihr außerordentliches und vorbildliches Engagement wurden den EWS-Mitgründern im Laufe der Jahre zahlreiche Auszeichnungen verliehen, unter anderen der Deutsche Gründerpreis, der Goldman Environmental Prize – auch bekannt als «Nobelpreis für Umweltschutz» und der deutschen Umweltpreis. Ende des Jahres 2014 schieden Ursula und Dr. Michael Sladek satzungsgemäß aus dem Vorstand der EWS aus. Im März 2017 gründeten sie mit gemeinsam mit weiteren Klimaschutzakteuren den «Verein für eine nationale CO2-Abgabe». Ausführliche Informationen finden Sie unter co2abgabe.de.

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18. Dezember 2017 | Energiewende-Magazin