Werkstattgespräch der CDU Auf Distanz zu Merkel

Berlin · Die CDU hat anderthalb Tage über die Flüchtlingspolitik diskutiert: War die Entscheidung von 2015 richtig? Die Partei kündigt jedenfalls ein schärferes Vorgehen in der Asylpolitik an.

 Stühle in den Farben schwarz, rot und gelb stehen in der CDU-Zentrale.

Stühle in den Farben schwarz, rot und gelb stehen in der CDU-Zentrale.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

In der CDU-Zentrale in Berlin stehen die Stühle nach Farben sortiert: schwarz, rot, gelb. Die CDU will wieder Flagge zeigen und die Nationalfarben nicht der AfD überlassen – so muss man die Szenerie deuten, in der der öffentliche Teil des Werkstattgesprächs zur Aufarbeitung der Flüchtlingspolitik stattfindet.

Im Konrad-Adenauer-Haus kamen Sonntag und Montag rund 120 CDU-Führungsmitglieder, Wissenschaftler, Kommunalpolitiker und sogenannte Praktiker zusammen – gemeint sind damit beispielsweise Polizisten, Richter und Integrationskurs-Lehrer. Kanzlerin Angela Merkel, die in Deutschland und Europa im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen um die Flüchtlingspolitik stand und steht, blieb außen vor.

Die neue CDU-Chefin hatte das „Werkstattgespräch“ zur Klärung der eigenen Position in der Flüchtlingspolitik auch mit Blick auf das schlechte Beispiel der SPD angesetzt, die anderthalb Jahrzehnte mit der Hartz-IV-Gesetzgebung gehadert hatte. Kramp-Karrenbauer unternahm nun den Versuch, in nur anderthalb Tagen alles aufzuarbeiten.

„Wir sind konsequent und wir sind kein Rechtsstaat, der sich auf der Nase herumtanzen lässt“, sagte sie zum Ende des Werkstattgesprächs, dessen Ergebnis ein vierseitiges Papier mit teils harten Forderungen für die künftige Asylpolitik ist. Teile sollen ins gemeinsame Europawahlprogramm von CDU und CSU einfließen. Die Punkte seien auch „Grundlage für die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner“, kündigte Kramp-Karrenbauer an. Die Parteichefin betonte zugleich, dass Deutschland ein umfassendes, schlüssiges „Migrationsmonitoring“ brauche, damit sich 2015 nicht wiederholen könne.

Die Politiker und Verwaltungsleute benannten beim Werkstattgespräch eine lange Liste an Verschärfungen und Klarstellungen für die Flüchtlingspolitik. „2015 war eine besondere Situation und ich gehe davon aus, dass sie wiederkommen könnte. Wir müssen vorbereitet sein“, sagte der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster. Er forderte „intelligente Grenzüberwachung bis zu Zurückweisungen“, die die nötige Flexibilität habe, um auf die Entwicklung von Brennpunkten zu reagieren. Diese Forderung ist nicht weit entfernt vom „Masterplan“ des CSU-Innenministers Horst Seehofer, der den großen Streit in der Union 2018 ausgelöst hatte. Zudem verwies die Union auf die Notwendigkeit, in der Asylrechtsprechung mehr Einheitlichkeit herzustellen sowie die Verfahren zu entschlacken. Die Altersfeststellung junger Flüchtlinge soll im Zweifel auch auf medizinischer Basis stattfinden. Zur Identifizierung von Asylsuchenden sollen die Behörden effizienter Daten austauschen können. Wer bei der Identitätsfeststellung nicht mitarbeitet, soll sanktioniert werden.

Nach den Vorstellungen der Union soll die Bundespolizei zudem mit weiteren Befugnissen ausgestattet werden. Sie soll grundsätzlich zuständig werden im Kampf gegen „unerlaubten Aufenthalt“ und auch weiter als nur 30 Kilometer hinter der Grenze möglicherweise illegal Eingereiste kontrollieren können.

Mehr noch: Die Arbeitsgruppe rund um den baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl forderte Abschiebungen künftig auch bei kleineren Anlässen als bisher: Falsche Angaben zur Identität, Angriffe gegen Polizisten, jede Art von sexuellen Übergriffen, Vergehen, die zu einer Strafe von 90 Tagessätzen führen.

Auf europäischer Ebene fordert die Union mehr Kompetenz für die Grenzschutzagentur Frontex, Klarheit, wer in den Schengenraum einreist, und ein einheitliches Asylsystem in Europa.

Die Debatte ist aber längst nicht beendet. Während sich Kramp-Karrenbauer und der bayerische CSU-Innenminister Joachim Herrmann bemühten, die Streitereien zwischen den Schwesterparteien hinter sich zu lassen, riss der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die alten Gräben wieder auf. In seinem am Montag erschienenen Buch verwahrt er sich ungewöhnlich deutlich gegen den Vorwurf des damaligen CSU-Chefs Horst Seehofer, es habe eine „Herrschaft des Unrechts“ gegeben. Seehofers Worte bezeichnete de Maizière in seinem Buch als „ehrabschneidend“. Seehofer reagierte umgehend und warf de Maizère indirekt schlechten Stil vor.

Der konservative CDU-Flügel bezeichnete das Werkstattgespräch als einen „ersten Schritt in die richtige Richtung“. Der Vorsitzende der Werte-Union Alexander Mitsch beklagte allerdings: „Leider wurden aber auch manche Inhalte nur oberflächlich behandelt oder gar tabuisiert.“ Es sei so der Eindruck entstanden, „dass eine ehrliche Analyse der Probleme von Teilen der Parteiführung nicht gewünscht ist“. Mitsch verwies darauf, dass die Argumente und Vorschläge der WerteUnion „für eine stärkere Begrenzung und konsequentere Steuerung der Einwanderung“ teilweise große Zustimmung gefunden hätten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort