Pro und Kontra Brauchen wir eine Frauenquote?

Düsseldorf · Nicht einmal ein Drittel der Bundestagsabgeordneten sind Frauen. Nun fordern Politikerinnen eine Quote. Vorbild ist Frankreich, wo auf Wahllisten abwechselnd Männer und Frauen stehen müssen.

 Weibliche Abgeordnete im Bundestag (Archivfoto).

Weibliche Abgeordnete im Bundestag (Archivfoto).

Foto: dpa/Daniel Naupold

Pro Frauenquote von Kristina Dunz

 Kristina Dunz, Leitende Redakteurin, Parlamentsredaktion.

Kristina Dunz, Leitende Redakteurin, Parlamentsredaktion.

Foto: dpa/dpa, mkx wst

Überall Vorschriften und Verbote, und dann auch noch eine Quote. Vielleicht gibt es in Parlamenten ja so wenige Frauen, weil sie dümmer sind und Männern lieber die Macht überlassen? Sicher nicht. Nur enden Polit-Karrieren von Frauen oft da, wo keine Zeit mehr für Kinder und Privatleben bleibt oder die vielen Männern in den hohen Positionen lieber ihresgleichen und keine Frauen fördern. Oft haben Frauen auch auf die Härte in der immer noch von Männern dominierte Politik keine Lust. Und weil trotz aller Appelle der Anteil von Frauen im Bundestag im 21. Jahrhundert zuletzt sogar wieder gesunken ist und nicht annähernd dem Frauenanteil in der Bevölkerung entspricht, muss nachgeholfen werden. Ohne Quote geht es nicht. Und das ist erst der Anfang. Am Ende wird das alle entlasten. Auch die Männer.

Schwangere Politikerinnen werden auch heute noch gefragt, ob sie ihr Mandat aufgeben. Wie würde sich das anhören: „Herr Staatssekretär, Sie werden Vater, werden Sie Ihr Amt niederlegen?“ Absurd.

Wenn denn die Bedenken so groß sind, dass ein Paritätsgesetz, das den Parteien 50 Prozent Frauen auf ihren Wahllisten vorschreibt, gegen das Grundgesetz verstoßen würde, dann muss man das Grundgesetz eben ändern – so wie es seit 1949 unzählige Male geschehen ist. Es kann nicht so schwer sein, für die Gleichberechtigung in Artikel 3 ein Sätzchen anzufügen: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin – auch bei der Aufstellung von Wahllisten.“ Hat Frankreich ähnlich gemacht. Und zwar schon vor fast 20 Jahren. Den Parteien wird ja nicht vorgeschrieben, welche Kandidatinnen und Kandidaten sie aufstellen sollen, sondern nur, dass sie Frauen so wichtig nehmen müssen wie Männer.

Bestünden die Parlamente zur Hälfte aus Frauen, würde sich die Politik verändern. Die Bundesregierung schlägt der Uno den Einsatz von mehr Frauen bei Friedensverhandlungen vor, weil sie „schneller und erfolgreicher“ geführt werden könnten und weil Frauen und Kinder mehrheitlich die Leidtragenden in Kriegen seien. Säßen deutlich mehr Frauen im Bundestag, gäbe es mehr Erfahrung mit dem schlechten Gewissen, das Betreuungssystem würde mit Sicherheit verbessert, und die Arbeit am Menschen vom Kindergarten bis zum Pflegeheim besser anerkannt und bezahlt. Vielleicht interessierten sich dann auch mehr Männer für solche Berufe. Und der Bundestag würde nicht mehr bis in die Nacht tagen. Schweden geht auch nicht unter. Die Quote bedeutete, dass Männer Macht abgeben und Frauen sie als Normalität annehmen müssen. Das hätte auch Vorbildcharakter für die Wirtschaft, die Gesellschaft könnte sich entspannen. Auch der Mann an sich. Es fiele eine Last von ihm ab, sich für alles verantwortlich zu fühlen. Und die gute Nachricht ist: Frauen können es auch!

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Kontra Frauenquote von Antje Höning

 Antje Höning, Leiterin der Wirtschaftsredaktion.

Antje Höning, Leiterin der Wirtschaftsredaktion.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Die Besetzung der Parlamente ist kein Ruhmesblatt: Deutschland steht mit seinem Frauenanteil im Bundestag von 30,7 Prozent auf einer Stufe mit dem Sudan, wie die Kanzlerin anmerkte. Im Landtag von NRW sieht es mit 27,6 Prozent noch trauriger aus. Dabei stellen Frauen die Mehrheit der Bevölkerung und Wahlberechtigten. Es wird Zeit für mehr Frauen in den Parlamenten. Doch die nun debattierten Quoten sind der falsche Weg.

Erstens: Frauenquoten im Parlament verstoßen gegen die Verfassung. So müssen nach dem in Frankreich eingeführten Parité-Gesetz Parteien ihre Listen abwechselnd mit Frauen und Männern besetzen. Parteien, die sich nicht an dieses Reißverschluss-Verfahren halten, bekommen weniger Geld aus der Staatskasse. Brandenburg will Ähnliches einführen. Das ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Zwar formuliert Artikel 3 das Gleichberechtigungs-Gebot: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern.“ Der Artikel sagt aber nichts über das Wie aus.

Das Reißverschluss-Verfahren jedenfalls verstößt gegen die Freiheit der Wahl, die grundgesetzlich ebenso garantiert ist. So heißt es in Artikel 38: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in freier und gleicher Wahl gewählt.“ Schreibt der Staat nun paritätisch besetzte Listen vor, greift er in die Freiheit der Wähler ein. Er verwehrt ihnen, Parteien mit mehr Frauen oder mehr Männern zu wählen. (Eine reine Frauenliste, mit der 1986 die Grünen in die Hamburger Bürgerschaft einzogen, wäre dann übrigens auch nicht mehr möglich.) Ebenso würde der Staat die gesetzlich garantierte Freiheit der Parteien beschränken, selbst über Kandidaten wie Inhalte zu entscheiden.

Zweitens: Frauenquoten sind willkürlich. Wer sie zulässt, kann mit gleichem Recht auch andere Quoten fordern – etwa nach Herkunft, Religion oder Beruf. Denn wer Artikel 3 zur Rechtfertigung der Frauenquote heranzieht, kann dies mit gleichem Recht auch zur Rechtfertigung einer Rheinländer-, Katholiken- oder Unternehmer-Quote tun. (Und mehr Unternehmer würden dem Beamten-Parlament sicher gut tun.) Schließlich heißt es in Artikel 3: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen Anschauungen benachteiligt werden.“ Das zeigt, wie willkürlich eine Frauenquote ist.

Drittens: Frauenquoten sorgen nicht für bessere Politik, dafür sorgen Politiker, die ihren Verfassungsauftrag ernst nehmen – „Vertreter des ganzen Volkes“ zu sein. Daher hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof im März 2018 entschieden, dass ein Parlament „kein möglichst genaues Spiegelbild“ der Bevölkerung darstellen müsse.

Gerade weil der Staat den Parteien bei der Kandidatenkür nichts vorschreibt, haben alle die gleiche Chance. Ergreift sie einfach!

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