Nach Forderung von Ministerin Klöckner NRW-Gastronomen verteidigen Pommes auf Kinderteller

Düsseldorf · Bundesernährungsministerin Julia Klöckner fordert gesünderes Essen für Kinder in Restaurants. Wir haben uns bei NRW-Gastronomen umgehört, wie sie die Diskussion sehen.

 Stefanie Berisa von der „Oerather Mühle“ in Erkelenz serviert einen Kinderteller mit Schnitzel, Pommes, Gemüse und Beilagensalat.

Stefanie Berisa von der „Oerather Mühle“ in Erkelenz serviert einen Kinderteller mit Schnitzel, Pommes, Gemüse und Beilagensalat.

Foto: Laaser, Jürgen (jl)

Biene Maja oder Zwergenteller? Vor dieser Frage stehen Kinder, die im Restaurant „Oerather Mühle“ in Erkelenz essen. Dort können sie zwischen fünf Gerichten wählen. „,Biene Maja‘ mit paniertem Schnitzel und Pommes wird am liebsten bestellt“, sagt Mitarbeiterin Stefanie Berisa. Beliebt unter den jüngeren Gästen sei auch der „Zwergenteller“ mit Cevapcici, ebenfalls mit Pommes. Gemüse gebe als Beilage zwar auch, sagt Berisa, und einige Kinder würden es auch essen. „Allerdings wird das Gemüse von vielen sogar abbestellt.“

Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) möchte das ändern. In Schnitzel, Pizza und Pommes sieht sie ein Problem, stattdessen will sie gesündere Kinderteller in deutschen Restaurants. „Sicherlich ist die Gastronomie ein kleiner Teil in der Gesamternährung“, sagte Klöckner. Um gegen ernährungsbedingte Krankheiten vorzugehen, sei es aber wichtig, auch die kleinen Schräubchen zu drehen. Am Dienstag hat die Bundesministerin Experten und Gastronomie-Vertreter eingeladen, um Möglichkeiten für eine gesündere Speise-Auswahl auszuloten. Dabei wurde unter anderem überlegt, eine Art Siegel für gesunde Kinderspeisekarten zu entwickeln. Außerdem soll eine Broschüre für Gastronomen überarbeitet werden.

„Die Verantwortung für die Ernährung von Kindern liegt bei ihren Eltern, nicht beim Gastronomen“, erwidert Thorsten Hellwig, Pressesprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) NRW. „Ich kann die Forderung nicht nachvollziehen. Meiner Erfahrung nach sind in Restaurants die Gerichte, die es zu Hause am seltensten gibt, für Kinder am interessantesten.“ Der dreifache Vater verbietet seinen Kindern nach eigenen Angaben keine Pommes. „Ich möchte mit ihnen nicht im Restaurant über einen Salat diskutieren. Zu Hause wird gesund gegessen, auswärts dürfen die Kinder essen, worauf sie Lust haben.“

Laut Hellwig gelte außerdem in der Gastronomie die Regel: „Wer fragt, gewinnt.“ In vielen Restaurants bekämen Kinder auf Nachfrage reguläre Gerichte als halbe Portion für einen ermäßigten Preis – selbst, wenn sie nicht auf einer Kinderkarte stehen. „Das geht zwar nicht immer, aber in den meisten Fällen findet sich eine Lösung.“ Manche Gastronomen bieten auch den sogenannten Räuberteller an: Dabei bekommen Kinder einen leeren Teller und können bei ihren Eltern mitessen.

Zustimmung für Klöckners Vorstoß kommt aus Ratingen: „Kinder kommen in Restaurants oft viel zu kurz“, sagt Fabian Reingen, Küchenchef des Restaurants „Liebevoll in der Auermühle“. Dort werden alle Kindergerichte frisch gekocht, sagt Reingen. Am beliebtesten seien Chicken Nuggets mit Pommes, Schnitzel mit Pommes und Erbsen-Möhrengemüse sowie Würstchen mit Kartoffelpüree – frisch zubereitet ohne Tiefkühlprodukte. „In unserer Speisekarte achten wir auf gesunde Ernährung und verwenden viel Gemüse – auch bei Kindergerichten“, sagt Reingen. „Damit heben wir uns von der Konkurrenz ab.“

Hintergrund der Forderung nach gesünderer Ernährung ist, dass 15 Prozent der Kinder in Deutschland übergewichtig sind. Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sind damit fast zwei Millionen Kinder und Jugendliche im Alter von drei bis 17 Jahren betroffen. Zu viel Zucker, Fett und Salz erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes. Einer Studie von Forschern der Universität Heidelberg zufolge sind fast vier von fünf untersuchten Speisen aus ernährungswissenschaftlicher Sicht schlecht für den Körper. Die 1877 untersuchten Kindergerichte enthielten zum Großteil zu viel Fett und Kalorien, wenig Nährstoffe und oft rotes Fleisch. 54 Prozent der untersuchten Essen enthielten zudem Pommes.

Jens Dannenfeld will etwas an der Einfallslosigkeit auf dem Teller ändern. Der frühere Sternekoch arbeitete sieben Monate lang im Kölner Restaurant „The Kidchen“. Dort gab es diverse Gerichte für Kinder, eine große Spielelandschaft, Krabbelecken und Wickeltische. Im Jahr 2016 musste das Restaurant allerdings schließen – wegen „einiger Fehlentscheidungen“, wie er sagt. Dass Prinzip eines Kinderrestaurants sei damit aber längst nicht gescheitert, glaubt Dannenfeld. „Ich trauere der Idee nach. Es war eines der spannendsten Projekte, die ich gemacht habe.“ In der Anfangszeit sei das Restaurant gut gefüllt gewesen. „Die Krux ist aber: Frisches Essen dauert länger in der Zubereitung. Es gibt jedoch immer weniger gut qualifiziertes Personal. Deshalb greifen viele Köche auf Tiefkühlprodukte oder Friteusen zurück.“ Dannenfeld schließt sich aufgrund dessen Klöckners Idee an. Von gesunder Ernährung profitiere auch der Staat, da sie zu weniger gesundheitliche Folgen etwa durch Übergewicht führe.

Die Speisekarte so zu ändern, dass Kindergerichte gesünder werden? Davon hält Stefanie Berisa aus Erkelenz nichts. „Unser Angebot richtet sich nach der Nachfrage.“ Wenn Schnitzel und Pommes auf der Speisekarte fehlten, würden die Kinder mit Sicherheit danach fragen. Ähnlich sei es mit den Fischstäbchen gewesen: „Wir haben unsere Fischstäbchen eine Zeit lang aus frischem Fisch selbst zubereitet“, sagt Berisa. Den Kindern habe das nicht geschmeckt – seitdem bietet das Restaurant wieder Tiefkühl-Fischstäbchen an.

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