Einigung auf 25-Prozent-Regelung Seehofer bekommt Beifall für neuen Flüchtlingskurs

Berlin · 25 Prozent der Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer will Horst Seehofer künftig aufnehmen - damit löste der Innenminister eine kontroverse Debatte aus. Gegen die Kritik verteidigen ihn jetzt führende CDU-Politiker.

 Innenminister Horst Seehofer (CSU)

Innenminister Horst Seehofer (CSU)

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Seehofer hatte unlängst in einer Vereinbarung mit Frankreich, Italien und Malta zugesagt, dass die Bundesrepublik künftig 25 Prozent der Bootsflüchtlinge übernimmt, die im Mittelmeer aufgegriffen werden. Fachleute sehen darin die Chance für einen generellen Verteilmechanismus innerhalb der EU, der seit Jahren am Widerstand einzelner Staaten gescheitert war.

„Es ist schade, dass Seehofer vorher niemanden über seine Pläne informiert hat. Denn tatsächlich verdient seine Initiative alle Unterstützung“, sagte der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster unserer Redaktion. „Sie könnte der Einstieg in die lange ersehnte Lösung einer europäischen Flüchtlingsverteilung sein, vielleicht sogar der Anlass für neue Verhandlungen zu einem europäischen Asylsystem.“ Es sei wichtig, dass Frankreich, Italien und Deutschland gemeinsam einen Versuch unternähmen, einen Verteilmechanismus für Flüchtlinge zu vereinbaren.

„Wir brauchen ein faires Verteilregime für Flüchtlinge in der EU. Das müssen wir erreichen, bevor die Zahl der Flüchtlinge wieder deutlich ansteigt“, sagte auch der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt. Er schränkte jedoch ein: „Deutschland repräsentiert nur etwa ein Fünftel der Einwohner der EU. Diese Größenordnung sollte auch Richtschnur für die Vereinbarung der EU-Staaten zur Verteilung von Flüchtlingen sein.“

Zuvor war Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus auf Distanz zu Seehofer gegangen. „Das C in unserem Namen gebietet, Menschen aus Seenot zu retten“, sagte Brinkhaus der Funke Mediengruppe. Etwas anderes sei aber die Frage, welches Signal man sende, wenn man pauschal 25 Prozent der Geretteten aufnehmen wolle. „Das war eine Initiative des Innenministers, nicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion“, betonte Brinkhaus. „Wir werden uns die Pläne von Horst Seehofer daher sehr genau anschauen.“

AfD und FDP kritisierten die Vereinbarung, wonach Deutschland künftig jeden vierten Bootsflüchtling aufnehmen soll. Die 25-Prozent-Quote könnte von den übrigen EU-Staaten als Richtgröße für alle weiteren Flüchtlingsgruppen verstanden werden, die nach Deutschland verteilt werden. Auch dagegen regt sich Widerstand, zumal Seehofer selbst vor einer neuen Flüchtlingswelle warnte. „Wir müssen unseren europäischen Partnern bei den Kontrollen an den EU-Außengrenzen mehr helfen. Wir haben sie zu lange alleine gelassen“, sagte Seehofer. „Wenn wir das nicht machen, werden wir eine neue Flüchtlingswelle wie 2015 erleben – vielleicht sogar eine noch größere als vor vier Jahren.“

Weitere EU-Staaten sollen sich dieser Übergangslösung von Malta anschließen. Darüber wird am Dienstag bei einem Innenministertreffen in Brüssel verhandelt. Die Kritiker monieren, dass Schlepper und Migranten durch die Signalwirkung der Vereinbarung ermutigt werden könnten. Zu der Vereinbarung gehört allerdings auch, dass jeder Unterzeichner aussteigen kann, falls plötzlich deutlich mehr Boote unterwegs sein sollten. Seit Juli 2018 sind 225 aus Seenot gerettete Menschen nach Deutschland gekommen.

Die Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln sind bereits heillos überfüllt. Zudem wollen viele Syrer aus türkischen Flüchtlingslagern nach Europa fliehen, weil sie nicht in eine vom türkischen Präsidenten Erdogan geplante Sperrzone zwischen der Türkei und Syrien umgesiedelt werden wollen. Auch aus dem Iran wollen viele Afghanen fliehen, weil sie keine humanitäre Hilfe erhalten. Das Gleiche gilt für Afrikaner in libyschen Lagern.

Auch der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nils Schmid, gab Seehofer Rückendeckung. „Der erste Schritt ist gemacht, die jetzt erzielte Einigung zur Seenotrettung war überfällig. Ich bin froh, dass diese drängende Frage geklärt ist“, sagte er. Zu einer umfassenden Verteilung der Geretteten sei es aber noch ein weiter Weg. „Ich bin daher unsicher, ob die Einigung als Vorbild für andere Abkommen dienen kann“, sagte Schmid. Er unterstrich wie Seehofer die Bedeutung des EU-Türkei-Abkommens über die Kontrolle der Flüchtlingsströme. „Die Aufnahme von etwa drei Millionen Flüchtlingen ist eine große Leistung. Die Türkei verdient dafür auch in Zukunft die Unterstützung der EU.“

Die Grünen halten die 25-Prozent-Quote indes für eine gute Grundlage für weitere Verhandlungen über die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU. „Die 25 Prozent entsprechen ungefähr dem deutschen Anteil an einer fairen Verteilquote innerhalb Europas und sind deswegen eine gute Grundlage“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour übte zugleich massive Kritik an Berlin. „Wenn die Bundesregierung etwas gegen eine neue Flüchtlingswelle tun will, reicht es nicht, wenn der Innenminister nach 1,5 Jahren Nichtstun in die Türkei fliegt und Erdogans Militäroffensive auf syrischem Gebiet mit keinem Wort erwähnt. Berlin muss endlich mutiger die wahren Ursachen der drohenden neuen Flüchtlingswelle ansprechen und Erdogan die Stirn bieten“, sagte Nouripour.

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