Flexible Bildungsmodelle:Nah am Leben

Jeder Achte studiert hierzulande an einer privaten Hochschule - aus guten Gründen. Denn die Privaten bieten attraktive Optionen für alle, die sich berufsbegleitend und praxisnah fortbilden wollen.

Von Bärbel Brockmann

Flexible Bildungsmodelle: Eine echte Herausforderung: Ein Kind aufziehen, zugleich im Job bleiben und studieren. Möglich ist das oft nur mithilfe der Modelle – etwa Fernstudiengänge –, die vor allem private Hochschulen anbieten.

Eine echte Herausforderung: Ein Kind aufziehen, zugleich im Job bleiben und studieren. Möglich ist das oft nur mithilfe der Modelle – etwa Fernstudiengänge –, die vor allem private Hochschulen anbieten.

(Foto: Jens Magnusson/Imago)

Noch vor 20 Jahren waren private Hochschulen in Deutschland recht exotisch. Seit einiger Zeit wächst ihre Anzahl kontinuierlich und damit die Anzahl der dort Studierenden. Der Stifterverband machte in einer im Sommer 2020 publizierten Studie 106 private Hochschulen aus, an denen 244 000 Studierende eingeschrieben waren. Die privaten Hochschulen haben somit einen Anteil von circa einem Viertel an der gesamten Hochschullandschaft hierzulande. Etwa jeder achte Student studiert an einer Privaten.

Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, sich für eine Privathochschule anstelle einer staatlichen Hochschule zu entscheiden. Da ist zum einen das Renommee. Private Hochschulen wie die Bucerius Law School in Hamburg oder die WHU Otto Beisheim School of Management in Vallendar in Rheinland-Pfalz sind über Deutschland hinaus bekannt. Ein Abschluss dort kann als Katalysator für eine besondere Karriere betrachtet werden, ähnlich, wenn auch vielleicht nicht im selben Ausmaß wie bei englischen oder amerikanischen privaten Eliteunis vom Format Oxford oder Harvard. Doch sind diese international bekannten Hochschulen, die meisten von ihnen im Rang einer Universität und damit mit Promotionsrecht, in Deutschland vergleichsweise selten, was Experten auch mit der in der Regel guten Qualität der staatlichen Lehre begründen.

Die meisten der privaten Hochschulen sind indes Fachhochschulen - heute vielfach Hochschulen für angewandte Wissenschaften genannt. Und viele von ihnen sind einem größeren Publikum unbekannt. Sie unterscheiden sich von den staatlichen Fachhochschulen oft in ihren Studienmodellen - und die sind ein weitaus wichtigerer Grund, sich für eine private Hochschule zu entscheiden, als eine große Bekanntheit oder gar Prestige. Die verschiedenen Studienmodelle ermöglichen es den Studierenden nämlich, sich neben ihrem Beruf oder einer anderen Tätigkeit weiterzubilden. Knapp 30 Prozent aller Studierenden absolvieren ein Fernstudium, 41 Prozent studieren in Teilzeit und ein Viertel der Studierenden ist laut der Studie des Stifterverbandes über 30 Jahre alt. Es sind also meist nicht die ganz jungen Leute, die nach ihrem Abitur übergangslos in ein Studium hinübergleiten. Viele Studierende haben auch gar kein Abitur, sondern ihre Hochschulzugangsberechtigung anderweitig erworben, beispielsweise über einen Meister in einem Handwerk. "Die Studiengänge an privaten Hochschulen sind in der Regel berufsorientierter", sagt Peter Thuy, Vorstandsvorsitzender des Verbands der privaten Hochschulen (VPH). "Viele private Hochschulen sind auch bemüht, Vorqualifikationen anzuerkennen. Wenn also ein Erzieher zu uns kommt und soziale Arbeit studiert, braucht der für einen Bachelor vielleicht nicht die üblichen drei Jahre, sondern manchmal nur anderthalb oder zwei", sagt Thuy. So etwas sei an staatlichen Hochschulen zwar durchaus auch möglich, aber seltener. Dieser Seiteneinstieg ins Studium ist einer der Gründe, warum Studierende bereit sind, Geld für ihre Hochschulausbildung auszugeben.

Denn Geld kosten alle privaten Hochschulen - die im Übrigen auch alle staatlich anerkannt und deren Studiengänge akkreditiert sind. Im Durchschnitt finanzieren sich die Hochschulen zu drei Vierteln aus Studiengebühren. Zwar sind die in Deutschland längst nicht so hoch wie beispielsweise an einigen amerikanischen oder englischen Eliteuniversitäten, an denen die Studiengebühren mehrere Zehntausend Dollar oder Euro betragen.

Für das Gros der Hochschulen liegt die Preisspanne hierzulande zwischen 200 und 1500 Euro im Monat. Für eine Pflegekraft, die ihre Karrierechancen durch ein Studium aufwerten will, ist das immer noch viel Geld. Aber es gibt Möglichkeiten, die Last zu mindern oder auf einen längeren Zeitraum zu verteilen. Grundsätzlich stehen den Studierenden dieselben Finanzierungswege offen wie ihren Kommilitonen an staatlichen Hochschulen. Sie können zum Beispiel BAföG beantragen oder sich um ein Stipendium bemühen.

Das setzt aber auch dieselben Bedingungen voraus: wenig Unterstützung von den Eltern oder herausragende Leistungen. Deshalb gibt es bei vielen Hochschulen zusätzlich das Modell der sogenannten nachlaufenden Studiengebühren. Sie müssen erst bezahlt werden, wenn man ein entsprechendes Einkommen hat, also nach dem Studium. Hochschulen, die dieses Modell anbieten, strecken die monatlichen Auszahlungen meist aus einem eigens dazu eingerichteten Fonds vor. Und davon gibt es viele, denn die meisten Hochschulen brauchen diese Einnahmen, damit ihr Geschäftsmodell funktioniert. Viele setzen bei ihrer Kalkulation auf eine Mischung aus einmaligen Einnahmen, beispielsweise aus MBA-Programmen und regelmäßigen monatlichen Studiengebühren. "Für die meisten Hochschulen ist die Stabilität des Geschäftsmodells wichtig. Wenn man zum Beispiel einen Bachelor im Fernstudium verkauft, zahlt der Student drei oder vier Jahre lang je nach Zeitmodell zuverlässig einen bestimmten Betrag. Je länger die Programme dauern, desto besser kann man in die Zukunft planen", sagt Thuy, der auch Rektor der IUBH ist. Diese private Hochschule ist bundesweit an mehreren Standorten vertreten und gehört zu den großen Privaten. Die größte ist gemessen an der Zahl der Studierenden die FOM, die laut Stifterverband 50 095 Studenten in berufsbegleitenden Bachelor- und Master-Studiengängen ausbildet.

Aber die Großen sind in der Landschaft der privaten Hochschulen eher die Ausnahme. Die meisten sind kleiner, manche haben nur wenige Hundert Studenten. "Je mehr Studierende eine Hochschule hat, desto stabiler ist die Finanzbasis. Bei einer kleinen Hochschule ist es dramatischer, wenn Einnahmen wegbrechen", sagt Andrea Frank, die beim Stifterverband den Programmbereich Forschung, Transfer und Wissenschaftsdialog leitet. Gerade die kleineren Hochschulen sind häufig in einer Nische unterwegs, zum Beispiel in einigen Gesundheits- und Pflegebereichen. Einige haben überdies einen privaten Sponsor. Wie zum Beispiel die Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg, die sich auf die Bereiche Logistik, Supply Chain Management und allgemeines Management konzentriert. Zwar muss man auch hier Studiengebühren bezahlen, die Hochschule ist aber in der Trägerschaft der Kühne-Stiftung und wird von ihr finanziell unterstützt. Die Stiftung wurde von den Eigentümern des Logistikkonzerns Kühne + Nagel gegründet. Stiftungsvorsitzender Klaus-Michael Kühne wollte mit der KLU die logistische Ausbildung mit einem starken Praxisbezug fördern, da sie nach seiner Einschätzung an herkömmlichen Hochschulen zu kurz kommt. Im Jahr 2020 feierte die KLU ihr zehnjähriges Bestehen.

Nicht so gut ist es der Bremer Jacobs University ergangen. Die Privat-Uni wurde 2001 gegründet und hatte von Anfang an große Ziele. Sie wollte eine breit aufgestellte Elite-Universität sein, sich auch in der Forschung hervortun und eine internationale, multikulturelle Studentenschaft anziehen. Zwar belegte sie in Hochschul-Rankings immer gute Plätze, doch hatte sie fast vom Start weg Finanzprobleme. 2006 stieg die Jacobs-Foundation der Bremer Kaffeeröster-Dynastie ein - daher der heutige Name. Im Sommer 2020 kündigte sie aber an, sich aus der Förderung zurückzuziehen. Auch das Land Bremen, das zuvor schon einige Male mit Zuschüssen eingesprungen war, will dies nicht immer wieder tun. Ein Grund für die Probleme kann die breite Aufstellung gewesen sein.

Nicht alle Studiengänge sind gleich kostenintensiv. Nach einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes kostet etwa ein Studienplatz in der Medizin 91 600 Euro und in den Ingenieurwissenschaften immerhin noch 29 000 Euro. In den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften aber nur 17 200 Euro. "Die finanzintensiven Fächer werden von privaten Hochschulen nur selten angeboten", stellt Frank vom Stifterverband fest. Mehr als zwei Drittel der Studierenden belegten die Fächer rund um BWL, Jura und Soziales, die keine teure Technik, keine Labore und dergleichen für die Lehre brauchen. Dennoch passiert es immer wieder mal, dass eine private Hochschule aus finanziellen Gründen aufgeben muss. Für einen solchen Fall müssen die Hochschulen Bürgschaften hinterlegen, deren Höhe sich nach der Zahl der Hochschüler richtet. Damit soll sichergestellt werden, dass die Studierenden ihre Ausbildung abschließen können.

Wird die Attraktivität der privaten Hochschulen anhalten? Davon gehen zumindest die meisten Experten aus und weisen darauf hin, dass immer mehr Berufe akademisiert werden und ein Hochschulexamen in immer mehr Berufen als Voraussetzung für ein Weiterkommen gilt. Dieser Trend dürfte auch die demografische Entwicklung mehr als ausgleichen, in deren Folge es weniger junge Menschen geben wird als heute. Solange das stimmt, dürfte sich auch die private Hochschule als Unternehmen in den meisten Fällen rechnen.

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