Dr. Jens Baas

Organspende braucht Botschafter

In den letzten Jahren hat das Thema Organspende reichlich für Schlagzeilen gesorgt. Was jetzt getan werden muss, damit keine Menschen mehr auf der Warteliste sterben, erklärt TK-Vorstand Dr. Jens Baas.

Ein Mann läuft im T-Shirt durch Disneyland in Orlando, Florida. Darauf abgedruckt ist aber weder Micky Maus noch ein Stormtrooper, sondern eine Suchanzeige für eine Spenderniere. Rob Leibowitz, seit Jahren Dialysepatient, wusste sich nach Jahren auf der Organspende-Warteliste nicht mehr anders zu helfen.

In den Niederlanden suchen Menschen via Facebook Lebendspender. Überall ist die Organspendesituation schwierig, in Deutschland aber ganz besonders. 2017 gab es nur noch 2594 Organspenden von insgesamt 797 Spendern – zehn Prozent weniger als im Jahr zuvor. Statistisch gesehen sterben jeden Tag drei Menschen, weil sie nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhalten.

In den letzten Jahren gab es deshalb viele Aufklärungskampagnen. Das Transplantationsgesetz wurde reformiert und verpflichtet unter anderem die Krankenkassen,
ihre Versicherten ab 16 Jahren alle zwei Jahre anzuschreiben und ihnen einen Organspendeausweis mit Informationen zuzuschicken.

Acht Millionen Organspendeausweise lösen das Problem nicht

Für uns ist das jedes Mal die größte analoge Mailing-Aktion, dir wir überhaupt machen. Über acht Millionen Briefe werden bundesweit verschickt – ein Kraftakt, nicht nur in finanzieller Hinsicht. Auch viele unserer Kunden wundern sich zuweilen, warum sie schon wieder Post bekommen, obwohl sie den Organspendeausweis schon mehrfach von uns bekommen und ausgefüllt haben.

Viele Menschen haben mittlerweile einen Ausweis und darauf ihre Entscheidung für oder gegen eine Organspende dokumentiert. Fast jeder kennt jemanden, der durch ein Spenderorgan eine neue Lebenschance bekommen hat oder auf ein Spenderorgan wartet. Das Thema wird in die Schulen und Unternehmen getragen. Und trotzdem: An der sinkenden Zahl der Organspenden hat dies nichts geändert.

Nur in ein bis zwei Prozent der Fälle kommt es zur Spende

Das zeigt, dass Anstrengungen, die nur auf die Spendebereitschaft der Menschen abzielen, zu kurz greifen. Obwohl viele Menschen hierzulande bereit sind, ihre Organe nach ihrem Tod zu spenden, kommt es nur in ein bis zwei Prozent der Fälle auch zu einer Organspende. Wichtig ist deshalb, in den Kliniken anzusetzen.

Wie das gehen kann, sehen wir in Spanien – Weltmeister in Sachen Organspende. Dort ist das Thema kein Tabu, die Menschen sind informiert. Sie vertrauen dem System, und die Kliniken sind gut organisiert. In jedem Klinikum gibt es Transplantationsbeauftragte, die eigens für diese Aufgabe freigestellt sind. Sie sensibilisieren die Kollegen und unterstützen, wenn ein sterbender Patient als Organspender geeignet sein könnte. Sie sprechen mit Angehörigen, die in einer belastenden Trauersituation mit einem schwierigen Thema konfrontiert werden – wofür das Stationspersonal im Klinikalltag kaum Zeit und Ruhe finden kann. Genau diese Vorgehensweise brauchen wir auch.

Organspende in den Klinikalltag integrieren

Viele sind der Meinung, Spanien wäre bei der Organspende nur deshalb so weit vorn, weil sie, anders als wir, eine Widerspruchslösung haben. Das heißt, jeder ist zunächst einmal Organspender, es sei denn, er widerspricht aktiv. Deshalb wird der Ruf nach einer solchen Regelung auch bei uns immer lauter. Doch hierzulande setzt die Organspende immer eine aktive Zustimmung voraus, und das ist auch gut so. Viel wichtiger wäre stattdessen, dass auch bei uns das Thema im Klinikalltag präsenter wird.

In den letzten Jahren ist bei der Organisation der Organspenden bereits viel passiert: Es wurden Strukturen geschaffen, die der Manipulation vorbeugen und den Vergabeprozess transparenter machen. Was immer noch nicht gut genug funktioniert, ist, diejenigen zu stärken, die die schwerste Aufgabe in dem Prozess haben: die Klinikmitarbeiter, die das Thema Organspende in einer Krisensituation ansprechen müssen. Deshalb ist es wichtig, Klinikstrukturen und Ausbildung zu fördern.

Auch die bvmd, die Bundesvertretung der Medizinstudierenden, hat die kommende Bundesregierung aufgefordert, dass die Themen Hirntod und Organspende in der Ausbildung der Gesundheitsberufe eine größere Rolle spielen müssen. Angehende Mediziner sollen so dafür sensibilisiert werden. Parallel dazu müsse der gesellschaftliche Diskurs um neutrale Aufklärung und das Abbauen von Vorurteilen und Missverständnissen weitergehen.

Politik ist gefordert und will liefern

Auch die gerade abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen widmeten sich der Organspende. Anders als bei anderen Themen herrschte hier Einigkeit zwischen den Fraktionen. Der Entwurf des Koalitionsvertrags sieht vor, dass die Zahl der Organspenden erhöht werden soll und die Transplantationsbeauftragten in den Kliniken dabei eine ganz zentrale Rolle einnehmen. Die Organentnahmen sollen dabei finanziell besser vergütet werden. Dies sind Schritte in die richtige Richtung.

Die Gesundheitssenatorin der Freien und Hansestadt Hamburg Cornelia Prüfer-Storcks hat bereits in dieser Woche angekündigt, die Arbeit von Transplantationsbeauftragten in den Hamburger Kliniken mit einem neuen Landesgesetz zu fördern. In Bayern, wo diese Regelungen bereits in Kraft sind, stieg die Zahl 2017 – trotz rückläufiger Zahlen im Rest der Republik.

In den letzten Jahren hat das Thema reichlich für Schlagzeilen gesorgt. Auch wenn es – anders als in den Medien behauptet – keinen Transplantationsskandal, sondern einen Wartelistenskandal gab. Mediziner haben ihre Patienten kränker dokumentiert, als sie waren, um ihnen einen besseren Platz auf der Warteliste zu verschaffen. Auch das ist schlimm genug. Es kann aber nicht noch Jahre später eine Ausrede dafür sein, dass die Situation so ist wie sie jetzt ist.

Damit keine Menschen mehr auf der Warteliste sterben, braucht das System wieder mehr Vertrauen, Transparenz und vor allem Botschafter, die sich in den Kliniken dafür einsetzen.



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Laura Krüger Laura Krüger
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