TK: Herr Prof. Dr. Farin-Glattacker, Sie haben fast vier Jahre lang, für die Techniker verschiedene Online-Gesundheitsprogramme evaluiert. Welche Themen wurden dabei adressiert?

Prof. Dr. Erik Farin-Glattacker: Das interaktive Online-Programm TK-GesundheitsCoach, welches wir wissenschaftlich untersucht haben, thematisiert die drei Gesundheitsziele: "Ich will meine körperliche Fitness steigern", "Ich will abnehmen und mein Gewicht halten" sowie "Ich will mit dem Rauchen aufhören", also die drei Bereiche Fitness, Abnehmen und Nichtrauchen.

Prof. Dr. Erik Farin-Glat­ta­cker

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Institut für Medizinische Biometrie und Statistik
Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung (SEVERA), Medizinische Fakultät Universitätsklinikum Freiburg 
 

TK: Was ist bisher generell über die Wirksamkeit von Online-Coachings bekannt und was war das Ziel Ihrer Untersuchung?

Farin-Glattacker: Die Anwendungsmöglichkeiten der eHealth-Technologie, also die Anwendung digitaler Intervention zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung, sind noch lange nicht ausgeschöpft. Es gibt aber mittlerweile auf dem Markt eine nur noch schwer überschaubare Vielzahl von Angeboten, deren Wirksamkeit oft fraglich oder zumindest nicht wissenschaftlich belegt ist. Von den Ergebnissen erhofften wir uns evidenzbasierte Aussagen darüber, ob der TK-GesundheitsCoach wirksam ist und wenn ja, auf welchen Zielgrößen genau. Damit kann das Programm gegebenenfalls weiter optimiert werden und Nutzer haben transparente Qualitätsinformationen.

TK: Wie war das Design der Studie?

Farin-Glattacker: Die Studie wurde in Freiburg von unserer Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung sowie vom Institut für Sport und Sportwissenschaft durchgeführt. Ziel war, die Wirksamkeit des TK-GesundheitsCoach auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau, das heißt mit einem so genannten "randomisiert-kontrollierten" Studienaufbau, zu untersuchen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten sich aussuchen, welches Gesundheitsziel für sie passt und wurden anschließend per Zufall zwei Studienbedingungen zugewiesen, einem interaktiven Online-Programm und einem klassisch aufbereiteten, nicht-interaktiven Online-Programm.  

Sie wurden dann zu mehreren Zeitpunkten vor und nach der Nutzung des Online-Gesundheitsprogramms zum Erfolg befragt. Dies erfolgte durch Online-Fragebögen, die z.B. beim Gesundheitsziel "Körperliche Aktivität und Fitness steigern" zum Ausmaß der körperlichen Aktivität und zur Erreichung der selbst gesetzten Fitness-Ziele fragten. Außerdem gab es in Freiburg eine Medizinische Teilstudie, bei der bestimmte Untersuchungen und Tests durchgeführt wurden. Durch die Vergleiche Vorher-Nachher sowie zwischen den beiden Studienbedingungen können wir nun fundierte Aussagen über die Wirksamkeit des TK-GesundheitsCoach treffen.

TK: Wurde der Ablauf der Studie durch die Corona-Pandemie beeinflusst?

Farin-Glattacker: Ja, sicherlich. Wir haben in der zeitlichen Phase eines Corona-Lockdowns, zum Beispiel Anfang 2021, weniger sportliche Aktivität festgestellt. Es ist plausibel, dass dies damit zusammenhing, dass verschiedene Sporteinrichtungen wie Schwimmbäder, Turnhallen oder Fitnessstudios, geschlossen waren. Bei Bewegungsaktivitäten, die eher unabhängig von solchen Sportangeboten sind, also beispielsweise alltägliche Geh- und Radfahrstrecken, ist dieser "Aktivitätseinbruch" nicht in gleicher Weise beobachtbar. Eine weitere Konsequenz der Corona-Pandemie für unsere Studie bestand darin, dass einige Personen aufgrund einer COVID-19-Erkrankung die Teilnahme abbrechen bzw. Vor-Ort-Untersuchungen verschoben werden mussten.

TK: Und was sind nun aus Ihrer Sicht die maßgeblichen Ergebnisse?

Farin-Glattacker: Wir haben drei Hypothesen überprüft. Erstens die Annahme, dass die Nutzung des TK-GesundheitsCoach mit einer Erhöhung der Aktivitäten und der körperlichen Fitness verbunden ist. Dies wurde bestätigt. Langfristig stieg bei den Nutzerinnen und Nutzern das wöchentliche Ausmaß der körperlichen Aktivitäten um nahezu eineinhalb Stunden. Ferner haben wir vermutet, dass das interaktive Online-Programm zu stärkeren Verbesserungen führt als das klassisch aufbereitete, nicht-interaktive Online-Programm. Dies bestätigte sich nicht, es gab keine Unterschiede. Auch die dritte Hypothese, dass eine intensivere Nutzung des Coaches zu besseren Ergebnissen führt als eine weniger intensive Nutzung zeigte sich nur beim Gesundheitsziel Nichtrauchen.

TK: Welche Empfehlungen zur Konzeption eines "optimalen" GesundheitsCoachings lassen sich daraus ableiten?

Farin-Glattacker: Zum Einen wurde die Multimodalität des TK-GesundheitsCoachs von den Nutzerinnen und Nutzern sehr geschätzt, das heißt die Kombination verschiedener Gesundheitsziele, die ja auch - wie zum Beispiel bei Fitness und Abnehmen - zusammenhängen. Diese Multimodalität sollte beibehalten und ausgebaut werden. Ein auffallender Befund war zudem, dass viele Interessierte das Programm zwar starten, dann aber abbrechen. Nur jede fünfte Person hat das Programm kontinuierlich und regelmäßig genutzt. Wichtig wäre also die Erhöhung der Motivation zum "Dabeibleiben", zum Beispiel durch kleinere Interventionseinheiten, die nach einem ersten Einstieg in das Programm Erfolgserlebnisse vermitteln und ganz gezielt die Motivation zur weiteren Nutzung steigern. Und schließlich ist die App-Funktionalität des Coachs von hoher Bedeutung. Diese wurde von vielen Personen gewünscht und wird vermutlich die Teilnahmemotivation erhöhen.

App TK-Coach

Zur Person

Professor Dr. Erik Farin-Glattacker ist Psychologe und leitet am Universitätsklinikum Freiburg die Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung sowie die Koordinierungsstelle Versorgungsforschung der Medizinischen Fakultät. Er ist seit knapp 20 Jahren am Universitätsklinikum Freiburg tätig und befasst sich schwerpunktmäßig mit der wissenschaftlichen Evaluation komplexer Interventionen im Gesundheitsversorgungssystem.