TK: Frau Dr. Hecker, nachträglich noch herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zur neuen Vorsitzenden des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS) im Herbst vergangenen Jahres. Welche Schwerpunkte haben Sie sich für Ihre Arbeit gesetzt?

Dr. Ruth Hecker: Herzlichen Dank für die Glückwünsche! Wir haben im neuen Vorstand mehrere Themen identifiziert, die wir in den nächsten drei Jahren vorrangig voranbringen wollen. Natürlich bleiben wir dem Engagement zur Infektionsprävention und insbesondere dem Thema Sepsis treu. Sie wissen, in den letzten Jahren haben wir viele Handlungsempfehlungen veröffentlicht, sehen aber noch einen deutlichen Handlungsbedarf bei deren Umsetzung. Wir wollen unsere Mitglieder bei der Implementierung stärker unterstützen als bisher. Hierfür werden wir Ressourcen bereitstellen. Der nächste Punkt ist eine "Never Ending Story", die Frage, wie wir Patientensicherheit messen können, um konkrete Ansatzpunkte für unser Handeln zu finden und zu überprüfen. Wie können wir bewerten, dass unsere Arbeit einen Nutzen für die Patientensicherheit in Deutschland bringt? Natürlich werden wir auch die Entwicklung der Digitalisierung im Gesundheitswesen unter dem Gesichtspunkt der Patientensicherheit weiter begleiten.

Dr. Ruth Hecker

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Vorsitzende des Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V.

TK: Das seit 2005 existierende Aktionsbündnis macht sich dafür stark, die Sicherheit der Patienten bei einer Behandlung in Kliniken, Arztpraxen und anderen Einrichtungen im Gesundheitswesen zu erhöhen. Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?

Hecker: Besonders stolz bin ich auf die Aktion "Saubere Hände"! Dieses Projekt hat nachweislich und nachhaltig die Infektionsprävention in den Kliniken verbessert. Menschen, die das APS nicht kennen, kennen oft diese herausragende Aktion. Ebenfalls erfolgreich beteiligt waren wir an dem Aufbau des Critical Incident Report System (CIRS) in Deutschland.

Nicht unerwähnt bleiben darf der Welttag der Patientensicherheit, der auf eine Initiative des Aktionsbündnisses zurückgeht, das diesen Tag als Internationalen Tag schon seit 2015 mit den Partnern aus Österreich und der Schweiz feiert. Wir sind sehr stolz, dass diese Initiative von der Weltgesundheitsorganisation aufgegriffen wurde.

TK: Sie engagieren sich bereits seit Langem beim APS. Haben Sie das Gefühl, dass das Thema Patientensicherheit heutzutage größere Aufmerksamkeit erhält als noch vor einigen Jahren?

Hecker: Ja, die Aufmerksamkeit ist da. In der außerklinischen Versorgung gibt es noch eine Menge zu tun, sowohl in der ambulanten ärztlichen Versorgung als auch in den Pflegeheimen. Viele Entscheidungen im Gesundheitswesen werden aus Gründen der Wirtschaftlichkeit oder Marktbeherrschung, der Innovation oder der Forschung getroffen. Bei den Gesprächen und entsprechenden Entscheidungen kann das originäre Ziel der Gesundheitsversorgung und der Aspekt der Patientensicherheit verloren gehen. Deshalb fordern wir in allen Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführungen von Unternehmen und Institutionen die Etablierung eines Chief Patient Safety Officer.

TK: Die Digitalisierung hat längst auch im Gesundheitswesen Einzug gehalten. Wo sehen Sie hier die größten Herausforderungen?

Hecker: Die Digitalisierung wird uns sehr helfen. Eine Herausforderung ist es, nicht klein-klein zu denken, sondern international. Wir benötigen klare Rahmenbedingungen für die Industrie, die Industrie darf wiederum nicht mittels proprietärer Insellösungen den Markt bestimmen. 

Bislang haben die Bevölkerung und die im Gesundheitswesen Tätigen nur wenig praktische Erfahrungen mit digitalen Anwendungen. Die Menschen wissen nicht, was auf sie zukommt. Hier ist es wichtig, dass alle Verantwortlichen jetzt sofort und nicht erst morgen entscheiden, wie sie die Menschen über den Nutzen aufklären und sie befähigen wollen, die digitalen Tools anzuwenden.

TK: Welchen Beitrag kann hier das APS leisten?

Hecker: Wir sind an den Stellungnahmen für die Gesetzgebungsverfahren beteiligt und haben bislang schon zwei Handlungsempfehlungen herausgegeben: Die erste - "Digitalisierung und Patientensicherheit" - richtet sich an Verantwortliche in Gesundheitseinrichtungen. Wir machen auf Risiken aufmerksam und schlagen Maßnahmen vor, zum Beispiel wie man das IT-Netz vor externen Angriffen schützen kann. Die zweite Handlungsempfehlung - "Checkliste für die Nutzung von Gesundheits-Apps“ - richtet sich an Anwender und zeigt Möglichkeiten, die Apps zu bewerten, damit eine sichere und sinnvolle Nutzung erfolgen kann.

TK: Neben Ihrem Vorsitz beim APS sind Sie Chief Patient Safety Officer und Fachärztin für Anästhesie am Universitätsklinikum Essen. Wie bewältigen Sie diese anspruchsvollen Aufgaben? Was verschafft Ihnen Entspannung vom stressigen Alltag?

Hecker: Ja, tatsächlich, mein Leben hat sich sehr verändert. Ich habe ein sehr gutes, eingespieltes Team in Essen, das ich in den letzten Jahren aufgebaut habe. Das entlastet mich zurzeit enorm. Das Aktionsbündnis fordert die volle Aufmerksamkeit. Ich entspanne durch tägliches 30-minütiges Spazierengehen und nehme mir 30 Minuten etwas zu lesen, was nichts mit meiner beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeit zu tun hat. Die Wochenenden sind weitgehend reserviert für die Familie und Freunde.

Zur Person

Ruth Hecker absolvierte eine Ausbildung zur Krankenschwester, bevor sie in Bochum Humanmedizin und in Bielefeld Gesundheitswissenschaften studierte. Nach ihrer Facharztausbildung zur Anästhesistin war sie unter anderem langjährige Leiterin des Bereichs Qualitätsmanagement und klinisches Risikomanagement der Universitätsklinik Essen. Seit September 2019 ist sie dort Chief Patient Safety Officer und seit Oktober 2019 Vorsitzende des Aktionsbündnis Patientensicherheit.