TK: Für immer mehr Krankenhausleistungen finden sich Belege, dass eine Konzentration auf spezialisierte, leistungsstarke Zentren die Behandlungsqualität signifikant verbessert. Der TK-Meinungspuls zeigt außerdem, dass die Menschen bereit sind, damit verbundene längere Wege in Kauf zu nehmen. Was muss sich an der Finanzierung und der Planung ändern, damit der Fokus mehr auf die Qualität der Versorgung gelegt wird?

Michael Fischer

Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Referatsleiter, Senatorische Behörde für Gesundheit, Verbraucherschutz und Frauen

Michael Fischer: Die Qualität der Versorgung spielt zu Recht seit Jahren eine immer wichtigere Rolle und schlägt sich in einer Vielzahl an gesetzlichen Regelungen nieder, so auch zur Qualitätssicherung im Krankenhaus. Ein wichtiges und bewährtes Instrument sind in diesem Zusammenhang die so genannten Mindestmengen: Für bestimmte medizinische Leistungen bestehen Mindestfallzahlen, die ein Krankenhaus erreichen muss, um diese Leistungen erbringen und abrechnen zu dürfen. Als Folge dieser gesetzlichen Vorgabe werden bestimmte, spezialisierte Leistungen an einigen Krankenhäusern gebündelt. Für die Patientinnen und Patienten bedeutet die Erreichung der Mindestmengen durch ein Krankenhaus, dass das Klinikpersonal ein hohes Maß an Erfahrung in der jeweiligen Leistungserbringung hat -mit entsprechend positiven Effekten auf die Behandlungsqualität. Finanzielle Anreize könnten ein Mittel darstellen, um die Versorgungsqualität weiter zu erhöhen, beispielsweise indem besonders gute Qualität zukünftig zusätzlich zu bestehenden Regelungen finanziell belohnt wird.

Die allgemeine Konzentration von Krankenhausleistungen an spezialisierten Standorten kann ähnlich positive Effekte auf die Versorgungsqualität haben. Eine Möglichkeit, um insbesondere spezialisierte Leistungen zu zentralisieren, bietet die Krankenhausplanung des Landes Bremen. Hier kann das Land Bremen im Zusammenspiel mit einer Vielzahl an Beteiligten bestimmte Fachrichtungen konzentrieren, sodass Erfahrungswissen aufgebaut und eine möglichst hohe Behandlungsqualität sichergestellt wird. Die Ausweisung von spezialisierten Kliniken ist im Land Bremen vergleichsweise gut möglich, weil die Krankenhausplanung über eine hohe Detailtiefe verfügt. So werden im Land Bremen nicht nur übergeordnete Fachgebiete wie die Innere Medizin und die Chirurgie ausgewiesen, sondern auch dazugehörige Subdisziplinen wie die Kardiologie und die Gefäßchirurgie. Hierdurch konnte sich bereits eine Vielzahl an spezialisierten Krankenhausstandorten etablieren.

Wichtig ist jedoch auch, den Fokus nicht nur auf hochspezialisierte Leistungen zu richten, sondern auch die Grund- und Regelversorgung der Kliniken im Auge zu behalten - sowohl im Hinblick auf Qualitäts-, aber auch Aspekte der Erreichbarkeit. Konzentrationsbemühungen sind insbesondere bei spezialisierten Leistungen sinnvoll. Die stationäre Grund- und Regelversorgung hingegen sollte stärker in der Fläche erhalten bleiben.

TK: Der Gemeinsame Bundesausschuss hat im Frühjahr diesen Jahres - zunächst zeitlich befristet - Voraussetzungen für digitale Zentren bei der Behandlung von Covid-19-Erkrankten festgelegt. Wird das ein Modell für die Zukunft sein? Wo sehen Sie die Grenzen und wo die Chancen solcher Kooperationsformen?

Fischer: Mit Hilfe telemedizinische Anwendungen kann das für eine Diagnostik und Therapie erforderliche und verfügbare Fachwissen über ein digital gestütztes Versorgungsnetzwerk orts- und zeitunabhängig zur Verfügung gestellt werden. Das Potential für einen solchen Telemedizinansatz ist insbesondere in der Intensivmedizin im aktuellen Pandemiegeschehen sehr hoch. Daher hat es der Gemeinsame Bundesausschuss richtigerweise in Ergänzung zu den bereits getroffenen Zentrums-Regelungen auch für das Jahr 2021 ermöglicht, strukturiert und qualitätsgesichert telemedizinische Leistungen zu erbringen und abzurechnen.

Es ist jedoch wichtig, dass auch bei der Etablierung von digitalen Zentren die bestehenden Qualitätsvorgaben einzuhalten sind. Im vorliegenden Beispiel bedeutet das, dass die entsprechenden Anforderungen für beispielsweise Herzzentren oder für Lungenzentren grundsätzlich erfüllt werden. Richtig implementiert und angewendet, kann durch Telemedizin eine weitgehend zeit- und ortsunabhängige Diagnostik und Therapie erfolgen, sodass Wegstrecken für die Patientinnen und Patienten entfallen und bei hohen Inzidenzwerten auch Ansteckungsrisiken minimiert werden. Gerade für ländliche Regionen sehe ich hier einen hohen Bedarf. Es wird aber nicht so sein, dass Telemedizin jeden persönlichen Arztkontakt ersetzen kann. Hier müssen Ärzte entscheiden, wann sie jemanden wirklich sehen und vor Ort untersuchen müssen und wann telemedizinische Leistungen genutzt werden (können).

Ich würde es begrüßen, wenn die bislang gesammelten Erfahrungen mit dieser Sonderregelung sorgfältig evaluiert werden. Das, was sich bewährt hat, sollte auch zukünftig verstärkt genutzt werden können. Klare technische, leistungs- und vergütungsrechtliche Rahmenbedingungen bilden in diesem Zusammenhang eine wesentliche Grundvoraussetzung dafür, dass telemedizinische Leistungen auch tatsächlich in der Fläche - und nicht nur im Rahmen von begrenzten Insellösungen - angewendet werden können.