Denise Jacoby

ePA: „Wir müssen es einfach nur machen“

Impfpass oder Zahnbonusheft verlegt? Kein Problem, Unterlagen wie diese können künftig direkt in der ePA über das Smartphone digital aufgerufen werden.

Wir lassen in einer Interviewreihe medizinische Berufsgruppen zu ihren Erfahrungen mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu Wort kommen. Heute: der Zahnarzt Carsten Czerny aus Kassel zur elektronischen Patientenakte (ePA).

Seit dem vergangenen Jahr können gesetzlich Versicherte die ePA ihrer Krankenkasse nutzen. Welche Chancen und Vorteile stecken in der Akte?

Es ist toll, wenn ich mir künftig anhand der digitalen Unterlagen sofort ein Bild von der Zahngesundheit meiner Patientinnen und Patienten machen kann. Damit dürfte in der Regel ein zweiter Beratungstermin entfallen, den ich heute noch brauche, nachdem ich mir die Unterlagen zu vorherigen Behandlungen beschafft habe. Aber natürlich steht und fällt alles damit, ob und welchen Einblick mir meine Patientinnen und Patienten in ihre Daten erlauben. Davon hängt viel ab. Denn sie sind, was ich richtig finde, „Herr“ ihrer Daten. Aber es gibt sicherlich Fälle, in denen sie vielleicht falsch einschätzen, welche Daten für mich als Zahnarzt wichtig sein können.

Am elektronischen Medikationsplan erleben wir schon heute, wie wichtig es für uns behandelnde Ärztinnen und Ärzte ist, zu sehen, welche Medikamente eingenommen werden und ob Allergien hinterlegt sind. Das ist ein Riesenmehrwert, unter Umständen sogar lebensrettend.

Zahnarzt Carsten Czerny ist überzeugt vom Nutzen der ePA.

Was für ein Fall könnte das sein?

Beispielsweise kann bei der Einnahme eines Antibiotikums oder eines Asthma-Medikaments als Nebenwirkung eine Hefepilz-Infektion im Mundraum entstehen. Wenn ich eine solche Arzneimittelverordnung in der ePA nicht nachvollziehen kann, weil ich für relevante Informationen gesperrt bin, bin ich genauso schlau wie ohne die Akte und doch wieder darauf angewiesen, detailliert nachzufragen.

Welche Erfahrungen mit der ePA haben Sie bislang gemacht?

Vor einiger Zeit habe ich gemeinsam mit meiner Frau die ePA der TK auf ihrem Smartphone eingerichtet. Das Authentifizierungsverfahren war komplex, aber als wir erstmals in die Akte schauten, war der Aha-Effekt groß. Es ist beeindruckend, auf einen Blick zu sehen, welche Ärztinnen und Ärzte sie in den letzten Jahren für welche Behandlung aufgesucht hat. Sehr wertvoll sind auch die Hinweise, welche Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen aktuell anstehen. Das ist ein hervorragender Service und ein Mehrwert für die Nutzerinnen und Nutzer. Auch das Einspielen der Daten in meine Praxissoftware hat technisch absolut problemlos und verblüffend einfach funktioniert.

Wo sehen Sie den größten Nutzen der ePA?

Verloren gegangene oder völlig zerfledderte Zahnbonushefte sind Alltag in meiner Praxis. Daher werden viele meiner Patientinnen und Patienten sicherlich vom digitalen Zahnbonusheft profitieren, das ab diesem Jahr in der ePA gespeichert wird.

Vorteile hat die ePA aber auch in Akutsituationen, wenn beispielsweise im Bereitschaftsdienst Betroffene mit starken Beschwerden zu mir kommen und ich nicht warten kann, bis ich den behandelnden Zahnarzt erreiche. Wenn ich in der Akte nachlesen kann, ob an einem Zahn eine Wurzelbehandlung durchgeführt oder welches System für ein Implantat verwendet wurde, erleichtert mir das die Diagnose. Idealerweise kann ich so eine Röntgenuntersuchung und die damit verbundene Strahlenbelastung vermeiden. Am elektronischen Medikationsplan erleben wir schon heute, wie wichtig es für uns behandelnde Ärztinnen und Ärzte ist, zu sehen, welche Medikamente eingenommen werden und ob Allergien hinterlegt sind. Das ist ein Riesenmehrwert, unter Umständen sogar lebensrettend.

In der elektronischen Patientenakte TK-Safe können unterschiedliche Berechtigungen für verschiedene Dokumente erteilt werden.

Wie wird sich der Informationsaustausch mit anderen Niedergelassenen verändern?

Ich schreibe als niedergelassener Zahnarzt höchst selten Arztbriefe, überweise eher zum Kieferchirurgen. Spannend fände ich es, wenn der Chirurg oder die Chirurgin den Arztbrief künftig direkt in die ePA einspielt.

Was wünschen Sie sich im Zusammenhang mit der ePA?

Es wäre toll, wenn künftig auch die Untersuchungsergebnisse des schulzahnärztlichen Dienstes in die ePA eingespeist würden. Momentan bringen uns die Schülerinnen und Schüler einen Zettel mit einem Hinweis mit in die Praxis, was jeweils geprüft werden muss. Leider geht dieser aber oft verloren und mit ihm alle enthaltenen Informationen. Auch Überweisungen und Aufträge im Rahmen der kieferorthopädischen Behandlung erreichen uns bislang noch in Papierform.

In der ePA stecken große Chancen, das ganze System muss sich aber erst noch einspielen. Die Digitalisierung ist in Deutschland lange stiefmütterlich behandelt worden und im Gesundheitswesen fehlt es uns noch an digitaler Erfahrung. Wir erleben gerade in der Pandemie, wie uns die Digitalisierung – beispielsweise mit Videokonferenzen statt physischen Treffen – ganz massiv das Leben erleichtert. Diese Erfahrung werden wir Medizinerinnen und Mediziner, aber auch die Patientinnen und Patienten mit der ePA machen, weil Zweituntersuchungen oder zusätzliche Telefonate vermieden werden und ein schnellerer Zugang zur Therapie ermöglicht wird.

Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Überweisungen per Onlinebanking, die ich noch hochkompliziert erledigt habe. Heute ist das Onlinebanking, bei dem es ebenfalls um sensible Daten geht, selbstverständlich geworden. So wird es bei der ePA auch kommen. Wir müssen es einfach nur machen.

Zur Person

Carsten Czerny ist seit 1995 niedergelassener Zahnarzt und aufgeschlossen für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Gemeinsam mit seinem Team, zu dem u. a. drei weitere zahnärztliche Kolleginnen gehören, führt er Praxen im Stadtteil Oberzwehren in Kassel sowie in Baunatal-Rengershausen. Zudem ist Carsten Czerny Vorstandsbeauftragter der KZV Hessen für die vertragszahnärztliche Abrechnung.



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1 Kommentar

  • Yoyo

    Die elektronische Patientenakte mit Online banking zu vergleichen, sagt meiner Meinung schon alles…….
    Beim Online Banking werden die Daten später auch nicht via Opt-out-Verfahren automatisch zu Forschungszwecken „gespendet“ bzw. weitergegeben.