Johanna Küther

#eu2020tk: Spielregeln für europaweite Nutzung von Gesundheitsdaten

Wie kann ein einheitliches Verständnis zur Nutzung von Gesundheitsdaten in der EU aussehen? Diese Frage stand im Mittelpunkt des TK-Symposiums EU2020TK. Die Veranstaltung war Teil des assoziierten Programms des Gesundheitsministeriums im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft.

Ein Schwerpunkt des deutschen Vorsitzes ist der Ausbau der digitalen Souveränität der EU. Das betrifft in großem Maße auch den Gesundheitssektor, in dem sich die TK schon lange für digitale Angebote und Lösungen stark macht. Wie also kann ein gemeinsamer europäischer Kodex für die Nutzung von Gesundheitsdaten aussehen? Diese Frage diskutierten Expertinnen und Experten aus Politik und Praxis.

Thomas Ballast begrüßte die Rednerinnen und Redner in der Unternehmenszentrale der TK - und vor den Bildschirmen in Wien, Helsinki, Brüssel und Berlin.

Digitalisierung hört nicht an Staatsgrenzen auf

Aus dem Bundesministerium für Gesundheit hatte sich Gottfried Ludewig, Chef der Abteilung für Digitalisierung des Gesundheitswesens, zugeschaltet. „Corona zeigt, dass das Erkennen von Zusammenhängen ohne die Möglichkeit vernetzter Daten in dieser Geschwindigkeit nicht denkbar wäre“, so Ludewig. Im gleichen Atemzug forderte er einen europäischen Gesundheitsdatenraum. So auch zuvor der stellvertretende TK-Vorstandsvorsitzende Thomas Ballast: „Durch Digitalisierung sind immer mehr Daten verfügbar und für die Forschung nutzbar, jedoch häufig nur auf nationaler Ebene.“ Die Digitalisierung höre jedoch nicht an Staatsgrenzen auf. Deshalb brauche es eine europäische Idee, wie und wofür wir Daten sicher nutzen wollten, fügte Ballast hinzu.

Dass dabei der Datenschutz an oberster Stelle stehe, in diesem Punkt waren sich alle Beteiligten einig. Digitalisierung sei aber nicht nur eine Bedrohung, sondern könne gleichzeitig als Chance für den Datenschutz gesehen werden, so TK-Vorstand Jens Baas. Denn dann könnte jeder selbst über die Nutzung und das Teilen ihrer Daten bestimmen. Dem stimmte auch Claire Bury, stellvertretende EU-Generaldirektorin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der EU-Kommission, zu. Ein europäischer Gesundheitsdatenraum stelle die Kontrolle aller über ihre Daten sicher, so die Vertreterin aus Brüssel.

Finnland arbeitete schon in den 80er Jahren an der Digitalisierung

Wie ein digitalisiertes Gesundheitssystem aussehen kann, stellte Dr. Sari Palojoki vom Ministerium für Soziales und Gesundheit in Helsinki vor. Sie gab einen Überblick über die Services einzelner Akteure des finnischen Gesundheitswesens und deren Vernetzung. Finnland sei heute zwar sehr weit, so Palojoki, habe aber auch konsequent seit den 1980er Jahren an dieser Entwicklung gearbeitet. Für die Digitalisierung eines Systems müssten konsequent kleine Schritte gemacht werden.

Damit traf sie den Nerv von Jens Baas, der sich beim deutschen Streben nach Perfektionismus für Mut aussprach: „Wir müssen auch einfach mal starten.“ Man könne nicht immer warten, bis das Produkt perfekt sei. Der Datenschutz müsse aber immer an erster Stelle stehen. Denn „wir möchten nicht, dass Menschen für Dienste mit ihren Daten bezahlen müssen“, so Baas. Dafür müsse man neben dem amerikanischen und chinesischen Weg der Datenerfassung und -nutzung einen europäischen Mittelweg finden, der auf europäischen Werten und europäischen Vorstellungen des Datenschutzes basiere.

Wir möchten nicht, dass Menschen für Dienste mit ihren Daten bezahlen müssen.

TK-Vorstand Jens Baas

Mit ausreichendem Abstand diskutierten Shari Langemak, Thomas Ballast, Martin Tschirsich und Peter Vullinghs (v.l.n.r.) in Hamburg.

Datennutzung im Spannungsfeld von Datenschutz und ethischer Verpflichtung

Auch Peter Vullinghs, Vorsitzender der Geschäftsführung der Philips GmbH und Market Leader Philips DACH, plädierte für einen europäischen Weg. Gleichzeitig hob er hervor, dass der Datenschutz nicht den Innovationsdrang ausbremsen dürfe. Als Unternehmen wolle man Daten nutzen, um Leistungen und Produkte zu entwickeln und verbessern. Einen Schritt weiter ging Prof. Christiane Wendehorst von der Universität Wien und Co-Sprecherin der Datenethikkommission. Sie sprach sogar von einer „ethischen Verpflichtung“, Daten zu nutzen. Denn nur so könne das beste Schutzniveau und die beste Versorgung ermöglicht, Krankheiten erkannt und bestmöglich behandelt werden.

Martin Tschirsich, Experte für IT-Sicherheit, und Thomas Ballast waren sich abschließend einig darin, dass eine fortschreitende Digitalisierung des Gesundheitssystems nicht ohne das Vertrauen der Anwenderinnen und Anwender gelingen könne. Dafür brauche es Regulierung und Kontrolle. Thomas Ballast fügte hinzu, dass es der Anspruch der TK sei, bestmögliche Versorgung zu leisten. „Wir müssen aber noch Viele überzeugen, wie sinnhaft die Datennutzung dafür sein kann.“



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