TK: Herr Barlen, Sie sind der Kandidat der SPD im Wahlkreis 6: Hanse- und Universitätsstadt Rostock III. Was zeichnet ihren Wahlkreis aus?

Julian Barlen: Mein Wahlkreis ist in Rostock und umfasst vom Szeneviertel mit der Uni über grüne Wohnviertel mit vielen älteren Menschen bis hin zu Eigenheimsiedlungen die ganze Vielfalt des Lebens. Kultur,  Bildung, Sport, Wissenschaft und Wirtschaft sind hier Tür an Tür. Mit der Südstadtklinik, der Uniklinik und nahezu allen Angeboten der ärztlichen, pflegerischen, geburtshilflichen und generell heilkundlichen  Versorgung ist mein Wahlkreis ganz sicher eines der medizinischen Zentren von ganz MV.

TK: Sie verfügen über eine große parlamentarische Erfahrung und sind auch Generalsekretär ihrer Partei. Entsprechend haben Sie schon viele Themen kommen und gehen sehen. Ist die Gesundheitspolitik ihr thematischer Liebling?

Barlen: Als Generalsekretär hat man natürlich nahezu alle politischen Themen zu vertreten. Im Landtag liegt mein Fokus bisher auf der Demokratieförderung, dem Umgang mit dem demografischen Wandel unter Versorgungsgesichtspunkten, der Engagementpolitik und der Gesundheitspolitik. Letztere liegt mir tatsächlich sehr am Herzen, weil die eigene Gesundheit schließlich allen Menschen gleichermaßen viel bedeutet.  Näher am Leben und am Puls kann man politisch kaum arbeiten.

Julian Barlen

Julian Barlen, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD M-V Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Gesundheitspolitischer Sprecher der SPD M-V

TK: Die Erreichbarkeit und die langfristige finanzielle Stabilität unserer Versorgungsstrukturen werden immer herausfordernder. Wünschen Sie sich für die Zukunft der Versorgung besondere Akzente?

Barlen: Genau, uns ist wichtig, die Erreichbarkeit, die Qualität und die langfristige Finanzierbarkeit der Versorgung gleichermaßen sicherzustellen. Das eine funktioniert nicht ohne das andere. Gleichzeitig gibt es sich verändernde Versorgungsbedarfe und einen teilweise ausgeprägten Personalmangel. Unter dem Strich gilt es festzuhalten: Wir brauchen wirklich jede und jeden für die Versorgung und müssen eine bestmögliche Kooperation jenseits starrer Sektorengrenzen und unter Nutzung aller Innovationspotenziale insbesondere im Bereich der Telemedizin sicherstellen.

Das stationäre Finanzierungssystem auf Basis von Pauschalen zeigt bei geringen Fallzahlen und hohen Vorhaltekosten erhebliche Schwächen. In wichtigen Versorgungsbereichen, wie der Geburtshilfe und Pädiatrie, aber auch in Teilen der Grund- und Regelversorgung ist neben dem Mangel an Personal im aktuellen System auch eine strukturelle Unterfinanzierung zu beobachten. Auf der Bundesebene treten wir daher für eine Entwicklung der Vergütung ein, die auch tatsächlich vorhandene Kosten für das Vorhalten von Leistungen stärker berücksichtigt. Eine Berücksichtigung von Kinderkrankenhäusern und Fachabteilungen für Kinder- und Jugendmedizin in der zusätzlichen Finanzierung für bedarfsnotwendige Krankenhäuser im ländlichen Raum, ist ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung. Für die Erreichbarkeit von Versorgungsangeboten ist auch die Mobilität ein wesentlicher Schlüssel. Um den Nahverkehr im ländlichen Raum für alle Generationen attraktiver zu gestalten, werden wir in ein landesweites Rufbussystem investieren. Ziel ist, dass tagsüber in jedem Dorf alle zwei Stunden ein Rufbus telefonisch bestellt werden kann.

TK: Die Enquete-Kommission zur Zukunft der medizinischen Versorgung erarbeitete umfangreiche Handlungsempfehlungen für Mecklenburg-Vorpommern. Wie empfanden Sie die Arbeit des Gremiums?

Barlen: Die Arbeit in der Enquete war von einem starken gemeinsamen Willen aller Akteure geprägt, sich gemeinsam neu aufzumachen, um eine bestmögliche Versorgung zu sichern. Das hat mir gut gefallen und Mut gemacht. Gleichzeitig war natürlich zu erleben, wie innerhalb der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens schon lange gerungen wird und wie dick viele Bretter sind. Aber das Wissen um die Herausforderung ist ja immer wieder der erste Schritt, um sich gemeinsam an die Lösung zu machen. Elf Abgeordnete und zehn Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitsbereich einschließlich der Patientenorganisationen hatten sich in 20 - zumeist digital durchgeführten - Anhörungen und einem umfänglichen Gutachten intensiv mit dem Stand und Perspektiven der medizinischen Versorgung in MV beschäftigt. Die Fraktionen von SPD, CDU und LINKE haben mit ihren jeweiligen Arbeitsgruppen fraktionsübergreifend Handlungsempfehlungen erarbeitet, die Bestandteil des beschlossenen Abschlussberichts sind und sich an alle Akteure im
Gesundheitsbereich richten.

Der Enquetekommission stand rund ein Jahr für ihre Arbeit zur Verfügung. Das ist gerade für das Thema der Gesundheitsversorgung wenig Zeit. Die Zusammenarbeit war aber zwischen den Fraktionen als auch den externen Mitgliedern sehr vertrauensvoll und konstruktiv, sodass am Ende ein Ergebnis erarbeitet wurde, dass sich sehen lassen kann.

TK: Der Abschlussbericht der Enquete-Kommission liefert aus unserer Sicht zahlreiche gute Ideen und Anknüpfungspunkte für eine sichere Gesundheitsversorgung in M-V. Sind aus ihrer Perspektive alle  Handlungsempfehlungen in der nächsten Legislaturperiode umsetzbar?

Barlen: In der Enquete-Kommission "Zukunft der medizinischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern" wurden viele Empfehlungen erarbeitet. Eine flächendeckende medizinische Versorgung wird sich nur durch eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit und den kooperativen Einsatz aller verfügbaren Kräfte sicherstellen lassen. Der Zugang zu ambulanten, pflegerischen und generell allen heilberuflichen Leistungen ist zu verbessern und langfristig zu sichern. Dazu gehören unter anderem: die Stärkung der Patientenbeteiligung, eine bessere sektoren- und trägerübergreifende Zusammenarbeit, der Ausbau von Gesundheitszentren in der Fläche, die Schaffung einer telemedizinischen Plattform, eine konzertierte Aktion für eine gesicherte Geburtshilfe und nicht zuletzt die generell bessere Erreichbarkeit von Gesundheitsangeboten. Wir wollen die Ergebnisse der Enquete-Kommission in unserer zukünftigen Gesundheitspolitik berücksichtigen. Gerade zur Umsetzung der Handlungsempfehlungen empfiehlt die Enquete-Kommission eine Regierungskommission aus Vertreterinnen und Vertretern der Landesregierung, der kommunalen Gebietskörperschaften, der Wissenschaft, der Leistungserbringer, der Kostenträger sowie der organisierten Patientenvertreter zu bilden.

TK: Mecklenburg-Vorpommern beansprucht den Titel "Gesundheitsland Nummer Eins" für sich. Wird das Bundesland diesem Anspruch aus ihrer Sicht gerecht?

Barlen: Unser gemeinsames Ziel ist und bleibt eine qualitativ hochwertige und zugleich erreichbare medizinische Versorgung. Alle Menschen in MV haben ein Recht auf erreichbare und ebenso qualitativ  hochwertige medizinische Angebote. Dieses Ziel in allen Regionen zu erreichen, ist angesichts des demographischen Wandels, der Fachkräftesituation, des rasanten Fortschritts der Spitzenmedizin und Digitalisierung eine echte Herausforderung für unser Land. Dieser Herausforderung stellen wir uns! Sie lässt sich nur meistern, wenn alle Ärztinnen und Ärzte - egal, ob in der Praxis vor Ort oder im Krankenhaus -, alle Pflegerinnen und Pfleger, alle Heilberufe, alle Betreiberinnen und Betreiber von Krankenhäusern, Rehakliniken und Rettungsdiensten, alle Krankenkassen und sonstigen Kostenträger, alle Landkreise, Städte und Gemeinden, Wissenschaft und Versorgungsforschung gemeinsam mit dem Land MV zusammenarbeiten, kurz: Wenn alle an der medizinischen Versorgung Beteiligten an einem Strang ziehen. Und zwar alle in dieselbe Richtung einer integrierten, auf das Wohl der Patientinnen und Patienten ausgerichteten Versorgung. So wird es uns gelingen, Gesundheitsland zu bleiben.

TK: Welche Entwicklungsfelder und Chancen sehen Sie für die Gesundheitswirtschaft und das Gesundheitswesen in Mecklenburg-Vorpommern?

Barlen: Die Gesundheitswirtschaft ist eine Erfolgsbranche in Mecklenburg-Vorpommern. Rund 15 Prozent der Bruttowertschöpfung Mecklenburg-Vorpommerns werden in dieser Branche erarbeitet. Dem Land ist es gelungen, für eine enge Verzahnung der klassischen Gesundheitsversorgung und der weiteren Bereiche der Gesundheitswirtschaft zu sorgen. Die SPD setzt daher weiter auf das Kuratorium für  Gesundheitswirtschaft als Beratungsgremium der Landesregierung und unterstützt die Entwicklung und Umsetzung des Masterplanes Gesundheitswirtschaft 2030. Schwerpunkte dabei sind:

  1. die gezielte Weiterentwicklung des Life Science-Sektors mit dem Arbeitsfeld Bioökonomie,
  2. Gesundheitsdienstleistungen in den Bereichen Prävention, Rehabilitation und Medizin,
  3. das Kernthema "Gesundes Alter(n)",
  4. der Gesundheitstourismus mit dem Ziel Erholung und Genesung sowie
  5. Ernährung für die Gesundheit.

Deshalb ist es konsequent, die Arbeit der BioConValley® GmbH im Rahmen der Zukunftsagentur MV zu institutionalisieren.