Die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung in ländlichen Regionen wird immer herausfordernder. Die Universitätsmedizin Greifswald übernimmt als einer von zwei Maximalversorgern in der Region eine besondere Verantwortung. Im Interview erfahren Sie, wie die Universitätsklinik Greifswald Versorgungsverantwortung und Innovationskraft miteinander verbindet.

TK: Herr Prof. Dr. Reuter, Sie sind seit fast einem Jahr ärztlicher Vorstand und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Greifswald. Sie blicken auf eine lange und erfolgreiche Karriere an der Berliner Charité zurück. Was reizte Sie an der "Herausforderung" Universitätsklinik in Vorpommern?

Prof. Dr. Uwe Reuter: Da die Universitätsmedizin Greifswald ein kleineres Haus ist mit etwa 1000 Betten, ist sie sehr beweglich. So können Aufgaben schnell und flexibel angegangen werden. Einige der Herausforderungen der UMG werden sich anderen Krankenhäusern in den nächsten Jahren ebenfalls stellen, auch großen Universitätsmedizinen. Denken Sie nur an den demografischen Wandel: Die Gesellschaft wird überall älter. In Vorpommern ist das bereits der Ist-Zustand. Wir arbeiten jetzt an Konzepten für die Zukunft, die andere später aufgreifen werden. Davon bin ich überzeugt. Daneben erfolgt gerade ein Generationenwechsel der Klinikleitungen an der UMG, die in einer Aufbruchstimmung resultiert und die Spezialisierung auf komplexe und schwere Erkrankungen vorantreibt. Es ist eine große Freude und spannende Aufgabe an der strategischen Ausrichtung der UMG mitarbeiten zu können. 

TK: Sie sind in einer besonders herausfordernden Zeit - während der Sars-CoV-2-Pandemie - an die UMG gewechselt. Konnten Sie bereits Themenbereiche fernab von Corona angehen und welche Veränderungen an der UMG stehen bei Ihnen für die kommenden Jahre auf der Agenda?

Prof. Dr. Reuter: Auch wenn die Pandemie den Alltag in vielen Beziehungen prägt, arbeiten wir trotzdem parallel an der dauerhaften Weiterentwicklung unserer Unimedizin. Eine unserer ganz großen Baustellen ist die Versorgung der Bevölkerung auf dem Land. Wir leben nun einmal in einer dünn besiedelten Region. Doch auch hier muss es uns gelingen, alle Menschen von den Erfolgen des medizinischen Fortschritts profitieren zu lassen. Zudem ist die medizinische Versorgung von Kindern mit leichten, aber vor allem schweren und seltenen Erkrankungen eine wichtige Aufgabe, die wir sichern müssen. Die Implementierung des medizinischen Fortschritts gerade in der Tumortherapie steht ebenfalls ganz oben auf unserer Aufgabenliste.

TK: Ist das einer der Aspekte, die aus Ihrer Sicht besonders zügig angegangen werden müssen, damit die Versorgung im östlichen Landesteil auch zukünftig allerorts hochwertig bleibt?

Prof. Dr. Reuter: Ganz genau! Daran arbeiten wir intensiv. Ich denke da beispielsweise an den Transport von Defibrillatoren oder Blutkonserven mit Drohnen, so etwas testen wir und begleiten es wissenschaftlich. Ich denke auch an die Telemedizin. Spezialistinnen und Spezialisten können Ärztinnen und Ärzte vor Ort auf diese Weise unterstützen. Oder unsere aktuelle Studie zu speziell geschulten Pflegekräften, die ausgewählte ärztliche Aufgaben übernehmen. So werden diese entlastet. 

TK: Kann bzw. möchte die Universitätsmedizin Greifswald in Zukunft noch mehr Versorgungsverantwortung in Vorpommern übernehmen?

Prof. Dr. Reuter: Sie deuten das ganz richtig: Ja, das können und das wollen wir. Wie das in ein paar Jahren konkret aussehen wird, kann ich Ihnen noch nicht sagen. Hier sind wir gerade in der internen Diskussion welche Modelle die besten sind. Diese müssen im Anschluss mit allen Beteiligten erörtert und dann schrittweise umgesetzt werden. Ich denke, dass wir uns in zwei Jahren nochmal sehr konkret über das Thema unterhalten können.

TK: Der Fachkräftemangel wird in Mecklenburg-Vorpommern oft diskutiert. Als Universitätsklinik haben Sie vermeintlich unerschöpflichen Zugang zu neuen Medizinerinnen und Medizinern. Spüren Sie überhaupt personelle Engpässe?

Prof. Dr. Reuter: Ich kenne weder ein Bundesland noch ein einzelnes Krankenhaus in Deutschland, in dem der Fachkräftemangel nicht diskutiert wird. Unbesetzte Stellen in der Pflege sind überall ein Problem, fehlende Assistenz- und Fachärztinnen und Fachärzte in vielen Disziplinen ebenfalls. Das geht uns ebenso. Natürlich versuchen wir, unsere Studierenden nach ihrem Abschluss zu halten. Das gelingt auch häufig. Aber manche planen schon lange vor dem Abschluss, entweder in eine Großstadt wie Berlin oder Hamburg zu gehen oder es zieht sie in ihre jeweilige Heimat zurück. Dennoch haben wir als Universitätsklinik sicher einen geringen Vorteil gegenüber anderen kleineren Häusern in M-V.

TK: Die tägliche Arbeit in verantwortender Position an einer Universitätsklinik ist sicher herausfordernd. Gestatten Sie unseren Leserinnen und Lesern einen kleinen privaten Einblick. Wie finden Sie Entspannung vom Arbeitsalltag als Vorstandsvorsitzender und ärztlicher Vorstand? 

Prof. Dr. Reuter: Für mich ist Sport ein Ausgleich. Hierzu gehört im Sommer Beachvolleyball im Team und Laufen. Im Winter fahre ich seit vielen Jahren mit einer Gruppe von Freunden Ski. Daneben freue ich mich über regelmäßige Konzertbesuche in der Philharmonie in Berlin, da ich dort ein Abonnement habe.  

TK: Vielen Dank für das Interview!

Zur Person

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Prof. Dr. Uwe Reuter, ärztlicher Vorstand und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Greifswald

Prof. Dr. Uwe Reuter ist seit 2021 Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Greifswald. Zuvor führten die beruflichen Wege den Facharzt für Neurologie unter anderem an die Berliner Charité und das Massachusetts General Hospital in Boston. Zuletzt widmete sich Prof. Dr. Reuter in Berlin intensiv Managementaufgaben. Er fungierte dabei als geschäftsführender Medizinischer Leiter der Kliniken für Frauen-, Kinder- und Jugendmedizin mit Perinatalzentrum und Humangenetik. Außerdem führte er das Centrum für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie.