Medizinfehler sind für die Betroffenen eine Tragödie. Nicht nur für die Patientinnen und Patienten, die geschädigt wurden, sondern auch für deren Angehörige. Medizinfehler sind aber auch eine Belastung für die Ärztinnen und Ärzte, die den Fehler eventuell verursacht haben. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass die Art und Weise, wie wir mit Fehlern in der medizinischen Behandlung umgehen, weitere Opfer hervorbringt.

Nerven liegen blank

Warum? Die Verfahren um Behandlungsfehlervorwürfe dauern lange - bei Geburtsfehlern im Schnitt zehn Jahre. Die Sachverhalte sind meistens hochstrittig - alle Beteiligten blockieren häufig und gehen in Deckung, weil sie befürchten, dass das offene Gespräch mit den Betroffenen persönliche Nachteile für einen selbst bringen könnte. Es werden zahlreiche Gutachten erstellt, die Kosten für das Verfahren werden immer höher und letztendlich liegen die Nerven bei allen Beteiligten blank.

Sicherheit in der Versorgung

Somit hemmt das jetzige Verfahren einen offenen Umgang mit möglichen Fehlern und verhindert so eine Kultur, in der wir aus unerwünschten und vermeidbaren Ereignissen lernen und damit die Sicherheit in der Versorgung in der Zukunft systematisch ausbauen. Wir brauchen daher dringend einen so genannten Patientenentschädigungs- und Härtefallfonds.

Hardy Müller

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Beauftragter für Patientensicherheit der Techniker Krankenkasse

Was ist das? Dazu gibt es unterschiedliche Vorstellungen, wie die konkrete Ausgestaltung letztlich aussieht, muss ausgehandelt werden. Wie ein Härtefallfonds aus unserer Sicht aussehen kann und welche Vorteile er bringt, möchte ich hier einmal erläutern. 

  1. Welche Fälle sollen über einen Härtefallfonds entschädigt werden? Fälle, die sozial bedeutsam sind und die die Existenz der Betroffenen oder Angehörigen bedrohen. Beispielsweise Eltern, deren Kind aufgrund eines Geburtsfehlers schwer behindert ist. Sie benötigen unter anderem schnell eine Haushaltshilfe und finanzielle Unterstützung, weil sie vielleicht nicht mehr arbeiten können. Oder zum Beispiel Patientinnen und Patienten, die aufgrund des Behandlungsfehlers sterben werden.   
  2. Wer soll über den Härtefallfonds bestimmen? Eine interdisziplinäre Entschädigungskommission sollte bezüglich der zu entschädigenden Fälle sowie über die Verwendung der Gelder entscheiden. Als Rechtsform bietet sich eine bundesunmittelbare Stiftung an, deren Finanzierung und Verwaltung durch den Bund erfolgen könnte. 
  3. Wie viel Geld muss für den Härtefallfonds zur Verfügung gestellt werden? Und von wem? Das kann man bei Einführung des Fonds nicht genau sagen, Expertinnen und Experten gehen von 300 Millionen Euro pro Jahr aus. Die konkrete Ausgestaltung sollte aus unserer Sicht im Rahmen einer zehnjährigen Erprobungsphase evaluiert und entsprechend angepasst werden. Mit einer begleitenden Evaluation können alle relevanten Daten erhoben werden, bevor er dauerhaft für alle Sektoren übernommen werden kann. Wir sind außerdem der Meinung, dass alle in den Härtefallfonds gleichermaßen einzahlen sollten - sowohl die Leistungserbringer als auch die Versicherungen. Schließlich profitieren alle Seiten wie bereits beschrieben von dem Fonds, weil er die oben benannten Belastungen erst einmal abfedert. Die Zahlungen sollten auf 100.000 bis 200.000 Euro pro Fall gedeckelt werden. 
  4. Würde der Fonds nicht zu einer Umkehr der Beweislast führen? Nein, denn das versicherungsrechtliche Verfahren bezüglich der einzelnen Fälle wird dadurch nicht ausgehebelt. Der Fonds tritt subsidiär neben die bestehende Arzthaftung und entlastet schwer Betroffene auf schnelle Art und Weise. Das System entbindet niemanden von seiner Pflicht, den Fehler zu beweisen bzw. zu widerlegen und dafür zu haften.

Offene Fehlerkultur

Natürlich bedarf die konkrete rechtliche Ausgestaltung weiterer fachlicher Diskussion zur Finalisierung einer leistungsfähigen Konzeption. Ein Eckpunkt ist aus meiner Sicht, dass der Patiententschädigungs- und Härtefallfonds das persönliche Schicksal der Betroffenen aufgreift und die Belastung der Beteiligten deutlich unbürokratisch und schnell reduziert. Nur so kann im medizinischen Bereich eine offene Fehlerkultur etabliert werden, die alle miteinbezieht und nicht ausschließlich nach dem Schuldigen sucht. Eine offene Kommunikation hilft, weitere Fehler zu vermeiden und kann so die Patientensicherheit in unserem Gesundheitswesen stärken. Diese Bemühungen schulden wir den Beschäftigten im Gesundheitswesen und nicht zuletzt den Versicherten.

Weitere Informationen zum Thema Patientensicherheit  gibt es auf der TK-Webseite.