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Hamburg Hamburgs Gesundheitssenatorin

Wenn die Corona-Krise den Ruhestand verhindert

Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz in Hamburg Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz in Hamburg
Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz in Hamburg
Quelle: dpa/Christian Charisius
Eigentlich will sich Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks aus der Politik verabschieden. Doch die Corona-Krise verändert nun auch ihr Leben. Für Hamburg ist dies eine gute Nachricht.

Es ist jetzt fast genau einen Monat her, dass Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) mit der Nachricht überraschte, in der neuen Legislaturperiode nicht mehr als Gesundheitssenatorin antreten zu wollen. Sie wolle mit fast 64 Jahren ihrem Mann, der als Anästhesist in Dortmund ein Jahr zuvor in Rente gegangen ist, in den Ruhestand folgen. Es wäre das Ende einer Ehe auf Distanz gewesen, vielleicht verbunden mit einem Umzug zurück ins Ruhrgebiet, in ihre alte Heimat.

Und Prüfer-Storcks, eine der profiliertesten Gesundheitspolitiker Deutschlands, zeigte sich fast schon erleichtert: Sie habe sich immer gewünscht, selbstbestimmt aufzuhören und nicht zu einem Rücktritt gedrängt zu werden.

Das war am 25. Februar. Zwei Tage später hatte das Coronavirus Hamburg erreicht – und nichts war mehr, wie es war, auch nicht für die Senatorin.

Statt in aller Privatheit die Früchte eines erfüllten Politikerinnenlebens zu ernten, wuchs vor ihr über Nacht eine Dornenhecke, die sie bis heute am geplanten Absprung hindert. Mehr noch: Cornelia Prüfer-Storcks befindet sich ohne eigenes Zutun inmitten der größten Krise ihrer seit neun Jahren währenden Amtszeit. Selbst der Ehec-Ausbruch, den sie 2011 nur wenige Tage nach ihrer Ernennung zur Senatorin zu managen hatte, sei nicht vergleichbar gewesen, sagt Prüfer-Storcks heute: „Die Ehec-Krise war herausfordernd, beschränkte sich aber weitgehend auf das Gesundheitswesen und die Lebensmittelkontrolle. Die Corona-Krise ist ungleich größer und hat alle politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche erfasst.“

Ich zähle das nicht in Stunden, ich bin immer im Dienst. Ziehen Sie ein paar Stunden Schlaf ab.
Cornelia Prüfer-Storcks, Gesundheitssenatorin Hamburgs

Wer sie in diesen Tagen als Journalist um Antworten bittet, muss Geduld mitbringen. Die gesamte Behörde sowie die Gesundheitsämter rotieren derzeit in Höchstgeschwindigkeit. „Ich tue alles, um unseren hoch qualifizierten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Unterstützung, Orientierung und den politischen Rückhalt zu geben, ihre Arbeit gut zu tun“, schreibt sie drei Tage später per E-Mail. Wie viele Stunden sie derzeit arbeite? „Ich zähle das nicht in Stunden, ich bin immer im Dienst. Ziehen Sie ein paar Stunden Schlaf ab.“

Es ist das Gegenteil von Ruhestand. An den denke sie derzeit ohnehin nicht: „Ich konzentriere mich in dieser schwierigen Zeit mit ganzer Kraft auf meine täglichen Aufgaben. Persönliche Planungen sind im Moment ohnehin vollkommen sinnlos.“

Für Hamburg ist dies eine gute Nachricht. Kaum vorstellbar, wie ein Neuling in diesem Amt diese gewaltige Aufgabe bewältigen sollte. Cornelia Prüfer-Storcks kennt die Stellschrauben, an denen es nun zu drehen gilt, und die Menschen, die für diese verantwortlich sind. Um genügend Kapazitäten für Covid-19-Patienten freizuhalten, verpflichtete sie die Hamburger Krankenhäuser, planbare Operationen oder Behandlungen zu verschieben. Gleichzeitig soll dies nicht zulasten der Kliniken gehen: Der Senat hat bereits Prüfer-Storcks‘ Forderung nach zusätzlichen finanziellen Mitteln entsprochen. Das Geld soll dann für den Kauf von Beatmungsgeräten und Schutzkleidung sowie die Reservierung von Betten genutzt werden.

Gerade mit Blick auf die zur Verfügung stehenden Betten sieht die Senatorin Hamburg gut aufgestellt: „Im Verhältnis zur Einwohnerzahl haben wir in Deutschland fast dreimal so viele Intensivbetten wie Italien. In Hamburg sind wir mit 12.500 Krankenhausbetten und etwa 640 Intensivbetten mit Beatmung, zusätzlich 100 für Kinder, besonders gut ausgestattet. Wir streben eine Verdoppelung der Intensivbetten für die Versorgung der Covid-19-Kranken an.“ Dafür brauche es aber zusätzliche Beatmungsgeräte.

Die Hamburger Krankenhäuser, so heißt es aus der Behörde, haben bereits mehr als 100 erworben, der Bund beschafft zusätzlich zentral. Zur selben Zeit bereiten sich Ärzte und Pflegekräfte auf einen rasanten Zuwachs an Intensivpatienten vor: So wird unter anderem das Pflegepersonal an Beatmungsgeräten trainiert. Es sind womöglich lebenswichtige Übungstage, Tage, die Italien oder Spanien nicht zur Verfügung standen – mit verheerenden Folgen.

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Doch so gut das Krisenmanagement zu funktionieren scheint, so schlecht steht Hamburg bei den Fallzahlen da: Die Hansestadt ist nach wie vor unter den Bundesländern ein Epizentrum der Epidemie. Mit 92 Fällen pro 100.000 Einwohnern ist die Dichte hier besonders hoch. Zum Vergleich: In Bremen und Niedersachsen sind es aktuell nur jeweils 35 Fälle.

Als Beleg, dass sie persönlich Fehler gemacht habe, lässt Cornelia Prüfer-Storcks das nicht gelten: „Die Empfehlungen der Wissenschaft, der Bundesregierung und die Vereinbarungen der Ministerpräsidentenkonferenz hat Hamburg stets sehr zügig umgesetzt, teilweise im Vorgriff.“ Immerhin steigen die Fallzahlen derzeit linear, nicht exponentiell. Von Donnerstag auf Freitag wuchs die Zahl der Erkrankten um 145 auf 1759 Fälle an. Davon befinden sich derzeit 104 Personen in stationärer Behandlung, davon wiederum werden 31 Personen intensivmedizinisch betreut.

Und welches war Ihre größte Herausforderung in der Krise, Frau Senatorin? „Ich glaube, die haben wir noch vor uns.“ Ein Ende, soll das heißen, ist noch lange nicht in Sicht – weder für die Stadt und ihre Bürger noch für sie persönlich.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

Quelle: WELT AM SONNTAG

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