Essen. Im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen an den Unikliniken bringt Verdi einen unbefristeten Streik ins Gespräch. Beschäftigte fordern Entlastung

Die Beschäftigten an den Unikliniken in NRW arbeiten inzwischen offenbar unter so einer hohen Belastung, dass die Gewerkschaft Verdi offen mit einem unbefristeten Streik droht. Das Personal müsse dringend entlastet werden, sagte Verdi-Landeschefin Gabriele Schmidt dieser Redaktion. „Es geht nicht um mehr Geld, sondern um die pure Not der Beschäftigten, ihre Beruf ausüben zu können und das möglichst auch noch bis zur Rente“, so Schmidt. „Das ist ein Notruf aus NRW.“ Gewerkschaftssekretär Jan von Hagen ergänzt: „Wenn es bis zum Mai nicht zu ernsthaften Tarifverhandlungen kommt, werden die Streiks voraussichtlich schnell deutlich ausgeweitet werden.“

Anders als bei den bundesweiten Tarifauseinandersetzungen 2021 über höhere Löhne will Verdi NRW mit dem Arbeitgeberverband des Landes NRW nun einen Tarifvertrag über konkrete Entlastungsmaßnahmen für das Uniklinik-Personal verhandeln. Bislang gibt es solche Verträge an 16 deutschen Kliniken. Beschäftigte in NRW und Verdi haben im Januar ein 100 Tage Ultimatum bis 1. Mai gestellt.

Beschäftigte stellten Ultimatum - nach 81 Tagen noch keine Antwort

81 Tage lang habe es keine Antwort vom Arbeitgeberverband des Landes gegeben, so Schmidt: „Die Beschäftigten sind sehr enttäuscht und bereit, mehr zu tun, um ihre Interessen durchzusetzen“, sagte die Gewerkschaftschefin.

Verdi hatte zunächst zu einem zweitägigen Warnstreik aufgerufen. Am gestrigen Dienstag haben sich laut Gewerkschaft rund 700 Beschäftigte der sechs Unikliniken beteiligt. In Oberhausen findet noch bis Mittwoch ein zentrales Treffen statt, bei dem über den angedrohten unbefristeten Streik diskutiert wird.

Uniklinik Köln: OP-Programm um zwei Drittel heruntergefahren

Die Unikliniken berichten von unterschiedlich starken Auswirkungen des Warnstreiks. Die Uniklinik Köln hat ihr OP-Programm um rund zwei Drittel heruntergefahren. Nur 18 von sonst 42 OP-Sälen seien in Betrieb. Zahlreiche geplante Operationen, die teilweise auch schon Nachholtermine aufgrund des OP-Staus durch die Pandemie waren, mussten verschoben werden. An der Uniklinik Bonn indes ist nicht eine OP abgesagt worden.

Am Uniklinikum Essen sind die Auswirkungen bislang eher moderat, wobei einige Patienten erhebliche Beeinträchtigungen hinnehmen mussten. Geplante Operationen und ambulante Termine seien abgesagt worden, heißt es aus Essen. In Düsseldorf spricht man von vereinzelten Einschränkungen in der Patientenversorgung.

Beschäftigte fordern Personalschlüssel und höhere Ausbildungsqualität

Den Beschäftigten geht es konkret um feste Personalschlüssel je Station, die über bestehende gesetzliche Standards hinaus gehen. Zudem sollten Betroffene, die in unterbesetzten Schichten gearbeitet haben, Entlastungspunkte sammeln können. Auch die Ausbildung müsse verbessert werden. Azubis würden ohne Praxisanleitung in der Grundversorgung von Patientinnen und Patienten eingesetzt, immer mehr brechen ihre Lehre ab, kritisierte Gewerkschaftssekretär von Hagen. Dass der Arbeitgeberverband des Landes NRW Verhandlungen bislang ablehne, bezeichnete er als „Schlag ins Gesicht der Beschäftigten“.

Am Dienstagnachmittag fand ein Treffen mit Delegierten der Streikenden, dem NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) statt. Minister Laumann sprach am Abend von einem guten Gespräch, das zeitnah vorgesetzt werden solle. Ein Statement des NRW-Finanzministeriums, das für den Arbeitgeberverband des Landes spricht, blieb aus. NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper ist der Vorsitzende des Arbeitgeberverbands.

Im Vorfeld soll die NRW-Landesregierung auf Hürden beim geforderten Tarifvertrag verwiesen haben. Würde der Arbeitgeberverband der Länder Tarifverhandlungen aufnehmen, komme das einem Ausschluss aus der Tarifgemeinschaft der Länder gleich, so die Lesart.