Florian Zinnecker © Maria Feck für DIE ZEIT

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich weiß nicht genau, wie lange meine Kollegin Hanna Grabbe recherchierte, und auch nicht, ob es klug wäre, dies hier öffentlich zu machen. Sagen wir: Es waren sehr viele Wochen. Zentrum ihrer Recherche war das Mariahilf-Krankenhaus in Harburg. "Es gibt idyllischere Orte, um ein Baby zu bekommen", schreibt sie. "Doch wer in Hamburg südlich der Elbe wohnt, hat kaum eine andere Wahl." Damit Mütter und Kinder bestmöglich betreut werden, sind Geburtshilfekliniken in Deutschland in vier verschiedene Versorgungsklassen eingeteilt. Das Mariahilf-Krankenhaus gehörte der zweithöchsten an – obwohl, wie Hanna Grabbe recherchierte, die dafür nötigen Auflagen teils schon seit 2017 nicht mehr erfüllt wurden.

Schon bevor ihr Text veröffentlicht war, schlug die Recherche – die, wie gesagt, sehr viele Wochen dauerte – einige Wellen. Aus guten Gründen, die Sache ist ja keine Kleinigkeit. Am Tag, als wir die Seite mit dem Text in die Druckerei schicken wollten, flatterte die Einladung zu einer Pressekonferenz in die Redaktion: Die Gesundheitsbehörde wolle zum Thema Geburten in Hamburg informieren, und zwar: einen Tag vor Erscheinen des Textes. In solchen Momenten bekommt man als Journalist zwangsläufig ein blödes und leider hartnäckiges Ziehen im Magen. 

Dann kam der Tag der Pressekonferenz, er war gestern. Die Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) kündigte ein Maßnahmenpaket an, künftig etwa solle nicht nur jede zweite, sondern möglichst jede Schwangere in Hamburg die Chance haben, von einer Hebamme umfassend betreut zu werden. Dies sei Teil des Aktionsplans "Gesunde Geburt Hamburg". Außerdem solle die Kaiserschnitt-Rate sinken, konkrete Maßnahmen sollen im Sommer feststehen. Gute Nachrichten, sehr gute sogar. Zum Mariahilf-Krankenhaus: kein Wort.

Und heute ist der Tag, an dem – im neuen Hamburg-Teil der ZEIT – Hanna Grabbes Text erscheint. Im Kern in der Tat mit nicht so guten Nachrichten. Aber die meisten Probleme sind einander ähnlich: Erst wenn sie erkannt sind, kann man sie lösen. Sie finden den Text im Thema des Tages.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Donnerstag!

Ihr Florian Zinnecker

PS: Gestern haben wir berichtet, die AfD-Bürgerschaftsfraktion befürworte nicht den Wiederaufbau der Bornplatz-Synagoge. Das ist nicht korrekt: Die Fraktion ist ebenfalls für den Wiederaufbau, jedoch am entsprechenden Antrag nicht beteiligt gewesen.

Wollen Sie uns Ihre Meinung sagen, wissen Sie etwas, worüber wir berichten sollten? Schreiben Sie uns eine E-Mail an hamburg@zeit.de

WAS HEUTE WICHTIG IST

Das Reparaturdock 10 von Blohm+Voss gegenüber von Landungsbrücken und Fischmarkt wird mit einer transparenten Hallenkonstruktion ummantelt. Mit der Einhausung des 287 Meter langen Schwimmdocks nach einem Entwurf des Stuttgarter Architekten Werner Sobek investiert das Bremer Mutterhaus Lürssen mehr als 13 Millionen Euro in die Modernisierung der Dockinfrastruktur.

Aktivisten der Umweltschutzorganisation Extinction Rebellion haben am Mittwoch in der Hamburgischen Bürgerschaft Transparente mit Slogans wie "Der Countdown läuft" und "Paris gilt auch in Hamburg" entrollt. Sie kritisierten damit die Neufassung des Hamburger Klimaplans als unzulänglich, der ihrer Ansicht nach nicht mit den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens übereinstimme.

Die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts Birgit Voßkühler ist von der Bürgerschaft zur neuen Präsidentin des Verfassungsgerichts gewählt worden. Sie erhielt 96 von 107 gültigen Stimmen. Voßkühler ist die erste Frau in dieser Position, sie folgt auf Friedrich-Joachim Mehmel, Präsident des Oberverwaltungsgerichts, der in den Ruhestand tritt.

In aller Kürze

Weil er bei der Verfolgung eines flüchtigen Sexualstraftäters einen Fußgänger überfahren hatte, ist ein Polizist zu einer Geldstrafe verurteilt worden – er war zu schnell unterwegs, urteilte das Gericht • Nach dem Zusammenstoß mit einem Auto in Groß-Borstel schwebt ein 53-jähriger Fahrradfahrer in Lebensgefahr • Schulsenator Ties Rabe (SPD) stellt am Mittag den aktuellen Stand zum Türkischunterricht an Hamburger Schulen vor  • Sechs Filme aus Hamburg und Schleswig-Holstein sind im Programm der Berlinale zu sehen; der in der Hansestadt lebende Regisseur Mohammad Rasoulof kann sich mit "Es gibt kein Böses" sogar Hoffnung auf einen Goldenen Bären machen • Im Hamburger Stadthaus erinnert seit Mittwoch eine Dauerausstellung an die Zentrale des nationalsozialistischen Terrors im Norden – während der nationalsozialistischen Herrschaft waren im Gebäudekomplex am Neuen Wall/Stadthausbrücke das Polizeipräsidium sowie die norddeutschen Leitstellen von Kriminalpolizei und Gestapo untergebracht

THEMA DES TAGES

Schwere Geburt

Im vergangenen Jahr sind in Hamburg mehr als 25.000 Kinder zur Welt gekommen – nicht wenige im Mariahilf-Krankenhaus in Harburg. Die Klinik soll zum Vorzeige-Krankenhaus für Entbindungen werden, spezialisiert auf Frühgeburten und andere heikle Fälle. Doch es gibt Komplikationen, berichtet Hanna Grabbe im heute erscheinenden Hamburg-Teil der ZEIT. Lesen Sie hier einen Auszug ihres Textes.

Ein regnerischer Mittwochabend im Januar. Der Nebenraum der Cafeteria des Helios-Klinikums Mariahilf füllt sich mit jungen Paaren, bei vielen der Frauen wölbt sich der Bauch. Unter der riesigen Fensterfront tost der Feierabendverkehr auf der vierspurigen B 73 vorbei, auf der gegenüberliegenden Straßenseite leuchtet der Schriftzug einer Fast-Food-Kette. Es gibt idyllischere Orte, um ein Baby zu bekommen. Doch wer in Hamburg südlich der Elbe wohnt, hat kaum eine andere Wahl, die Mariahilf Klinik im Bezirk Harburg ist die einzige Geburtsklinik im Hamburger Süden. Nördlich der Elbe gibt es zehn. Doch dafür gilt die Klinik als besonders gut auf Frühchen und Risikoschwangerschaften eingestellt.

Kurz darauf begrüßt der leitende Oberarzt die Gäste. Er erzählt, dass erst vor Kurzem die Frühchenstation ausgebaut wurde. Derzeit könnten Frauen von der 32. Schwangerschaftswoche an im Mariahilf gebären, sagt der Oberarzt. Man muss sich ein wenig mit dem deutschen Geburtshilfesystem und auch mit diesem Krankenhaus beschäftigt haben, um bei diesem Satz hellhörig zu werden.

Damit Gebärende und Neugeborene so gut wie möglich betreut werden, sind deutsche Geburtskliniken in vier unterschiedliche Versorgungsstufen eingeteilt: Die aufwendigste Versorgung bekommen Frühchen und Risikoschwangere in einem sogenannten Perinatalzentrum Level 1, dort können Babys, die vor der 29. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen oder weniger als 1250 Gramm wiegen, versorgt werden. Es folgt das Perinatalzentrum Level 2 für Frühchen von der 29. Woche an. Krankenhäuser mit einem perinatalen Schwerpunkt dürfen Babys ab der 32. Woche betreuen. Und schließlich gibt es die ganz normalen Geburtskliniken für Gebärende, bei denen keine Komplikation zu erwarten ist.

Jede dieser Kliniken muss zahlreiche unterschiedliche Anforderungen erfüllen. In Hamburg durften sich bislang sieben von elf Geburtskliniken Perinatalzentrum nennen, auch die Mariahilf Klinik. Das Label garantiert den Krankenhäusern zum einen eine lukrative Vergütung, da die Krankenkassen für die hohen Standards gut bezahlen. Zum anderen ist es eine Art Gütesiegel, mit dem die Kliniken um Schwangere werben, weil selbst Frauen ohne Risiko oft lieber in einer High-End-Klinik gebären. "Als Perinatalzentrum Level 2 möchten wir Sie bestmöglich betreuen", so stand es bis vor Kurzem auf der Website des Mariahilf. Es bedeutet, dass dort bereits Frühchen von der 29. Woche an versorgt werden können. Eigentlich.

Recherchen der ZEIT haben ergeben, dass das Mariahilf die hohen Standards eines Perinatalzentrums derzeit nicht erfüllt – und teils auch rückblickend bis in das Jahr 2017 nicht erfüllt hat. Die Klinikleitung bestätigt dies.

Deshalb ist auf den Eltern-Informationsabenden nun plötzlich von der 32. statt von der 29. Woche die Rede. Früher geborene Frühchen darf die Klinik nicht mehr behandeln, seit im November vergangenen Jahres eine Prüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) Mängel bei den Qualitätsanforderungen aufdeckte. Breiter kommuniziert wurde das aber nicht. Bis die ZEIT den Klinikkonzern mit ihren Recherchen konfrontierte, gab sich das Klinikum auf der Website als Perinatalzentrum Level 2 aus. Mit Risikoschwangeren sei man ohnehin im engen Austausch, weshalb man das Thema im direkten Gespräch behandele, heißt es seitens der Klinik.

Aus welchen Gründen die Klinik eine entscheidende Qualitätsprüfung nicht bestand, warum ein fünf Millionen Euro teurer Umbau der Frühchenstation nicht weiterhilft, welche wirtschaftlichen Folgen die Entwicklung für die Klinik hat und welche Rolle dabei ein tragischer Unglücksfall spielt, lesen Sie im heute erscheinenden Hamburg-Teil der ZEIT oder hier auf ZEIT ONLINE.

DER SATZ

© Timm Schamberger/​dpa

"Der Weg von Bakery Jatta ist ein beeindruckendes Beispiel für gelungene Integration. Ich habe großen Respekt vor seinem Werdegang und bedauere sehr, welcher Situation er sich aufgrund der Vorwürfe gegen ihn ausgesetzt sah."

Robert Palikuća, Sportvorstand des 1. FC Nürnberg

Diese Sätze aus dem Munde von Robert Palikuća waren nicht unbedingt zu erwarten. Aber von vorn: Heute Abend trifft der Hamburger SV im Volksparkstadion auf die Mannschaft des 1. FC Nürnberg. Das Hinspiel im Sommer ging für die Nürnberger mit 0:4 verloren, wurde allerdings schnell durch die Berichte über eine möglicherweise falsche Identität des Hamburger Spielers Bakery Jatta überschattet. Befeuert wurde die Debatte von Palikuća, Nürnbergs Sportvorstand: Er legte nach dem Spiel Einspruch gegen das Ergebnis ein, mit Verweis auf die Zweifel an Jattas Identität. Das brachte die Sache erst richtig ins Rollen, Jatta sah sich erheblichen Anfeindungen von rechts ausgesetzt, die auch nicht aufhörten, als die Ermittlungen gegen den Spieler aus Mangel an Beweisen eingestellt wurden. Auch an Robert Palikuća ging die Sache nicht spurlos vorbei, wie er im Interview mit Daniel Jovanov erzählt.

Wie Robert Palikuća heute auf die Folgen seines Einspruchs blickt, welche Konsequenzen die Sache für ihn selbst hatte und warum er die Entscheidung rückblickend anders als erwartet beurteilt, lesen Sie hier auf ZEIT ONLINE.

WAS SIE HEUTE ERLEBEN KÖNNEN

Licht im Museum: Mit einer elektrischen Lampe setzte Curt Fischer 1919 einen Meilenstein für die Industrialisierung. Ausstellung: "100 Jahre lenkbares Licht. Ursprung und Aktualität beweglicher Beleuchtung"

Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, Eröffnung heute, 19 Uhr, Ausstellung bis zum 1. Juni 2020, 12 Euro

Fete: Das Museum am Rothenbaum feiert das einjährige Bestehen des "Zwischenraums" mit Party, Partizipation und Provenienzgeschichten.

Markk, Rothenbaumchaussee 64, heute, ab 19 Uhr, Eintritt frei

Lesung: Warum zwingen Eltern ihre Kinder zu einer Ehe? Lesung mit Rukiye Cankiran: "Das geraubte Glück – Zwangsheiraten in unserer Gesellschaft"

Kulturcafé Komm du, Buxtehuder Straße 13, heute, 20–22 Uhr, Spenden erbeten

Rock-Bluff: Wenn Art-Rock, Fusion, Psychedelic und Stoner Rock verschmelzen, berauschen sich "Coogans Bluff" am eigenen Werk.

Knust, Neuer Kamp 30, heute, 21 Uhr, VVK 18,85 Euro

MEINE STADT

Ach egal, ich lass das jetzt so! © Renate Dzingel

HAMBURGER SCHNACK

Ich hatte Besuch von meiner Freundin Sabine, die in Köln als Grundschullehrerin arbeitet. Ihr jüngster Sohn Victor, 10, war auch dabei. Während wir Erwachsenen uns unterhalten, meldet sich Victor gelegentlich, um auch was zu sagen. Daraufhin Sabine: "Du brauchst nicht aufzuzeigen! Ich habe jetzt Ferien, ich will doch jetzt keine Finger sehen."

Gehört von Wiebke Neelsen

DIE HEUTIGE AUSGABE ZUM VERTIEFTEN LESEN

Schwere Geburt (Z+) – Das Mariahilf-Krankenhaus in Harburg soll zur Vorzeigeklinik bei Entbindungen werden. Doch es gibt Komplikationen.

"Natürlich hat das Spuren hinterlassen" (Z+) – Der Sportvorstand des 1. FC Nürnberg, Robert Palikuća, gehörte zu den Auslösern des Wirbels um HSV-Spieler Bakery Jatta. Heute sieht er die Aufregung kritisch. Sein Handeln jedoch nicht.

In bester Absicht – Ein Polizist verfolgt mit 125 Stundenkilometern einen Sexualstraftäter, ein junger Mann tritt auf die Straße – und stirbt. Nun wurde ein Urteil gefällt.