TK: Die Digitalisierung ist ein Schwerpunktthema im Koalitionsvertrag. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Game-Changer im Bereich "Pflege und Gesundheit" sind, mit denen die Koalition Fortschritt wagt?

Dr. Konstantin von Notz: Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig eine stabile und erreichbare Gesundheitsversorgung, auch und gerade im ländlichen Raum, ist. Diese werden wir stärken. Zwei Punkte zum Thema "Pflege und Gesundheit" halte ich für besonders erwähnenswert: Erstens zielt der Koalitionsvertrag darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen zu verbessern und die Aufgabenteilung zu verändern. Dies soll durch ein allgemeines Heilberufegesetz sichergestellt und mit dem neuen Beruf der "Community Health Nurse" auf den Weg gebracht werden. Zweitens bekennt sich die Ampel-Koalition klar dazu, den Ausbau der sektorenübergreifenden Versorgung in den Regionen endlich voranzutreiben. Da ist in den vergangenen Jahren unseres Erachtens viel zu wenig passiert.

Dr. Konstantin von Notz

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Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen

TK: Oft heißt es, Deutschland hinke in der Digitalisierung des Gesundheitswesens anderen Ländern hinterher - welche Gegenmaßnahmen plant die Koalition?

von Notz: Im Gesundheitswesen gab es teilweise Entwicklungen, die den Eindruck erweckt haben, die Digitalisierung sei ein Selbstzweck. Wir müssen die Digitalisierung gezielt nutzen, um echte Probleme zu lösen. Konkrete Potenziale sehen wir zum Beispiel bei den Krankenhauseinweisungen aufgrund von vermeidbaren Medikationsfehlern. Hier sprechen wir von rund 250.000 Fälle pro Jahr. Mit einer Digitalstrategie für Gesundheit und Pflege werden wir die Problematik gezielt angehen. In diesem Zusammenhang werden wir die gematik zu einer digitalen Gesundheitsagentur ausbauen, die diese Strategie steuert und gemeinsam mit allen beteiligten Akteuren regelmäßig fortentwickelt. Wichtig ist uns dabei, die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer sehr viel stärker einzubinden. Denn die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt: Überall dort, wo es bereits solche Strategien gibt und man die Verantwortlichkeiten klar geregelt hat, ist man deutlich weiter als in Deutschland. 

TK: In der Vergangenheit wurde häufig der Datenschutz als KO-Kriterium vorgeschoben, um eine weitergehende Nutzung von Gesundheitsdaten zur Verbesserung der Versorgung zu verhindern. Die Koalition will ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz im Einklang mit der DSGVO auf den Weg zu bringen. Worauf kommt es an, um Beidem gerecht zu werden?  

von Notz: Datenschutz und Digitalisierung sind keine Gegensätze. Ganz im Gegenteil: Datenschutz und Datensicherheit sind Grundvoraussetzungen für die erfolgreiche Digitalisierung, denn sie schaffen dringend benötigtes Vertrauen in neue Anwendungen. Aus gutem Grund sind alle Projekte, bei denen dies nicht ausreichend berücksichtigt wurde, phänomenal gefloppt. Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz werden wir eine klare gesetzliche Regelung schaffen, die die Nutzung anonymisierter und pseudonymisierter Gesundheitsdaten für Forschung und Versorgung ermöglichen soll und im Einklang mit der EU-Datenschutzgrundverordnung steht. Wir werden eine dezentrale Forschungsdateninfrastruktur aufbauen. Das heißt, es gibt keinen zentralen Datenpool, aber eine Stelle hat Kenntnis darüber, welche Daten in Registern vorhanden sind. Über diese Stelle können Patientinnen und Patienten dann beispielsweise die Freigabe ihrer anonymisierten und pseudonymisierten Daten selbstbestimmt steuern. Das Gesetz wird auch klare Vorgaben zur bundesweiten Datenschutzaufsicht über diese Infrastruktur enthalten.

Zur Person Dr. Konstantin von Notz, (Bündnis 90/Die Grünen), MdB

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