Lebensqualität älterer Menschen steigt durch “Lotsenmodell”

28. Oktober 2021

Die Zahl der älteren Menschen mit Unterstützungsbedarf und auch der pflegenden Angehörigen steigt. Sie möchten trotz Einschränkungen möglichst lange selbstbestimmt und selbstständig leben. Allerdings wissen viele Menschen nicht, welche Unterstützungsangebote es gibt. Gleichzeitig sind die Ressourcen der Pflegeversicherung finanziell und auch personell begrenzt. 

Hier setzt das Modellprojekt QplusAlter der Evangelischen Stiftung Alsterdorf im Bezirk Hamburg-Nord an. Von Mai 2019 bis heute haben sich rund 500 ältere Menschen mit Unterstützungsbedarf an die Lotsinnen gewandt, bis Juni 2021 hatten sie 106 Menschen mit Unterstützungsbedarf dabei begleitet, ein individuelles und passgenaues Unterstützungssetting zu entwickeln.

Die wissenschaftliche Begleitung der Universität Duisburg-Essen zeigt: Die QplusAlter Systematik wirkt, dies auch in Zeiten der Einschränkungen durch Corona. In der Praxis zeigen sich besonders drei positive Effekte:

  • Die älteren Menschen haben mehr Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe,
  • die vorhandenen Ressourcen (u.a. Technik, Quartier, privates Umfeld, prof. Dienstleistungen wie Pflegedienste) werden passgenauer genutzt,
  • sozialstaatliche Leistungen wirken gezielter.

„Wir beobachten, dass viele ältere Menschen, deren Kräfte abnehmen, sich zurückziehen“, sagt Karen Haubenreisser, Projektleitung QplusAlter. Beschleunigt wird dieser Prozess des Rückzugs u.a. durch mangelnde Kenntnisse über die Vielfalt möglicher Unterstützungsangebote und mangelnde Verknüpfung der verschiedenen Unterstützungsbausteine. Die Mehrzahl der alten Menschen in der Großstadt lebt in Single-Haushalten. Familiäre Unterstützung ist hier häufig schwieriger. Zugleich zählen auch in Hamburg viele pflegende Angehörige zum „größten Pflegedienst der Nation“. Hochbetagte Partner*innen und Angehörige, die sich kümmern, stehen jedoch häufig vor Überforderung. Die möglichen Folgen: soziale Isolation, Chronifizierung von Erkrankungen, Pflegebedürftigkeit und teilweise unnötige Krankenhaus- und Pflegeheimaufenthalte. Corona hat die Situation älterer Menschen mit Unterstützungsbedarf noch einmal deutlich verschärft.

Ausgehend vom Willen und den Interessen der älteren Menschen entwickelt QplusAlter gemeinsam mit ihnen passgenaue Lösungen, die auf Kooperation und ein kreatives Zusammenfügen vielfältiger Ressourcen setzen.

Prof. Dr. Wolfgang Hinte, Universität Duisburg-Essen: „QplusAlter zeigt, dass Menschen von einer sozialraumorientierten Begleitung profitieren. Wenn der Wille des Menschen Ausgangspunkt ist, entstehen nachhaltige Unterstützungsarrangements.“

Im Rahmen des Abschluss-Symposiums der ersten Förderphase begrüßt Sozialsenatorin Dr. Melanie Leonhard das Projekt:
„Zur Entwicklung vielfältiger und für Menschen jeden Alters attraktiver Quartiere in unserer Stadt gehört es, Zugangangsbarrieren ins Hilfesystem zu überwinden. Hier kommen die Lotsinnen und Lotsen von QplusAlter ins Spiel: Sie verhelfen Menschen mit Unterstützungsbedarf zu mehr Selbstbestimmung und entlasten pflegende Angehörige. Daher befürworten und unterstützen wir als Sozialbehörde diese vielversprechende Initiative der Evangelischen Stiftung Alsterdorf.“

Es sind insbesondere Menschen in Umbruchsituationen, die den Zugang zu den Lotsinnen finden, z.B. nach einem Krankenhausaufenthalt, einem Sturz, dem Tod eines Angehörigen oder Überlastung in der Häuslichkeit. Fast jeder dritte ältere Mensch kommt über die Kooperation mit dem Sozialdienst des Fachbereichs Geriatrie des Evangelischen Krankenhauses Alsterdorf zu den Lotsinnen. Auch zur Kirche, Wohnungswirtschaft, zu Pflegestützpunkten und Pflegediensten bestehen enge Kontakte.

PD Dr. Christian Kügler, Chefarzt des Fachbereichs Geriatrie am Ev. Krankenhaus Alsterdorf ist überzeugt, dass Patient*innen von der Zusammenarbeit des Krankenhaus-Sozialdienstes und der Lotsinnen von QplusAlter profitieren: „Krankheit ist nur ein Teil des Lebens und darüber, wie der Patient im weiteren Verlauf nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zuhause zurechtkommt, entscheiden ja viele soziale Faktoren: Wie kann ich meinen Alltag organisieren, wie kann ich in Kontakt treten zu anderen Menschen? Viele unserer Patient*innen sind ja nach dieser Umbruchsituation „Krankenhausaufenthalt“ ganz besonders isoliert und allein zu Hause und wissen gar nicht, welche Möglichkeiten das unmittelbare Umfeld im Quartier ihnen bietet, die für sie individuell sehr wichtig sein können.“

Ulrich Scheibel und Hanne Stiefvater, Vorstände der Evangelischen Stiftung Alsterdorf: „Wir wollen mit QplusAlter dazu beitragen, menschliche und finanzierbare Antworten auf die Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft zu entwickeln. Wir haben als großes Sozialunternehmen die Erfahrung gemacht, dass es möglich ist, Strukturen zu verändern – gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern wie der Stadt und strategischen Partner*innen, die die gleichen Ziele teilen und Verantwortung übernehmen. Mit QplusAlter kommen wir unserem Ziel, Hilfs- und Versorgungsstrukturen nachhaltig zu verändern für eine inklusive Gesellschaft, ein Stück näher.“

Auch die Finanzierung von QplusAlter ist modellhaft: In der ersten Förderphase wurde QplusAlter von der SKala-Initiative in Kooperation mit der NORDEMETALL-Stiftung, der Karin und Walter Blüchert Gedächtnisstiftung und der HOMANN-Stiftung gefördert. Das bewerten die Stiftungen als positiv: „Gemeinsam erreichen wir mehr. Das gilt für unsere Stiftungen genauso wie für die älteren Menschen, die sich mit QplusAlter ein gutes und selbstbestimmtes Leben im Quartier organisieren können. Die Stiftungen leisten damit auch einen Beitrag, Strukturen im Hilfe- und Unterstützungssystem für ältere Menschen weiter zu entwickeln“, so Kirsten Wagner, Geschäftsführung NORDMETALL-Stiftung, Magdalena Blüchert, Vorständin der Karin und Walter Blüchert Gedächtnisstiftung und Mechthild Kränzlin, Geschäftsführung der HOMANN-Stiftung.

Die Stiftungen fördern auch die zweite Projektphase von 2022-2024. Neu dazu kommt das Deutsche Hilfswerk. Ziel der zweiten Projektphase ist es, die Arbeitsweise in Regelstrukturen zu verankern.  

Hier erfahren Sie mehr über QplusAlter.

Patient*innen des Ev. Krankenhauses Alsterdorf, die älter als 65 Jahre sind, im Bezirk Hamburg-Nord wohnen und Unterstützung wünschen, können sich an eine Lotsin wenden. Rufen Sie uns an: 040 5077 3354.

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