Vor wenigen Wochen hatte sich die Ampel-Koalition auf ein Entlastungspaket geeinigt, das die negativen Folgen der Inflation für die Bürger dämpfen sollte. Das Paket, zu dem unter anderem die Senkung der Spritsteuer und ein 9-Euro-Monatsticket für den Nahverkehr gehören, soll ab 1. Juni für drei Monate in Kraft treten. Reicht das, um dem Durchschnittsbürger angesichts der Teuerung zu helfen?
Das diskutierten die CDU-Politikerin Gitta Connemann, ihr FDP-Kollege Christian Dürr (FDP), der Unternehmer Jürgen Hinkelmann und der fünffache Familienvater Jens Diezinger.
Für Diezinger besteht kein Zweifel: Für Normalverdiener reiche das Entlastungspaket nicht ansatzweise aus, erklärte er in der Sendung. Er und seine Frau hätten jeweils zwei Jobs, um die siebenköpfige Familie zu versorgen, pro Monat stünden ihnen mit Kindergeld etwa 4000 Euro zur Verfügung.
Vom geplanten Entlastungspaket würde seine Familie insgesamt 1100 Euro erhalten – Geld, welches aber wieder versteuert werden müsse, womit die Summe nochmals geringer werde. Nur zwei seiner Kinder profitierten vom 9-Euro-Ticket, sagte Diezinger, der im Haupfberuf Erzieher ist. Seiner Frau und ihm selbst bringe es nichts – er würde mit dem ÖPNV fast zwei Stunden zur Arbeit brauchen.
Die Steuerentlastungen wiederum seien nicht langfristig gedacht, beklagte er: Bereits im vergangenen Jahr habe er durch den damaligen Corona-Bonus die Einkommensschwelle für die Lernmittelfreiheit überschritten, und habe im Gegenzug für 900 Euro Schulmaterialien einkaufen müssen: „Wenn wir nicht unsere eigenen Eltern um uns rum hätten, dann würde es eng aussehen“, sagte er.
Auch vonseiten der Opposition gab es in der Sendung Kritik an den Entlastungen: „Das, was die Ampel bis dato auf den Tisch gelegt hat, ist ein Flickwerk“, sagte Gitta Connemann, Chefin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU. „Von einem 9-Euro-Ticket in überfüllten Bahnen und Bussen haben wir auf dem Land wenig“. Es brauche eine „unmittelbare“ und „zielgerichtete“ Entlastung, was nur über „strukturelle Steuern“ funktioniere, wie etwa über die Einkommenssteuer, sagte sie mehrfach im Laufe der Sendung.
Auch die sogenannte kalte Progression kritisierte Connemann scharf. So bezeichnet man das Phänomen, dass kaum etwas von einer Lohnerhöhung übrig bleibt, weil diese von höheren Steuern automatisch zum Teil aufgefressen wird. Der Staat verdiene bei jeder Gehaltsanpassung mit, er sei der „Inflationsgewinner“, sagte sie. Diese Gewinne müssten an die Bevölkerung zurückgeben werden.
„Ich bin sofort dabei bei Steuersenkungen“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr. „Aber fairerweise muss man sagen, wie’s bezahlt wird – und den Vorschlag ist uns die Union noch schuldig.“ Im Haushaltsplan der Union fehlten 60 Milliarden Euro, sagte er.
Wer hoffte, durch Familienvater Diezinger würde die Debatte lebensnäher, wurde im Laufe der Sendung enttäuscht. Immer wieder tauschten Connemann und Dürr altbekannte Floskeln und gegenseitige Anschuldigungen aus. Moderator Frank Plasberg musste die Berufspolitiker zwischendurch immer mal wieder an den realen Betroffenen erinnern, der zwischen den beiden saß.
ARD-Börsenexpertin Anja Kohl, die zugeschaltet war, erinnerte daran, dass auch die Union sich nicht aus der Verantwortung stehlen könne. „Sie hatten 16 Jahre Zeit, jede Steuerreform der Welt zu machen und Sie haben nichts, null komma gar nichts gemacht.“ Im letzten Jahrzehnt seien Steuern um 42 Prozent gestiegen, während Einkommen nur um 30 Prozent nach oben gingen, sagte Kohl.
FDP-Politiker Dürr kündigte im Gegenzug zwar an, er würde sich für eine Entlastung bei der Einkommenssteuer einsetzen, da das auch schon lange „Redebaustein“ seiner Partei gewesen sei. Allerdings liege das Problem an der fehlenden politischen Mehrheit für solch einen Beschluss.
Doch micht nur in Deutschland hat der Ukraine-Krieg wirtschaftliche Folgen. Weltweit droht eine Lebensmittelknappheit. Üblicherweise wird ukrainisches Getreide über die wichtige Schwarzmeer-Route exportiert, diese ist aber von Russland blockiert. Brigitte Büscher, die jede Woche das „Gästebuch“ bei „Hart aber Fair“ auswertet, hatte eine Reportage aus der Westukraine mitgebracht, wo sie den deutschen Kleinbauern Markus Schütte begleitete.
Der sagte: Wenn er keine Transportkapazitäten für seine Ernte finde, „dann wird der Mais auf dem Feld vergammeln“, so Büscher. Er hoffe auf Hilfe durch die EU. Er habe noch vier Wochen, bevor es für seine Ernte zu spät sei.
Auch Jürgen Hinkelmann, ein Bäckermeister und Geschäftsführer einer lokalen Bäckereikette in Dortmund, machte deutlich, wie schwierig die Lage aktuell ist. Seit März seien die Preise bei seinem bisherigen Eierlieferanten bereits zweimal um je 30 Prozent gestiegen. „Es gibt eine globale Unterversorgung“, sagte er. „Unzählige Hühner sind gekeult worden, weil die Preise für den Futterweizen so teuer geworden sind, dass man das nicht bezahlen konnte.“
Seine Brötchen sind um zwei Cent teurer geworden, sagte er, doch das decke bei Weitem nicht die Mehrkosten. Wenn er nicht pleitegehen wolle, müsse er die Preise erhöhen. Die Politik müsse diese „Ernährungsinflation“ ernst nehmen, sagte Anja Kohl und riet zu einer sofortigen Aussetzung der Mehrwertsteuer – eine Forderung, die schon viele Wirtschaftsexperten erhoben hatten.
Die Lebensmittelkonzerne hätten in Deutschland ein Oligopol – wenigen Unternehmen teilen sich den Markt unter sich auf – und könnten ihre Preise anheben, wie sie möchten. Das beklagte auch Jens Diezinger. „Man kann als Konsument nichts machen“, sagte er. „Die Gehälter steigen nur minimal, der Ausgleich ist nicht gegeben“. Bezahlte er noch im vergangenen Jahr 80 Euro für einen Wocheneinkauf, so liege der jetzt bei 140 Euro, sagte er.
Die Frage sei aber, ob die Lebensmittelkonzerne die Steuersenkung auch an die Menschen weitergeben würden, so Dürr: „“, sagte er. Dürr hatte dabei bereits zu Beginn der Sendung zugegeben, dass es auch beim Tankrabatt keine Garantie gebe, dass die Mineralölkonzerne nicht kurz vor dem 1. Juni die Spritpreise anheben könnten. Er vertraue auf das Kartellamt, sagte er, um mögliche Absprachen zu verfolgen: „Wir machen
Allerdings trieben laut Anja Kohl die Konzerne schon seit Wochen die Spritpreise unverhältnismäßig hoch, um von der Inflation zu profitieren – das Kartellamt sehe dabei nur zu; und die Politik greife nicht ein. Auch sie forderte eine breitere Entlastung der Gering- und Mittelverdiener: „Es kann nicht sein, dass Preise steigen, und Löhne nicht“, sagte sie. „Da können wir uns auf soziale Verelendung einstellen.“ Wenn die Europäische Zentralbank nicht bald handele, um die Preise zu stabilisieren, so fürchte sie eine Weltwirtschaftskrise in der Form einer Rezession. „Und wenn wir die erst haben“, sagte Kohl, „dann lässt auch die Inflation ein wenig nach.“