Teuer-Talk in „Hart aber fair“: FDP-Fraktionschef: Für Putin ist Hunger eine Waffe

FDP-Fraktionschef Christian Dürr (45)

FDP-Fraktionschef Christian Dürr (45)

Foto: Das Erste
Von: Von JOSEF NYARY
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Preisexplosion im Supermarkt, Teuer-Sprit und Run auf Billig-Tickets: Überall muss Deutschland zahlen und sparen. In „Hart aber fair“ sorgt sich Frank Plasberg: „Tank und Einkaufswagen voll: Können sich das nur noch die Reichen leisten?“

Die Gäste

Christian Dürr (45, FDP). Der Fraktionschef feiert 9-Euro-Ticket und Tank-Rabatt als „wichtige Entlastung für die hart arbeitende Mitte“.

Gitta Connemann (58, CDU). Die Chefin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) wettert: „Der Staat benimmt sich zurzeit wie ein Gutsherr, der Almosen verteilt!“

Jens Diezinger (43). Der Erzieher, Vater von fünf Kindern, klagt: „Wir als Familie sind mit Sparen und Einschränkungen echt am Limit!“

Jürgen Hinkelmann (57). Der Chef einer Bäckereikette warnt: „Preissteigerungen, Lohnforderungen - wenn das jetzt immer so weitergeht, werden es einige Betriebe nicht mehr schaffen.“

Anja Kohl (61). Die ARD-Börsenexpertin sagt voraus: „Diese Inflation ist gekommen, um zu bleiben. Gesellschaftlich ist das sehr bedrohlich, weil sie alle ein Stück ärmer macht.“

 Profis aus Politik, Presse und Produktion. Die Quittungen stellt das Zoff-o-Meter aus! 

Düsterste Prognose 

ARD-Börsenexpertin Kohl, aus Frankfurt zugeschaltet, schockt die Runde gleich mit einem alarmierenden Statement: „Wir alle spüren, dass alles teurer geworden ist, und es wird auch noch eine ganze Weile so bleiben. Wir gehen in eine Dekade der Inflation!“ 

ARD-Börsenexpertin Anja Kohl wurde zugeschaltet

ARD-Börsenexpertin Anja Kohl wurde zugeschaltet

Foto: Das Erste

Ihre Sorge: „Das trifft die Schwächsten der Gesellschaft am härtesten. Es zieht sich von den Erzeugern der Lebensmittel bis in den Supermarkt. Wir werden diese Inflation nicht beseitigen können. Alles, was wir versuchen können, ist sie auf ein relativ erträgliches Maß zurückzuführen.“ Ui! Betretene Mienen! 

Und schon geht der Zoff los

Der Talkmaster heizt die Stimmung an: „Herr Dürr, die FDP stellt den Finanzminister. Wenn jetzt Konzerne die Situation ausnutzen, um satt abzukassieren: Wie lange kann Politik da zugucken?“ 

 „Wir schauen uns das an, insbesondere an der Tankstelle“, verspricht der Fraktionschef. „Da ist das Kartellamt dran.“

 Plasberg ist damit nicht zufrieden; „Was machen Sie denn, wenn die Ölkonzerne am 1. Juni die Preise hochsetzen, damit der Tankrabatt verpufft und die Kassen voll bleiben?“

Wohlbegründetster Verdacht

Dürr will den Ball flach halten: „Wenn da tatsächlich Absprachen wären, dann ist das Kartellamt dran“, versichert er.

Doch der Talkmaster lässt sich nicht abspeisen: „Vielleicht braucht man gar keine Absprachen, weil der Weg eh klar ist: vorher hochsetzen und einen Teil der staatlichen Förderung mitkassieren!“

 Die flaue Antwort des Fraktionschefs: „Ich habe schon die Hoffnung, dass die Mineralölkonzerne so klug sind und was, was sie jetzt sparen an Steuern, auch an die Verbraucher weitergeben.“ Uff!

Verdientester Nasenstüber

Die ARD-Expertin vermasselt dem FDP-Mann die Billigtour: „Die Wahrheit ist, Herr Dürr, dass das Kartellamt Wochen, wenn nicht Monate lang zugeguckt hat, seit es diesen Preisauftrieb bei den Spritpreisen gibt“, schimpft sie von ihrem Monitor herunter.

Kohl weiter: „Ständig wurde darauf verwiesen, dass es eine unklare Gesetzeslage und keine Kompetenz dafür gäbe.“ Trotz der ständigen Forderungen etwa Wirtschaftsminister Robert Habecks sei „bis heute nix passiert.“ Patsch!

Fadenscheinigste Rechtfertigung

Der FDP-Mann flüchtet sich in die neue Standardformel der Energiepolitik: „Nun muss man dazu sagen, fairerweise, Deutschland hat leider eine besondere Abhängigkeit von Russland beim Thema Öl“, beteuert er. „Deshalb hat der Markt krasser reagiert als in anderen Ländern.“

„Es soll keine Ausrede sein“, fügt er noch hinzu. Hm. Aber warum kommt er dann jetzt damit um die Ecke?

Tödlichste Konsequenz

Bäcker Hinkelmann (61 Filialen, 160 Mitarbeiter) schildert die Probleme etwa beim Brötchenpreis: Die Molkereiprodukte an der Decke, Käsebrötchen 100 Prozent teurer, globale Unterversorgung (auch wegen Milchdurst in China), Futtermittel deutlich teurer, Eierpreis locker beim Doppelten… Ächz!  

„Es sind unheimlich viele Hühner gekeult worden, weil der Futtermais so teuer geworden ist, dass die Züchter ihn sonst nicht mehr bezahlen konnten“, berichtet der Bäcker sichtlich bedrückt. 

Sympathischste Erkenntnis

Familienvater Diezinger schildert die Folgen für seinen Haushalt: Er ist Erzieher, seine Ehefrau pädagogische Hilfskraft, dank auch zweier Nebenjobs und Kindergeld 4000 Euro netto, Wohnung 84 Quadratmeter. Die Teuerung macht bei ihm bisher 260 Euro im Monat aus.

Die Familie von Jens Diezinger (5 Kinder) leidet stark unter der Inflation

Die Familie von Jens Diezinger (5 Kinder) leidet stark unter der Inflation

Foto: Das Erste

Sein Rat: „Man muss Kinder dahingehend stärken, dass Markenklamotten nicht alles sind. Nicht, was du trägst, sondern was drinsteckt ist wichtig.“

Enttäuschendste Erfahrung

Dürr möchte mit den Wohltaten der Ampel punkten und zählt auf: „Energiegeld, Kinderbonus, Tankrabatt, Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen 37 Milliarden Euro.“

Das ernüchternde Gegenbeispiel des Familienvaters: „Durch den Corona-Bonus habe ich letztes Jahr 139 Euro zu viel verdient, um noch die Lernmittelfreiheit zu bekommen, und musste 900 Euro für Schulbücher bezahlen.“ Hammer!    

Härteste Abrechnung

Die CDU-Politikerin fordert Steuersenkungen für die kleineren Einkommen: „Der Staat muss nicht nur die Inflationsgewinne zurückgeben, sondern er muss auch dafür sorgen, dass Leistung sich lohnt!“, fordert sie und nippt sparsam an ihrem Wasserglas.

Dürr nickt, doch ARD-Kohl ist schon wieder auf Zinne: „Frau Connemann, Sie hatten 16 Jahre Zeit, jede Steuerreform der Welt zu machen!“, ledert sie los, „und Sie haben nichts, nullkommmagarnichts gemacht!“ Dafür gibt’s den ersten Beifall. 

Vergesslichster Vorwurf

Dürr springt eilig aufs Trittbrett: „Dass meine Partei seit Jahrzehnten sagt, wir müssen an die Einkommensteuer ran, neben dem, was Frau Kohl eben zurecht gesagt hat – das war eigentlich immer mein Redebaustein“, schwurbelt er los.

Für eine gerechtere Einkommensteuer brauche er politische Mehrheiten“, gibt der FDP-Mann allerdings zu. „Die haben wir zurzeit noch nicht.“ Aber: „Es wäre mein Wunsch, dass wir das in der Ampel durchsetzen. Ich sehe es wie Frau Kohl: 16 Jahre ist nichts passiert!“ Fehlender Redebaustein: 2009-2013 war Dürrs Partei mit der Union in der Regierung…

Ernüchterndste Rechnung

„Wenn wir den Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen, bleiben beim Arbeitnehmer 59 Prozent und beim Staat 41 Prozent“, klamüsert sich die CDU-Politikerin in aller Ruhe auseinander. „Es hilft nichts anderes, als zu entlasten, und zwar unmittelbar und zielgerichtet!“

„Das sagt sogar die FDP“, fügt Connemann noch hinzu. „Ich habe Tweets von Herrn Dürr gesehen, wo er sagt: Wir müssen jetzt an die Einkommensteuer ran.“ Ihre Forderung: „Nicht nur Tweets, sondern jetzt auch machen, und die Ampel überzeugen.“ Heidewitzka!

Prompt kracht es im Redegebälk

„Die Union hat auch einen Haushalt vorgelegt, und da fehlen auf einmal 60 Milliarden Euro“, behauptet Dürr. „Ich bin sehr für Entlastung, nur: Dann muss man sagen wie es geht. Die Union sagt, aber leistet nicht.“

 „Steile Thesen ersetzen keine Fakten“, kontert Connemann. Ihr Gegenvorwurf: „Beim Energiegeld vergessen Sie die Rentner und beim 9-Euro-Ticket die Menschen auf dem Land…“

Realistischste Rechnung

Zwischen den beiden Politikern sitzt mit gefalteten Händen Vater Diezinger und weiß gar nicht, wohin er gucken soll. Plasberg eilt ihm zu Hilfe und zeigt den nächsten ARD-Einspieler: Ab September bekommt die Familie 1100 Euro im Monat als Energiepreispauschale.

Doch der Erzieher ist darüber gar nicht glücklich: „Wenn man aufhört, zu rauchen, hat man auch nicht mehr Geld“, seufzt er. „Das schlägt ein und ist weg. Das fressen die Lebensmittel. Das bringt mir vielleicht maximal eine Tankfüllung.“ Stöhn!

Schlimmste Befürchtung 

Der nächste ARD-Film zeigt Plasbergs Assistentin Brigitte Büscher bei einem deutschen Bauern in der Ukraine, der wie seine Kollegen wegen der russischen Blockade nicht mehr weiß, wo und wie er seine Weizenernte verkaufen soll.

 „Unter Umständen bedeutet das eine unvorstellbare Hungersnot“, weiß Dürr, aber: „Der Bundesverkehrsminister ist daran, mit der Deutschen Bahn, der DBV Cargo, Möglichkeiten des Transports zu schaffen. Hunger ist eine Waffe für Wladimir Putin!“   

Letztes Gefecht

„Die Ampel plant im nächsten Jahr eine Stilllegung von vier Prozent der Ackerfläche“, rüffelt Connemann. „Das wären 20 Millionen Tonnen Kartoffeln.“ Ui!

 Doch Dürr sucht auch dafür die Schuld bei der Großen Koalition: „Die Flächenstilllegung ist ja eine gemeinsame europäische Agrarpolitik mit Deutschland gewesen!“, spottet er. „Also ein bisschen aufpassen, dass man nicht nachträglich das eigene Regierungshandeln kritisiert!“

Dringendster Appell 

Zum Schluss mahnt ARD-Kohl einen Inflationsausgleich an, aber; „Das muss maßvoll geschehen. Und es darf nicht besteuert werden.“

 Denn, so die Expertin: „Es kann nicht sein, dass die Preise steigen und die Löhne nicht. Sonst kriegen wir die Vollkatastrophe in Deutschland!“

Zitat des Abends

 „Jetzt lassen wir die Redebausteine mal weg!“ Frank Plasberg 

Fazit

Politiker im sturen Attacke-Modus: Viel Hickhack, wenig Harmonie und kaum Trost für die Betroffenen. Das war eine Redeschlacht der Kategorie IPV: Infoarm, Parteiisch, Vorhersehbar.

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