Zum Inhalt springen

Streit über Frauenquote in der CDU Friedrich, Mario, Boris, Hendrik, Michael, Reiner und Daniel

Angela hat wenig genutzt: Ministerpräsidenten und Vorsitzende? Alles Männer bei der CDU. Auch deshalb streitet die Partei wieder über die Frauenquote. Chef Friedrich Merz könnte seine Entscheidung längst gefällt haben.
Parteichef Friedrich Merz: Wie steht er zur Frauenquote?

Parteichef Friedrich Merz: Wie steht er zur Frauenquote?

Foto: IMAGO/Christian Spicker

Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.

Auf die Frage nach einer Frauenquote erntet man in diesen Tagen bei CDU-Politikern meist eine von zwei Reaktionen: gereiztes Kopfschütteln oder müdes Nicken. Es ist ein Streit, der die Partei schon seit Jahren begleitet, der die CDU-Mitglieder ebenso ermüdet wie ihre Gemüter erhitzt, der schon für heftige Auseinandersetzungen sorgte und der in wenigen Monaten beim Parteitag wohl endlich ein Ende finden wird. Nur der Ausgang, der scheint unklarer denn je.

Denn auch in jahrelangen Diskussionen konnte man die Gräben beim Thema Frauenquote nicht überwinden, an manchen Stellen sind sie vielleicht noch tiefer geworden. Längst geht es nicht mehr allein um die Anzahl der Frauen in Parteigremien. Es geht auch um ein Prinzip, um eine Richtungsentscheidung für die kommenden Jahre. Und um die Frage, für welchen Kurs sich der Parteivorsitzende Friedrich Merz entscheiden wird.

Als Merz sich 2020 ein drittes Mal um den Parteivorsitz bewarb, galt er als konservative Kratzbürste. Viele seiner Anhänger wählten ihn auch deshalb. Sie erhofften sich von Merz wieder ein schärferes Parteiprofil und eine starke, konservative Stimme an der Spitze.

Seit er den Vorsitz übernommen hat, tritt Merz allerdings sanfter und ergebnisoffener auf. Er betont, dass er die Partei jünger, weiblicher und moderner machen wolle. Nur bei der Frauenquote hält sich der CDU-Chef bisher zurück. Für Merz ist es eine Zwickmühle. Egal, wie er sich entscheidet – er wird entweder die Fans des alten oder die Fans des neuen Friedrich Merz damit verprellen.

Ein alter Vorschlag

Der Showdown zur Frauenquote steht beim Parteitag im Herbst an, dann wird endgültig über den Vorschlag entschieden. Schon Mitte Juni wird allerdings eine erste wichtige Entscheidung fallen: Dann beschließt der CDU-Bundesvorstand, in welcher Form der Antrag zur Frauenquote beim Parteitag eingebracht werden soll.

Der Vorschlag zur Quote liegt schon seit 2020 vor. Zu dieser Zeit führte mit Annegret Kramp-Karrenbauer noch eine Politikerin die CDU, die sich zu Beginn ihrer Amtszeit selbst als »Quotenfrau« bezeichnet hatte und das keinesfalls negativ meinte. Während Kramp-Karrenbauers Zeit als Vorsitzende wurde eine Struktur- und Satzungskommission einberufen, die Vorschläge zur Modernisierung der Partei machen sollte. Im Sommer 2020 veröffentlichte die Kommission ihre Ideen. Eine davon: die Frauenquote.

Sprach sich für die Quote aus: Ehemalige Parteichefin Kramp-Karrenbauer

Sprach sich für die Quote aus: Ehemalige Parteichefin Kramp-Karrenbauer

Foto: BeckerBredel / IMAGO

Der Beschluss sieht vor, dass bei Vorstandswahlen von der Kreisebene aufwärts eigentlich schon ab 2021 eine Frauenquote von 30 Prozent gilt. 2023 soll die Quote auf 40 und 2025 auf 50 Prozent steigen. Bewerben sich nicht genug Frauen, orientiert sich die Quote am Anteil der Kandidatinnen. Wird die Quote nicht erfüllt, bleibt der entsprechende Posten frei.

2020 verabschiedete auch der damalige CDU-Vorstand den Vorschlag, zur endgültigen Abstimmung kam es aber nie. Denn aufgrund von Corona fanden die folgenden zwei Parteitage nur digital statt, für eine Änderung der Satzung bedarf es allerdings einer Abstimmung in Präsenz. Im September 2022, über zwei Jahre später, soll daher nun der dritte Versuch folgen. Dieses Mal wird die Partei ihr Verhältnis zu Frauenquote wohl endgültig klären müssen.

Quotengegner formieren sich

Ohne Frauenquote sieht es bei der CDU aktuell so aus: Der Anteil an weiblichen Parteimitgliedern liegt ungefähr bei 26,5 Prozent, in der Unionsfraktion im Bundestag sind 23,4 Prozent Frauen. Kein CDU-Verband auf Länderebene wird von einer Frau geführt, die aktuellen Ministerpräsidenten der CDU heißen Boris, Hendrik, Michael, Reiner und Daniel, der Parteivorsitzende heißt Friedrich und sein Generalsekretär Mario. Kurzum: Angela Merkel mag 16 Jahre lang Kanzlerin gewesen sein, dominiert wird die CDU im Jahr 2022 aber weiterhin von Männern.

Merkel selbst stellte während ihrer Kanzlerschaft noch fest, es sei nicht nur peinlich, sondern eine »Existenzfrage« für eine Volkspartei, wenn nur etwa 25 Prozent aller CDU-Mitglieder weiblich seien. Tatsächlich geht es bei der Frage nach der Repräsentation von Frauen daher eben nicht allein um die Identität der Partei. Es geht auch um Selbsterhalt, um Macht – und um Wahlerfolg. Eine aktuelle Studie  zeigt etwa, dass Unionswählerinnen sich eher für Kandidatinnen entscheiden würden, wenn sie die Wahl hätten. Stellt die CDU also mehr Kandidatinnen auf, macht sie das für ihre mögliche Wählerschaft attraktiver.

Die Notwendigkeit, mehr Frauen nach vorne zu bringen, bestreitet daher auch innerhalb der Partei kaum noch jemand. Nur das »Wie« sorgt für Zwist. Die Quotengegner formieren bereits ihren Widerstand. »Das wird die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der CDU langfristig enorm schwächen, das demotiviert die Mitglieder«, erklärte etwa der CDU-Abgeordnete Christoph de Vries gegenüber der »Welt« zur Quote.

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), die den Vorschlag der Strukturkommission schon länger ablehnt, will nun eine Basisabstimmung über die Quote erzwingen. Am Freitag einigte sich die MIT-Führung auf einen entsprechenden Antrag. Statt lediglich die Delegierten entscheiden zu lassen, sollen demnach alle Parteimitglieder befragt werden. Das hätte auch eine »Befriedungsfunktion«, heißt es in dem Papier des Wirtschaftsflügels. Die Verlierer müssten das Votum dann akzeptieren.

Eine Frage von Glaubwürdigkeit

Unterstützt wird die MIT von der Jungen Union, die der Quote ebenfalls kritisch gegenübersteht. Die CDU-Basis gilt als eher konservativ, drei Viertel sind Männer. Die Hoffnung ist daher offenbar, dass ein Gros der Mitglieder die ablehnende Haltung gegenüber der Quote teilt. Der Antrag zur Basisabstimmung muss es allerdings erst einmal noch durch die Parteigremien schaffen. Aus der Parteispitze ist bereits zu hören, dass man es eher nicht zu einer Basisbefragung kommen lassen wolle. Sollte der Antrag abgelehnt werden, könnte das die Fronten jedoch weiter verhärten.

Die Quote hat allerdings auch prominente Befürworter: Generalsekretär Mario Czaja hat sich mehrfach öffentlich für eine Quote ausgesprochen. Er werde vor dem Parteitag dafür werben, erklärte Czaja gerade der »Rheinischen Post«. Serap Güler, die im Parteivorstand sitzt, sagte zuletzt im SPIEGEL: »Ohne Quote werden wir es nicht schaffen, mehr Frauen für die CDU zu begeistern.« Und auch Ministerpräsident Daniel Günther, der in Schleswig-Holstein ein herausragendes Wahlergebnis einholte, fordert bereits seit Längerem eine Frauenquote für die Partei.

Wirbt für die Quote: Mario Czaja

Wirbt für die Quote: Mario Czaja

Foto: Michele Tantussi / REUTERS

Der Kampf um die Frauenfrage fällt passenderweise in eine Zeit, in der die CDU ohnehin auf einem Selbstfindungstrip ist. Nach der Niederlage bei der Bundestagswahl will man sich ein modernes Image geben, inhaltliche Leerstellen füllen. Die Arbeit an einem neuen Grundsatzprogramm hat gerade begonnen, die Präambel steht bereits. Zum Thema Frauen finden sich auch darin schon deutliche Worte: Die CDU wolle in Zukunft das Land als Volkspartei mitgestalten, »die Breite der Gesellschaft« abbilden, heißt es. »Dies bedeutet, dass in der Zukunft vermehrt Frauen Politik mitgestalten und in der CDU ihre Interessen einbringen.«

Wäre die CDU überhaupt noch glaubwürdig, wenn sie sich so einen Satz ins Grundsatzprogramm schreibt und dann gegen die Frauenquote stimmt?

Die Entscheidung des Vorsitzenden

Am Ende wird wohl vor allem Friedrich Merz als mächtigster Mann der CDU eine Antwort darauf geben müssen. Während sein Generalsekretär schon die Werbetrommel für die Quote rührt, hält Merz sich noch zurück. Er werde Mitte Juni im Vorstand einen Vorschlag zur Quote machen, erklärte Merz zuletzt im SPIEGEL.

In der Partei kursiert allerdings bereits seit Längerem ein Gerücht: Merz habe sich längst entschieden, heißt es. Er, der die Quote immer als »zweitbeste Lösung« betitelte, sei inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass es die bessere Lösung nicht gebe. Und er äußere diese Erkenntnis nur deshalb noch nicht, damit die Quotengegner nicht auf die Barrikaden gehen. Und seine eigenen Anhänger auch nicht.

Nach Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet könnte nun also ausgerechnet Friedrich Merz der Parteivorsitzende werden, der eine Frauenquote auf den Weg bringt. Es wäre eine politische Pointe der besonderen Art.