Corona: „Vier-Trillionen“-Schaden für Versicherungsindustrie, Weltwirtschaft „an Schwelle zu Rezession“

Corona - auch die Versicherungsindustrie ist betroffen. Quelle: Bild von Sumanley xulx auf Pixabay

Ein Schritt vor dem Abgrund? Hierzulande ist der Versicherungsmarkt derzeit relativ stabil, doch der Blick über den Tellerrand lässt Böses erahnen. Und dann ist da ja noch dieses Virus. Es ist beachtenswert, dass der globale Abschwung auf dem Versicherungsmarkt  bereits im vierten Quartal des letzten Jahres einsetzte, als Corona noch eine Biermarke war.

Im Bereich Mergers & Acquisitions (M&A), ein Sammelbegriff für Transaktionen im Unternehmensbereich , fiel die Aktivität in Nordamerika um 8,7 Prozent, wie das Datenunternehmen Global Data feststellte. Das selbe Unternehmen untersuchte den M&A-Markt im Vereinigten Königreich und stellte den selben Effekt fest. Der Rückgang betrug dort 6,5 Prozent.

Corona, Öl und große Schäden

Nun hat Facio, ein Cloud-Anbieter für Versicherungslösungen, eine Schätzung getätigt, wie stark der Versicherungsmarkt durch den Ausbruch von Corona (Covid-19) geschädigt werden wird. Die gewaltige Summe von „vier Trillionen US-Dollar“ wird wegen Corona auf dem Insurance Market ausgemerzt werden, so die Schätzung.

Besonders die Bereiche Vertrieb, M&A und erhöhte Schadenzahlungen würden die Versicherungsindustrie belasten. Laut Facio habe der Virus das größte Problem der Versicherer aufgedeckt, die Unternehmen könnten ihren Kunden nicht dienen, deren Ansprüche nicht erfüllen.

Die Branche hätte zu wenig automatische Abläufe implementiert, die Abhängigkeit vom Menschen sei zu groß. Versicherer wie Lemonade hätten das Problem bereits gelöst, doch die Industrie insgesamt sei in diesem Punkt zu schwach aufgestellt. Eine Lösung biete, quelle surprise, Facio und deren Cloud-Lösung.

Ölmarkt, Welt- und Versicherungsmarkt betroffen

Doch unabhängig von der Richtigkeit der Facio-Schätzung, unbeschadet wird die Versicherungsbranche nicht davonkommen. Das Virus schwächt die Wirtschaft weltweit und mittlerweile auch zunehmend den Mittleren Osten und damit den Ölmarkt, wie Global Data analysierte. Da die Entwicklung des Ölpreises für die Weltwirtschaft von zentraler Bedeutung ist, wird der Virus die globale Ökonomie (noch stärker) beeinflussen und damit auch zwangsläufig den Versicherungsmarkt.

Die Weltwirtschaft stehe vor einer Rezession, glaubt Norman Villamin, CIO Wealth Management der Schweizer Privatbank Union Bancaire Privée (UBP): „Tatsächlich haben wir mit dem Ausbruch (von Corona, Anmerkung der Redaktion) in Europa unsere globale Wachstumsprognose auf 2,2 Prozent gesenkt, sodass sich die Weltwirtschaft an der Schwelle zu einer globalen Rezession befindet.“

Euler Hermes rechnet mit dreistelligen Milliardenschäden pro Quartal

Ein ebenso düsteres Szenario entwirft auch der Kreditversicherer Euler Hermes. Nach dessen Berechnungen dürfte das Virus den Welthandel rund 320 Mrd. US-Dollar pro Quartal kosten. Vergleicht man die Verluste des Welthandels durch Corona mit Auswirkungen von Zöllen, die im Handelskonflikt zwischen den USA und China im vergangenen Jahr den Welthandel merklich gezeichnet haben, wird das deutlich: Der Verlust im ersten Quartal durch Corona entspricht umgerechnet einer Erhöhung des Welt-Importzolls auf Waren um 0,7 Prozentpunkte, erläutern die Analysten. 

Am stärksten davon betroffen dürften laut Kreditversicherer Hongkong, die USA, Japan, Südkorea, Italien, Frankreich, Großbritannien und auch Deutschland sein. Hinzu kommen die Risiken von unterbrochenen Lieferketten, einer geringeren weltweiten Nachfrage und sinkenden Preisen (und damit Umsätzen), so Euler Hermes weiter.

Die am stärksten betroffenen Branchen seien vor allem diejenigen, die besonders stark vom Welthandel abhängig sind und/oder die Unterbrechungen der Lieferketten ausgesetzt sein könnten: Maschinen und Ausrüstung, Textilbranche, Computer und Elektronik, Rohstoffe, aber auch Transport, Hotels und Gastronomie aufgrund der geringeren Einnahmen aus dem Tourismus.

Quelle: Statista

„Das sind keine Peanuts. Trotzdem ist das kein Grund zur Panik. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dürften sich global gesehen insgesamt in Grenzen halten, wenn es bei einem kurzfristigen Schock bleibt: Für das Gesamtjahr erwarten wir durch das Coronavirus aktuell ’nur‘ einem Verlust von 0,2 Prozentpunkten an Wachstum für die Weltwirtschaft. Diese dürfte 2020 insgesamt um 2,2 Prozent zulegen im Vergleich zum Vorjahr (bisherige Prognose: 2,4 Prozent). Voraussetzung ist, dass es zu keiner weit verbreiteten Panikreaktion kommt und sich die Geschäftstätigkeit in China nach drei Monaten wieder normalisiert. Davon gehen wir aktuell aus“, erläutert Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Zudem zeige sich die Weltwirtschaft wohl nicht robust genug, um diesen Verlust im weiteren Jahresverlauf wieder aufzuholen. „Wir gehen davon aus, dass durch die schwächere wirtschaftliche Entwicklung die weltweiten Insolvenzen mit mindestens plus 7,5 Prozent stärker ansteigen werden als bisher erwartet (plus sechs Prozent). Insbesondere Asien und Europa sind die Treiber hinter dieser Entwicklung. Dennoch ist dieser Anstieg vermutlich geringer als 2019 mit weltweit plus neun Prozent. Es gibt für den weiteren Verlauf zwar durchaus ‚Downside‘-Risiken – aber diese wären maßgeblich von Panikreaktionen getrieben“, sagt Alexis Garatti, Chef von Economic Research bei Euler Hermes.

Millionenschaden für Messebauer durch Corona

Besonders betroffen sind in Deutschland derzeit vor allem die Messebauer. Laut einem aktuellen Schadensreport der Famab (Fachverband Messe- und Ausstellungsbau) sei der deutschen Messbaubranche ein Schaden in Höhe von über 426 Mio. Euro entstanden. Der bisher entstandene volkswirtschaftliche Gesamtschaden beläuft sich laut der Untersuchung auf über 1,06 Mrd. Euro und von weiteren Schäden in erheblichem Umfang sei aufgrund der Prognosen auszugehen.

„Was da gerade über uns hereinbricht, würden Meteorologen als den perfekten Sturm bezeichnen. Die Unternehmen unserer Branche sind dieser Situation ohne Handlungsoptionen regelrecht ausgeliefert und benötigen dringend Hilfe. Die Folgen für den gesamten Messestandort Deutschland – dem langjährigen Weltmarktführer – werden drastisch sein, wenn nicht sehr bald wieder vernunftgeprägtes Handeln einkehrt. Hier ist nun schnelles und konsequentes Handeln der Politik erforderlich. Wir benötigen schnellsten ein Paket an geeigneten Maßnahmen. Eine ganze Branche mit 5.000 Unternehmen und 150.000 Mitarbeitern steht regelrecht auf dem Spiel“, erklärt Jörn Huber, Vorsitzender des Famab.

Seit Jahresbeginn sind bereits zahlreiche Messen rund um den Globus abgesagt worden. Den Anfang machte die weltgrößte Mobilfunkmesse, der World Mobile Congress in Barcelona. Es folgten die ITB Berlin, der Autosalon in Genf sowie die Buchmesse in Leipzig. Aktuell sind weltweit rund 400 Messen abgesagt worden. Allerdings soll die Hannover Messe – die weltgrößte Ausstellung für Automatisierung und Energietechnik – von Ende April auf Mitte Juli 2020 verschoben werden.

Aktuare rechnen mit keiner Beitragsanpassung in der PKV

Entwarnung gibt es hingegen für die privat Krankenversicherten – vorerst. „Eine Beitragsanpassung zum 1. Januar 2021 ausschließlich aufgrund des Virus halte ich für unwahrscheinlich. Die Leistungen in der PKV für Fälle der neuartigen Lungenkrankheit sind bislang noch vergleichbar mit denen einer stärkeren Grippewelle“, erläutert der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), Guido Bader. Auch in der Lebensversicherung sieht der Aktuar derzeit keine großen Risiken durch möglicherweise steigende Todesfälle wegen der Lungenkrankheit. „Diese Risiken können Lebensversicherer problemlos abdecken“, so Bader.

Die Entwicklung ist zwar besorgniserregend, dennoch gilt in Bezug auf das Virus das, was MLP-Chef Uwe Schroeder-Wildberg kürzlich erklärte: „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“. Oder in den Worten des Theologen und Philosophen Reinhold Niebuhr: „God, grant me the serenity to accept the things I cannot change, Courage to change the things I can, And wisdom to know the difference.“

Autor: VW-Redaktion

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